Glarner Mix - oder: Tödi auf Umwegen
|
||||||||||||||||||||||||||||
![]() |
![]() |
Vorgeschichte:
Bei der Suche nach neuen, interessanten Bergideen stiess ich auf Brigelser Hörner. Kaum auf hikr erwähnt und im Tourenführer des SAC auch eher unter "kaum bestiegen" bis "keine nachgewiesenen Besteigungen in den letzten Jahren" laufend. Ideal also, wenn man mal wieder eine ruhigere Ecke sucht, wo man nicht im Stau am Gipfel warten muss. Am Ende kam dann aber doch alles anders.
10.8.
Ich starte direkt ab Arbeitsplatz mit Hochtourenausrüstung sowie Schlafsack, Isomatte und Essen für das ganze Wochenende. Mit dem Zug bis Tavanasa-Breil/Brigels und dann per Bus hoch nach Brigels selbst. Um kurz nach 20 Uhr laufe ich Richtung Piz Dado los, unter Missachtung aller Wege. Dies führt zwar dazu, dass ich zwischenzeitlich pfadlos irgendwo im Bergwald herumstehe, aber letztendlich lande ich kurz vor 21 Uhr an einer Alp auf 1767m südöstlich vom Dado. Da es hier Wasser hat und es eh dunkel wird schlage ich mein Nachtlager direkt auf der kleinen Terasse der Hütte auf.
11.8.
Eigentlich wollte ich früh los, aber dann war der Schlafsack doch zu bequem. Um kurz nach 7 Uhr breche ich nach einer Tasse Kaffee zum ersten Ziel auf - Piz Dado. Zur Alp Tschegn Dado (1993m), dann von dort in Richtung NW zu einem Kreuz und ab dort über den Südgrat auf den Gipfel. Aufgrund einiger Pausen unterwegs stehe ich um 10 Uhr oben und kann dann gleich meine Idee, den gesamten Grat entlangzuturnen, begraben. Beim Abstieg zum Piz Dadens lande ich sofort in einer Schuttrinne, welche an einem steilen Abbruch endet. Also zurück, etwas den SO-Grat entlang und dann über steile Wiesen mit schlechtem Fels ins Val Miez. Von dort zu wieder zum Verbindungsgrat zw. Dadens und Dado hoch und rauf zum Nordgipfel des Piz Dadens. Der Hauptgipfel ist aus der Richtung nicht oder nur mit viel Aufwand erklimmbar, eine tiefe Scharte spaltet den Gipfel und trennt Nord von Süd.
Der weitere Gratverlauf zum Piz Tumpiv sieht recht unpassierbar aus. Ich finde zwar noch einen Steinmann (dem Alter nach eher Steinopa) und ein kaum noch erkennbares Wegzeichen, aber das wars. Auch der Grat bricht steil ab und Umgehungen durch die Wände finde ich nicht. Aus einer spontan Laune heraus beschliesse ich daher, ins Val Frisal abzusteigen. Vom Dadens aus nach NW, vorbei an P2563 geht es über Schutt und Geröll zum Corns las Fontanaus und dort auf rund 2400m Höhe in Schutt und Geröll nach Westen. Bei P2474 entdecke ich, dass die laut SAC Führer "am ehesten im Frühjahr" erklimmbare Route hoch zu Crap Grond und Co. doch eher machbar aussieht. Etwas Geacker im aperen Eis sowie Spaltenirrlauf im oberen Teil später stehe ich bei 2950m, mit Blick auf den Gipfel - und darf umkehren. Spaltenirrlauf solo geht nur, wenn man auf aperem Eis geht und die Schneefelder meidet, aber ab hier ist eine geschlossene Schneedecke. Auch das nächste Ziel - Crap Grond solo - ist somit gestrichen. Immerhin steht nun fest, dass die Route auch im Sommer begehbar ist.
