Mittlerspitz-Rotspitz-Mazorahöhi: Vom Winter zurück in den Sommer oder Goldener Oktober im November


Publiziert von marmotta , 11. November 2012 um 14:17.

Region: Welt » Liechtenstein
Tour Datum: 3 November 2012
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   FL 
Aufstieg: 1750 m
Abstieg: 1750 m
Strecke:Balzers - Guschatobel - Guscha - Matan - Mittlerspitz - Guschagrat - Mazorahöhi - Rotspitz - Mazorahöhi - Mazora - Lawena - Magrüel - Neugrütt
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Balzers, Roxy
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Triesen, Säga

Das "Ländle" hatte mir in letzter Zeit wenig Glück gebracht. Entweder gingen wertvolle Ausrüstungsgegenstände verloren (wie z.B. hier oder hier), oder ich hatte Pech mit dem Wetter (wie z.B. hier). Doch wie hatte einst der Radprofi und 15-fache Tour de France-Teilnehmer Jens Voigt einmal gesagt: "Man muss einfach solange auf das Glück einprügeln, bis es sich auf Deine Seite neigt." Wie wahr… :-)
 
Und so sollte ich für einmal in genau der Region, über die für mich ein Fluch zu liegen schien, doch noch eine planmässige Tour ohne Komplikationen und Materialverluste erleben - wenngleich der durch das Rheintal fegende Föhn mir das Leben zeitweise schwer machte. Dabei hatte ich mir bewusst ein Gipfelziel ausgesucht, der dem Föhnwind mit den entsprechend hohen Temperaturen besonders ausgesetzt ist, um wenigstens im Aufstieg dem noch vorhandenen Schnee weitestgehend aus dem Weg zu gehen.
 
Bereits beim Start in Balzers zeigt der Föhn eindrücklich, wer heute im Rheintal das Sagen haben sollte. Es rauschte gewaltig im Blätterwald, die Bäume bogen sich bedrohlich unter den Windböen mit Spitzen bis zu 80 km/h. Weglos steige ich von den obersten Häusern am nordöstlichen Ortsrand zu einem Fahrweg auf, der mich via P. 583 auf die Ostseite des Bachs brachte, in welchem das Wasser aus dem Tobel zwischen Mittagspitze und Mittlerspitz gefasst wird. Dies war suboptimal, da ich in der Folge diesen Bachlauf bzw. die Bachfassung wieder (abenteuerlich) überqueren muss (bei viel Wasser wohl kaum trockenen Fusses zu bewerkstelligen). So erreichte ich schlussendlich den Fahrweg, dem man auch bequem von der Ortsmitte von P. 503 aus hätte folgen können. Anschliessend gibt es keine Wegfindungsschwierigkeiten mehr, einfach der Beschilderung Richtung "Guscha" dem schmalen Bergpfad folgen, der sich teils spektakulär durch die steil abfallende Flanke und zuletzt über eine Brücke den Guschatobel überwindend, schlängelt (T3). Das viele Laub und der ab einer Höhe von ca. 800 m (!) darunter versteckte und konservierte Schnee machen die Sache stellenweise sehr mühsam und nicht ganz ungefährlich. Zum Glück hat es an den exponiertesten Stellen kurz vor dem Ausstieg aus dieser Flanke Drahtseilsicherungen, ohne diese wäre ich bei den aktuellen Verhältnissen wohl umgekehrt.
 
Trotz angekündigter Temperaturen von knapp 20 °C bin ich bereits oberhalb von Guscha (1131 m) durch den Föhnsturm derart durchgefroren, dass ich über mein T-Shirt eine schützende Jacke ziehe sowie zusätzlich Handschuhe und Mütze anlege. Das Waldstück zwischen Guscha und Matan gewährt dann vorübergehend etwas Schutz und Schonung vor dem unerbittlichen Föhn, hier treffe ich auch auf die ersten nennenswerten (nassen) Schneereste. Die Weiden oberhalb der Alp Matan (1581 m) sind dann erwartungsgemäss wieder schneefrei und der Föhn "schiebt" mich hinauf zum Guschner Gir (1713 m). Meine leichte Gore-Tex-Jacke wirkt hier wie ein Segel, so dass ich tatsächlich nur die Beine bewegen muss und ohne jegliche Kraftanstrengung nach oben "fliege". Ja, fast habe ich das Gefühl, als würde ich wirklich im nächsten Moment abheben!
 
