Grenzwertiges Tun im Schneesturm am Böli
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Es gibt einige Dinge, auf die ich nicht so stolz bin in meinem Leben und die ich trotz allem in meinem Erfahrungsschatz nicht missen möchte: die heutige Tour gehört gewiss dazu. Trotzdem berichte ich davon.
Der Wetterbericht für heute prognostizierte leidliche Verhältnisse für den Morgen und eine Verschlechterung im Lauf des Tages. Das Lawinenbulletin berichtete von mässiger Lawinengefahr, die im Lauf des Nachmittages wegen Triebschneeansammlungen deutlich ansteigen würde.
Ich entschied mich für eine Tour im Schrattengebiet. Das Türstenhäuptli sollte das Tagesziel sein. Als ich um 0750 Uhr im Wagliseiboden ankam, zog sich der Himmel über der Schrattenfluh bereits bedenklich zu. Es war klar erkennbar, dass mit Schneefall zu rechnen sein wird. Seite Glaubenbielenpass / Sörenberg schien noch die Sonne fahl durch die Wolken. Da ich das Gebiet bis Chlus ziemlich gut kenne, machte ich mich trotzdem auf den Weg, mit dem Eventualziel Böli im Hinterkopf. Bereits bei der Alp Schlund war mit klar, dass das Eventualziel zum Tragen kommen würde. Der Schneefall war bereits ziemlich intensiv, aber mit wenig Wind. Die Unterlage war schlecht, d.h. inexistent, aber um die Abfahrt wollte ich mich kümmern, wenn es soweit war. Im Aufstieg folgte ich dem Schrattentrail, der sich weitgehend an den Wanderweg hält und gelegentlich mit blauen Fähnchen markiert ist. Windstille mit sachtem Schneefall wechselte sich nun mit scharfen Böen ab, die mir den Schnee waagrecht ins Gesicht peitschten. Schmerzlich vermisste ich nun die Skibrille und die Gesichtsmaske, die daheim an der Wärme den Sonntag genossen. Der Weg nach oben war weitgehend von Schneeschuhläufern gespurt, so dass die Orientierung keine grossen Probleme bot. Kurz vor Chlus änderte sich die Szenerie dann total. Der Wind hatte mittlerweile Sturmstärke erreicht, so dass ich mich regelrecht dem Wind entgegenstemmen musste. Zudem lag der Rücken der auf das Böli führt über weite Strecken ziemlich abgeblasen vor mir. So entschied ich mich, hier das Skidepot zu errichten und zu Fuss auf den Gipfel zu steigen. Das gab mir die willkommene Gelegenheit, einmal mit meinen Skitourenschuhen zu wandern, etwas, was ich bisher noch nie über längere Strecken gemacht habe. Den abgeblasenen Flächen folgend, erreichte ich mit einigen Unterbrüchen den Gipfel. Der Wind war so stark und der Schnee im Gesicht so schmerzhaft, dass ich jeweils den Rücken dem Wind zugewandt die nächste Böenpause abwartete, bis ich weitermarschierte. So erreichte ich den Gipfelgrat, der das Böli von Rücken trennt. Meine Ängste überwindend, überquerte ich Schritt für Schritt die Schlüsselstelle und war auf dem Gipfel angekommen!