Also zurück und weiter zur Frisallücke. Nach einigen Schuttquerungen und 80 Hm allerfeinsten Schutt als Abschluss (da müssen die Bezengi-Russen noch etwas drauflegen um das zu toppen) stehe ich kurz nach 18 Uhr in der Lücke und beginne den Abstieg. Laut Web hat der Weg Ketten und Drahtseile, aber dergleichen gibt es eh fast überall, wo dem Bergbesucher der Absturz droht, wenn er sich auf der 2m breiten Alpinautobahn zu nahe an eine Kante begibt. Nicht so hier, hier sind die Ketten wirklich notwendig. Der Weg geht in Fallline steil hinunter, und spätestens nach dem zweiten über 2m hohen Absatz, den ich nur an der Kette hangelnd absteigen kann freue ich mich über die Sicherungen. Als Highlight kommt dann noch eine 15-20m lange Strecke, wo die Kette seitlich in der Wand verlegt ist, in teilweise 5m Höhe über dem Boden. Zum Glück gibt es reichlich kleinere Tritte für die Füsse, aber wehe dem dessen Arme versagen (und der wie ich ohne Gurt und Bandschlinge da herumtanzt). Um 19:30 Uhr stehe dann letztendlich unten am See im Val Punteglias und entscheide mich für einen Hüttenbesuch. Meine Faltflasche ist undicht und hat zwischenzeitlich das Brot und den Rest im Rucksack durchnässt, ich benötige Ersatz.
Die Hütte ist voll, alle wollen morgen auf den Tödi, nur ich auf den Piz Curtin. Ein Bier später habe ich mich zwei Rumänen aus Zürich angeschlossen und verwerfe somit meine Pläne. Ein weiteres Bierchen (diesesmal aus dem Rucksack, ich hab zwei Dosen dabei) später lege ich mich gegen 22 Uhr in Hüttennähe in den Schlafsack.
12.8.
Um 2:45 Uhr klingelt der Wecker, und nachdem meine Seilkollegen gepackt haben, verlassen wir gegen 4 Uhr die Hütte. Meine Dose Ravioli, die mich zusammen mit zwei Dosen Bier brav begleitet hat, bleibt zurück an der Hütte. Über Geröll geht es zunächst das Tal hinauf in nördliche Richtung, dann weiter weglos über Fuorcla da Punteglias (2800m) und über einen ausgetretenen Pfad zum aperen Glatscher da Glims. Die letzten Höhenmeter über die Porta da Gliems erfolgen an einer kette, wobei losgetretene Steine von den Leuten über uns den Einstieg etwas auffrischen. Christian hat Glück, ein faustgrosses Geschoss trifft lediglich den Fussknöchel und der Schuh verhindert Schlimmeres. Der restliche Weg zum Gipfel verläuft ohne Ergeignisse, lediglich einem vom Piz Dado herunterrollender Steinbrocken müssen wir ausweichen.
Auf dem Rückweg biegen wir östlich der Porta da Spescha in Richtung Linthal ab. Der Weg bis zur gelben Wand ist gespurt, wir finden problemlos durch das Spaltenwirrwar. Der Übergang zum Fels erfordert einigen Aufwand und auch im weiteren Verlauf bis zum unteren Ende des Schneerus bietet der Weg noch einige Überraschungen, aber letztendlich erreichen wir den Ausstieg vom Gletscher zur Grünhornhütte, und einige Ketten später sind wir aus dem technischen Teil raus, bevor das angekündigte Schlechtwetter eingetroffen ist. Auf dem Weg zur Fridolinhütte erwischen uns zwar noch ein paar Tropfen, mehr aber auch nicht. An der Hütte buchen wir ein Taxi ab Hintersand, da es mittlerweile kurz nach 17 Uhr ist und wir ansonsten wahrscheinlich keinen Zug mehr heimwärts erwischen würden. Ohne Pause geht es daher gleich weiter und frisch geduscht (doch noch Regen, was sonst) um 18:30 Uhr dann per Bergbus runter nach Linthal.
Fazit:
Etwas umständlicher Anstieg auf den Tödi ab Brigels (laut GPS 4200Hm rauf und 37km Wegstrecke), aber durchaus hübsch.
Routenbeschreibungen/-einschätzungen:
Crap Grond (über den Gletscher aus Val Frisal) WS, Eis max. 30-35°
Vom Val Frisal zum Gletscher hoch, ein kurzes glattes Felsband links oder rechts im Schutt umgehen. Dann in der Gletschermitte über losen Schutt/Eis-Mix hoch und dabei den Bergschrund (ist dort zugeschüttet) überschreiten. Oberhalb des Schrunds nach links (östlich) ausweichen, da hier lediglich von der darübergelegenen Felswand immer einmal wieder Steine herunter kommen, während am rechten westlichen Rand auch noch Eisbrocken aus dem Gletscherabbruch dazu kommen (Helm von Vorteil). Am oberen Rand (ca. 2840m) dann in westliche Richtung zu P2890, eine Spaltenzone umgehend. Erst am nördlichen Gletscherrand, dann weiter südlich weiter in Richtung Gipfel. Abbruch auf 2950m, von hier aus müsste lediglich ein Plateau überquert und anschliessedn die letzten Meter zum Gipfel überwunden werden.