Auf der Grathöhe des Guschner Gir angekommen, endet der Spass leider abrupt: Nun muss ich mich gegen den Wind mit teils enormen Böen stemmen - die Tatsache, dass es jenseits der Gratkante senkrecht etliche hundert Meter hinunter Richtung Rheintal geht, bewegt mich dazu, deutlich unterhalb der Grathöhe zu gehen. Einzelne Böen reissen mich immer wieder zu Boden bzw. versetzen mich um einige Meter, es ist ein Kampf auf Biegen und Brechen - Wandern kann so schön sein… ;-)
 
Schlussendlich erreiche ich über die teils schneebedeckte Flanke entlang des Grenzgrats FL/GR (Wegspuren) aber doch unbeschadet den Gipfel des Mittlerspitz (1899 m), wo ich mich am massiven Holz-Gipfelkreuz festhalten muss, um nicht gradewegs ins Rheintal oder zur Alp Lawena hinuntergeblasen zu werden. Hätte es hier oben einen Weitspuck-Wettbewerb gegeben, ich hätte sicher einen neuen Weltrekord aufgestellt... ;-)
 
Die widrigen Umstände erlauben weder eine Gipfelrast noch einen Eintrag ins Gipfelbuch, schnell haste ich weiter über den Guschagrat Richtung Südosten, in der Hoffnung, bald einmal durch den Guschagrat selbst oder das nahe Falknismassiv etwas Schutz vor dem Föhnsturm zu erhalten. Es wird windmässig tatsächlich etwas besser, dafür muss ich mich nun mit dem schneebeckten Gelände auseinandersetzen. In der steilen Flanke des Guschagrats ist das Wegtrassee zwar gerade noch andeutungsweise zu erkennen, jedoch liegt bereits viel -teils eingewehter- Schnee darin, so dass einige sehr abschüssige bzw. exponierte Passagen eine gewisse Vorsicht bzw. Trittsicherheit verlangen. Auf der gesamten Länge bis zur Mazorahöhi ist dies einigermassen mühsam, jedoch aus Sicherheitsaspekten gerade noch vertretbar.
 
An der kleinen Hütte unterhalb der Mazorahöhi (2045 m) kann ich endlich in Ruhe eine kurze Pause einlegen, der Föhnsturm ist hier deutlich abgeschwächt. Anschliessend steige ich noch schnell zu den Gipfelfelsen des Rotspitz (2127 m), von dem ich eine herrliche Aussicht ins Rheintal, nach Liechtenstein, die Alvierkette und den Alpstein geniesse. Richtung Süden drücken mächtige Föhnwalzen herein.
 
Zurück an der Mazorahöhi entscheide ich dann spontan, nach Nordosten zur Alp Lawena abzusteigen. Dort sieht es zwar bereits tief winterlich aus, doch ich erhoffe mir einen "ruhigeren" Abstieg als auf der (föhnwind-)exponierten Südwestseite. Bereits wenige Meter unterhalb des Sattels ist es im verschneiten Kessel der Mazora völlig windstill und damit augenblicklich auch so warm, dass ich nun eine längere, gemütliche Rast mache.
 
Der Wanderweg hinunter zur Alp Lawena ist unter dem Schnee leider nur noch in Ansätzen zu erkennen und da ich hier noch nie abgestiegen bin, gerate ich etwas zu weit nördlich. Als ich erkenne, dass ich hier keine Chance habe, bei diesen Verhältnissen über die Abbrüche und Tobel nach unten zu kommen, wird die Sache sehr mühsam: Ich steige zunächst wieder ein grosses Stück zurück und erwäge sogar kurz, die Übung abzubrechen und ganz zurück zur Mazorahöhi zu steigen, da ich über weite Passagen nun tief in den durch die Verwehungen sehr ungleichmässig verteilten Schnee einsinke! Dann treffe ich aber doch noch zufällig auf eine Markierung an einem aus dem Schnee herausschauenden Felsen und folge der mit etwas Gespür noch zu erkennden Route hinab ins Schwemmgebiet des Lawenabachs.
 
Von der bereits verlassenen Alp Lawena geht es dann in gemütlicher Wanderung über die Alpstrasse (Lawenastrasse) bis hinunter ins "heisse" Rheintal, wo ich in cff logo Triesen, Säga bei 19,5 ° C in den Bus Richtung Buchs Bhf steige.

Tourengänger: marmotta


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