Unverzüglich machte ich mich auf den Abstieg. Da muss mir im Schneesturm irgendwo ein Navigations-Fehler passiert sein. Auf dem GPS-Track ist gut erkennbar, wie ich plötzlich 90° von der Abstiegsroute abweiche und mich unversehens über den Nordabhängen des Böli wiederfinde, was nicht so gesund ist. Ich bemerke meinen Irrtum und das GPS bestätigt mir, dass ich nach links queren muss, um die Aufstiegsroute zu erreichen. Da passiert es: ich mache Bekanntschaft mit einer dieser vorhergesagten "leicht auslösbaren Triebschneeansammlungen". Blitzartig bilden sich weit auslaufende Risse in der Schneeoberfläche. Instinktiv versuche ich mich zu orientieren: Wo stehe ich? Was geht da ab? Ich realisiere, dass ich oben am Hang stehe und dass sich die Schneefläche unter mir nicht bewegt. Nur die Risse liegen als Mahnmal klaffend vor mir. Ich verlasse den Hang nach oben und danke meinem Schutzengel. Kein Bauchgefühl hat mich vor dieser Situation gewarnt und ich bin froh, dass alles gut ausgegangen ist. Vorsichtig gehe ich von einer abgeblasenen Stelle zu anderen, bis ich wieder das Skidepot erreiche. Nun im Sturm "schnell" die Felle und Harscheisen von den Skis genommen, einen Schluck heissen Tee trinken und dann alle Sinne auf die "Abfahrt" fokussieren. Im oberen Teil ist die Orientierung wegen des Schneesturms nicht ganz einfach. Die Spur ist längst verweht und die einzigen Anhaltspunkte in der weissen Einöde sind die blauen Fanions des Schrattentrails. Etwas weiter unten umfängt mich der Wald. Die Sicht wird besser und ich kann nun auch wieder einer Spur folgen. Es hat mittlerweile ordentlich geschneit und so wird aus der Abfahrt gelegentlich ein Abstieg. Manchmal reicht mir der Schnee bis zu den Hüften und bremst mich richtiggehend aus. So wird auch die Abfahrt zum Kraftakt. Trotzdem erreiche ich irgendwann wieder mein Auto, das mittlerweile richtig eingeschneit ist.
Lehren:
Frage:
Auf dem GPS-Track sind interessanterweise zwei nahezu parallele Tracks verzeichnet. Ich bin ja nicht besonders religiös oder spirituell, aber vielleicht ist die zweite Spur von meinem Schutzengel?
Der Wetterbericht für heute prognostizierte leidliche Verhältnisse für den Morgen und eine Verschlechterung im Lauf des Tages. Das Lawinenbulletin berichtete von mässiger Lawinengefahr, die im Lauf des Nachmittages wegen Triebschneeansammlungen deutlich ansteigen würde.
Ich entschied mich für eine Tour im Schrattengebiet. Das Türstenhäuptli sollte das Tagesziel sein. Als ich um 0750 Uhr im Wagliseiboden ankam, zog sich der Himmel über der Schrattenfluh bereits bedenklich zu. Es war klar erkennbar, dass mit Schneefall zu rechnen sein wird. Seite Glaubenbielenpass / Sörenberg schien noch die Sonne fahl durch die Wolken. Da ich das Gebiet bis Chlus ziemlich gut kenne, machte ich mich trotzdem auf den Weg, mit dem Eventualziel Böli im Hinterkopf. Bereits bei der Alp Schlund war mit klar, dass das Eventualziel zum Tragen kommen würde. Der Schneefall war bereits ziemlich intensiv, aber mit wenig Wind. Die Unterlage war schlecht, d.h. inexistent, aber um die Abfahrt wollte ich mich kümmern, wenn es soweit war. Im Aufstieg folgte ich dem Schrattentrail, der sich weitgehend an den Wanderweg hält und gelegentlich mit blauen Fähnchen markiert ist. Windstille mit sachtem Schneefall wechselte sich nun mit scharfen Böen ab, die mir den Schnee waagrecht ins Gesicht peitschten. Schmerzlich vermisste ich nun die Skibrille und die Gesichtsmaske, die daheim an der Wärme den Sonntag genossen. Der Weg nach oben war weitgehend von Schneeschuhläufern gespurt, so dass die Orientierung keine grossen Probleme bot. Kurz vor Chlus änderte sich die Szenerie dann total. Der Wind hatte mittlerweile Sturmstärke erreicht, so dass ich mich regelrecht dem Wind entgegenstemmen musste. Zudem lag der Rücken der auf das Böli führt über weite Strecken ziemlich abgeblasen vor mir. So entschied ich mich, hier das Skidepot zu errichten und zu Fuss auf den Gipfel zu steigen. Das gab mir die willkommene Gelegenheit, einmal mit meinen Skitourenschuhen zu wandern, etwas, was ich bisher noch nie über längere Strecken gemacht habe. Den abgeblasenen Flächen folgend, erreichte ich mit einigen Unterbrüchen den Gipfel. Der Wind war so stark und der Schnee im Gesicht so schmerzhaft, dass ich jeweils den Rücken dem Wind zugewandt die nächste Böenpause abwartete, bis ich weitermarschierte. So erreichte ich den Gipfelgrat, der das Böli von Rücken trennt. Meine Ängste überwindend, überquerte ich Schritt für Schritt die Schlüsselstelle und war auf dem Gipfel angekommen!