Barcun Frisal Sut: T5
Der Weg bekommt die T5 nur dank der Ketten, sonst wäre es eher Fels Stellen V (oder mehr). Gurt, Bandschlinge und Karabiner von Vorteil, die Rinne ist schuttbeladen und steinschlaggefährdet (Helm, keine grosse Gruppen, man kann in der Rinne dem Geschosshagel nicht ausweichen). Der Einstieg in den gesicherten Bereich ist aus dem Val Punteglias gut an einer grossen Farbmarkierung erkennbar, aus dem Val Frisal führt der Weg nur dorthin.
Porta da Gliems:
Kettengesicherter Aufstieg entlang eines Bändersystems, welches sich im Fels schräg nach oben zieht. Etwas Armkraft notwendig, bis auf wenige Stellen hat es aber überall gute Tritte für die Füsse. Im oberen Teil kommt Schmelzwasser über die Route, hier hat es womöglich morgens überfrorene Felsen. Der Einstieg unten erfolgt über eine Schneebrücke an der Randkluft. Steigeisen unbedingt vorher ablegen und diesen Bereich sofort und ohne Pause verlassen. Jeder losgetretene Stein, selbst von weit oben, kommt hier vorbeigeschossen. Nachdem man den ersten Fixpunkt erreicht hat, ist man vor diesen Geschossen sicher.
Gelbe Wand (vom Gipfel aus):
Der Weg vom Gipfel dorthin ist aufgrund der Spaltenzonen spannend. Wir sind in der Gletschermitte herunter bis auf ca. 2800m, dann zunächst an den rechten Rand, weg vom Ausstieg und erst auf der Höhe des Ausstiegs über diverse Eisrippen nach links. Der Ausstieg ist athletisch, eine Kette hängt vom ersten Fixpunkt (etwa 12Hm oberhalb) in eine mit Schutt gefüllte Spalte hinein. Im untersten Bereich hängt die Kette frei in der Luft. Der Aufstieg erfolgt, indem man die Kette nach rechts aus der Spalte herauszieht, diese möcglichst weit oben ergreift dann erst schräg nach links bis in Fallinie hinüberhangelt und dann hoch klettert. Sollte es sich keiner zutrauen, diese 5m rauf in abwärts geschichtetem Fels frei emporzuhangeln, bietet sich folgende Technik an. Der Vorsteiger hängt sich mittels Bandschlinge/Schraubkarabiner möglichst weit oben in die Kette, zieht sich nach oben, befestigt einen Schnappkarabiner und fädelt dort ein Seil durch, welches von einem in der Spalte stehenden Sicherden gehalten wird. Die Bandschlinge wird entlastet und nach oben verlegt, indem der Kletternde nach oben steigt und die Belastung auf das Seil übertragen wird. Der Rest steigt im Nachstieg gesichert an der Kette hoch. (30m Seil reichen gerade so).
Neben dieser Stelle befinden sich unterwegs noch ein Bereich, an dem von einem Band auf ein darunterliegendes Band mit Hilfe von Stahlgriffen abgeklettert werden muss (überhängend, 2-3m, exponiert), auch hier bietet sich eine Bandschlinge mit Schrauber als Sichrung an.
Der untere Ausstieg ins Schneerus erfolgt über Stahlgriffe sowie auf den letzten 3-5m mittels eines Fixseils. Wer wie wir hier abseilt (30m Seil reicht) sollte dies entlang der Griffe machen, da man vom oberen Leiterende aus direkt in der Randkluft landet.
In Anbetracht der Anforderungen halte ich ein WS für die Route Fridolinhütte - Piz Russein für recht niedrig eingeschätzt, zumindest mir ist noch keine WS-Route untergekommen, auf der man exponiert angebrachte überhängende Leitern hoch bzw. runter muss. Die ebenfalls mit WS bewertete Route ab Punteglias ist dagegen schlichtweg harmlos.

![]() | Geodaten | ||
![]() | Brigels - Alm | ||
![]() | Alm - Val Frisal - Punteglias | ||
![]() | Punteglias - Tödi - Linthal |
Kommentare (7)