Dufourspitze 4634 m - eine Hochtourenwoche bis zum Dach der Schweiz, vor langer Zeit...


Publiziert von Ivo66 , 25. Mai 2013 um 22:26.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:11 August 1992
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   4000er 

Der Frühling hat sich verabschiedet, hat aber nicht etwas dem Sommer Platz gemacht. Nein, der Winter ist zurück... Zeit genug, für einmal etwas zurückzublicken, wenn denn schon bis auf weiteres keine Bergtouren möglich sind: 

Etwas mehr als 20 Jahre ist es her, als sich mein Bruder Roli zusammen mit mir einen Traum verwirklichten, nämlich sowohl den höchsten Punkt der Schweiz (Dufourspitze 4634 m), als auch den höchsten Berg, der mit seinem gesamten Aufbau auf Schweizer Gebiet liegt (Dom 4545 m) innerhalb einer Woche zu besteigen. 

Erstes Wochenende: Nadelhorn 4327 m 

Die Wetterprognosen versprachen nur kurzfristig schönes Bergwetter. Entsprechen flexibel gestalteten wir unser Projekt und machten uns nach Saas Fee auf, mit dem Ziel Mischabelhütte, einen mit über 3300 m. ü. M. hoch gelegenen Ausgangspunkt für das Nadelhorn (4327 m), unseren ersten Gipfel dieser Tourenwoche. Den Plan, anschliessend zur Domhütte abzusteigen, mussten wir bald fallen lassen, war doch nach einem kurzen Zwischenhoch wieder schlechteres Wetter angesagt.

Nach dem schönen Hüttenaufstieg erwartete uns am folgenden frühen Morgen prächtiges Wetter nach einer kalten Nacht. Im Stockfinstern stiegen wir zusammen mit einigen anderen Berggängern mit Stirnlampen zunächst über Geröllhänge, später über Firn und Gletscher hoch zum alpinen Grat, der zum Gipfel leitet. Mit einem Mal wurde es hell und die ganze Schönheit der hochalpinen Bergwelt trat zum Vorschein. Auf dem Gipfel des Nadelhorns tauchte unser nächstes grosses Gipfelziel auf: Der Dom, nochmals eine Nummer grösser; ein Koloss von einem Berg, ein von meterdickem Eis und Schnee überzogener, massiger Riese.

Donnerstag/Freitag: (Dom 4545 m)

Nach einer zwischenzeitlichen Rückkehr nach St. Gallen kehrten wir am Donnerstag ins Wallis zurück und stiegen von Randa zur Domhütte auf, einer prächtig gelegenen Unterkunft mit tollem Blick auf die andere Talseite mit dem mächtigen Weisshorn. Am Vorabend konnten wir die Route zum Dom bereits etwas studieren und brachen erneut sehr früh auf, den höchsten, ganz auf Schweizer Gebiet liegenden Berg zu besteigen. Wir wählten die verhältnismässig einfache Normalroute, die nach einer kurzen Kletterei im unteren Teil eine reine Gletscherbegehung war.

Aufgrund eines plötzlich aufgetretenen Defekts an der Ausrüstung musste Roli den grössten Teil auf dem Gletscher mit nur einem Steigeisen bestreiten. Das Unterfangen gelang ihm mühelos, wobei der happigste Teil noch auf uns wartete, nämlich der Abstieg ins Tal nach Randa mit seinen über 3200 Höhenmetern. Die Tour schien kaum enden zu wollen. Müde und überglücklich trafen wir am Nachmittag im Tal an, wo eine familiäre Unterkunft mit Dusche auf uns wartete.

Samstag: Intermezzo am Riffelhorn 2928 m oder der Schwächeanfall auf der kürzesten Tour...