Unverzüglich machte ich mich auf den Abstieg. Da muss mir im Schneesturm irgendwo ein Navigations-Fehler passiert sein. Auf dem GPS-Track ist gut erkennbar, wie ich plötzlich 90° von der Abstiegsroute abweiche und mich unversehens über den Nordabhängen des Böli wiederfinde, was nicht so gesund ist. Ich bemerke meinen Irrtum und das GPS bestätigt mir, dass ich nach links queren muss, um die Aufstiegsroute zu erreichen. Da passiert es: ich mache Bekanntschaft mit einer dieser vorhergesagten "leicht auslösbaren Triebschneeansammlungen". Blitzartig bilden sich weit auslaufende Risse in der Schneeoberfläche. Instinktiv versuche ich mich zu orientieren: Wo stehe ich? Was geht da ab? Ich realisiere, dass ich oben am Hang stehe und dass sich die Schneefläche unter mir nicht bewegt. Nur die Risse liegen als Mahnmal klaffend vor mir. Ich verlasse den Hang nach oben und danke meinem Schutzengel. Kein Bauchgefühl hat mich vor dieser Situation gewarnt und ich bin froh, dass alles gut ausgegangen ist. Vorsichtig gehe ich von einer abgeblasenen Stelle zu anderen, bis ich wieder das Skidepot erreiche. Nun im Sturm "schnell" die Felle und Harscheisen von den Skis genommen, einen Schluck heissen Tee trinken und dann alle Sinne auf die "Abfahrt" fokussieren. Im oberen Teil ist die Orientierung wegen des Schneesturms nicht ganz einfach. Die Spur ist längst verweht und die einzigen Anhaltspunkte in der weissen Einöde sind die blauen Fanions des Schrattentrails. Etwas weiter unten umfängt mich der Wald. Die Sicht wird besser und ich kann nun auch wieder einer Spur folgen. Es hat mittlerweile ordentlich geschneit und so wird aus der Abfahrt gelegentlich ein Abstieg. Manchmal reicht mir der Schnee bis zu den Hüften und bremst mich richtiggehend aus. So wird auch die Abfahrt zum Kraftakt. Trotzdem erreiche ich irgendwann wieder mein Auto, das mittlerweile richtig eingeschneit ist.
Lehren:
- Skibrille und Gesichtsmaske haben ihren Platz zu Recht auf der Packliste.
- Gerade in schlechtem Wetter muss der Navigation besondere Beachtung geschenkt werden.
- Auch unterwegs immer wieder beurteilen, ob es sicherer wäre, die Tour abzubrechen.
Frage:
Auf dem GPS-Track sind interessanterweise zwei nahezu parallele Tracks verzeichnet. Ich bin ja nicht besonders religiös oder spirituell, aber vielleicht ist die zweite Spur von meinem Schutzengel?
Tourengänger:
TomClancy

Communities: Pleiten, Pech und Pannen, Skitouren
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Kommentare (13)