Bereits am folgenden Tag ging es von Zermatt aus mit der Gornergratbahn hinauf nach Rotenboden. Im jugendlichen Übermut beschlossen wir, gleich noch vor dem Frühstück den felsigen Gipfel des Riffelhorns im Vorbeigehen mitzunehmen und liessen die Rucksäcke am Fusse des Berges liegen. Fast im Laufschritt stiegen wir Richtung Fels, wo wir uns beide - kaum nach einer Minute Gehzeit - fast gleichzeitig fragend und tiefatmend anschauten, kurz vor einem Schwächeanfall: Das mit "vor dem Frühstück" war wohl doch keine so gute Idee; das Hungergefühl liess jegliche Freude am Bergsteigen im Nu verschwinden und uns zu den Rucksäcken mit dem Proviant zurückschleichen.

Mit zittrigen Händen packen wir unser Frühstück auf und verschlangen es wie hungrige Löwen nach erfolgreicher Jagd. In Kürze kamen die Lebensgeister zurück und die Besteigung des Riffelhorns gelang im zweiten Versuch. Es sollte sich um den einzigen Gipfel in dieser Woche handeln, für welchen zwei Anläufe notwendig waren.

Später am Tag überquerten wir den Gornergletscher und übernachteten in der Monte Rosa-Hütte.

Sonntag: Dufourspitze 4634 m - auf dem Dach der Schweiz

Bereits um 1:30 Uhr in der Nacht standen wir nach kurzer Bettruhe auf und begaben uns gut eine halbe Stunde nach der ersten von an diesem Tag genau 17 Seilschaften auf den langen, langen Aufstieg zur Dufourspitze. Nach langer Zeit im Dunkeln waren die Glücksgefühle beim Sonnenaufgang noch intensiver als sonst. Die Emotionen erreichten ihren Höhepunkt aber auf dem Gipfel, nachdem wir Seilschaft für Seilschaft überholt hatten und nach knapp 5 Stunden Aufstiegszeit und einer Höhendifferenz von über 1800 Metern als erste an diesem Tag das Dach der Schweiz erreichten. Mit einigen Tränen in den Augen genossen wir das Gipfelglück während 20 Minuten für uns alleine. Was für ein Gefühl: Von damals etwas mehr als 6'000'000 Menschen im Land waren wir für einige Minuten diejenigen ganz zu oberst; ein Moment für die Ewigkeit. Für mich unvergessen bleibt auch der "Tiefblick" zum gut 150 Meter tiefer gelegenen Matterhorn. 

Wieder gestaltete sich der Abstieg sehr lange, wie dies bei zweitägigen Bergtouren in der Regel der Fall ist: Bei Ankunft auf der Hütte ist man noch nicht am Ziel, sondern hat noch den meist langen Abstieg ins Tal vor sich, auf dieser Tour wiederum bedeutend entschärft durch die komfortable Gornergratbahn.

Aus heutiger (und wohl schon damaliger) Sicht als unvernünftig muss wohl die Rückkehr von Zermatt nach St. Gallen bezeichnet werden, welche wir noch gleichentags mit dem PW des Vaters hinter uns brachten...

Zum Schluss: ...Eine Tourenwoche, die für immer unvergessen bleiben wird, aus einer Zeit ohne Internet und Digitalkameras. Die Fotos habe ich direkt aus dem Fotoalbum aufgenommen. Eine Routenbeschreibung füge ich ausnahmsweise keine hinzu: Ich erinnere mich diesbezüglich kaum an Nennenswertes und die Verhältnisse haben sich seither wohl grundlegend verändert.


Tourengänger: Ivo66


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Kommentare (2)


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BaumannEdu hat gesagt:
Gesendet am 26. Mai 2013 um 12:39
Schöne Bilder. Fast ein bisschen Nostalgie. Und hier die ungewohntere Ansicht von Dufour von Osten http://www.hikr.org/gallery/photo1102070.html#c168135

Ivo66 hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. Mai 2013 um 19:24
Danke... wenn das Wetter schon nichts anderes zulässt, hilft manchmal nur noch der Blick zurück. Eine mächtige Erscheinung, die Dufourspitze von Osten, so wie man sie etwa aus dem Tessin wahrnimmt.

Gruss Ivo


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