Letzten Oktober versuchten wir uns eher unplanmässig bzw. als Zugabe zum Grossgander Stock an dessen Nachbar, dem Ruchälplistock. Allerdings scheiterten wir am Schnee in den heiklen Kraxelpassagen und schworen uns, bei trockenen Bedingungen zurückkehren und allenfalls noch den Jakobiger dran zu hängen.
Als wir nun an x-ten wettermässig zweifelhaften Wochenende in Folge am frühen Morgen mit der Bahn ins Urnerland fuhren und all die Wolken sahen, waren wir uns nicht so sicher, ob uns das Unterfangen diesmal gelingen würde. In Erstfeld stiegen wir in den mit „Göschenen“ angeschriebenen Bus um, der dann aber in die andere Richtung düste. Kurios und schade... In Schattdorf reichte es uns und eine Viertelstunde später sassen wir in einem Bus, der uns dann auch wirklich Richtung Göschenen chauffierte. Schade um den Zeitverlust, denn wir wollten früh unterwegs sein, da Gewitter drohten.
Auf dem Weg vom Arnisee zum Sunnig Grätli definierten wir den Ruchälplistock als Minimalziel. Bei der Sunniggrätli Hütte unterlief mir der Fehler, nicht via Hütte zu P. 2038 aufzusteigen, sondern den Umweg über den Sunnig Grat anzusteuern. Wir erreichten den Grat ca. 1h 15min nach Abmarsch am Arnisee.
Je näher der Grossgander Stock kam, desto mehr hakten wir angesichts dunkler Wolken bereits die Überschreitung zum Jakobiger mit Abstieg via Leutschachhütte ab. Nach einer kurzen Pause beim Grossgander Stock ging's dem Grat entlang zum Einstieg. Der Fels war noch recht feucht und weil mit Flechten bewachsen, auch etwas rutschig. An diesem Berg ist bei Nässe also Vorsicht geboten.
Die Kraxelei zum Gipfel (T5 I) war ein Vergnügen. Weiter oben wurde der Fels etwas trockener. Probleme mit meiner latenten Höhenangst bekundete ich nirgends. Sämtliche heiklen Passagen in diesem steilen Aufstieg sind gut mit Fixseilen entschärft. Oft muss man diese nicht benutzen, da der Fels gute Griffe bietet, an einigen ausgesetzten Stellen wär's ohne Seile aber schon sehr happig.
Vom Nebengipfel, über den der Weg führt, schien der Gipfel zum Greifen nahe. Der ausgesetzte Aufstieg an der Kette bereitete mir bei diesem Anblick etwas Sorge, zumal ich neulich bereits am Chli Windgällen am ausgesetzten Gipfelgrat scheiterte. Sobald wir aber in die Scharte abgestiegen waren (bei Schnee sehr heikel) und von dort zum Gipfel hochschauten, wich das mulmige Gefühl. Und prompt: Der Aufstieg an der Kette auf den Gipfelfels bereitete viel Spass – und keinerlei weiche Knie.
Die ersten paar Meter der Kletterei bieten nur spärliche Tritte und Griffe, weshalb man sich am Besten voll an der Kette hochzieht. Die oberen zwei Drittel des Gipfelaufstiegs können aber – so wie's meine Freundin getan hat – frei geklettert werden, sofern man Lust dazu hat. Um 10.30 Uhr, d.h. 2h 30min nach Abmarsch beim Arnisee, erreichten wir den Gipfel. Für mein nach dem Chli Windgällen-Gipfelgrat-Misserfolg leicht angeschlagenes Selbstvertrauen war dies Balsam.
Wie erwähnt, hatten wir den Jakobiger bereits aus dem Programm gestrichen. Als er nun aber endlich aus der Nähe zu sehen war und wir den Eindruck hatten, das Wetter sei einigermassen stabil (stabil schlecht, wohlverstanden, doch immerhin trocken...), änderten wir den Plan. Aufgrund der angekündigten Gewitterfront wollten wir keine Zeit verlieren und verzichteten auf eine Gipfelpause. Zu sehen gab's sowieso nicht viel.
Vom Ruchälplistock stiegen wir wieder in die Scharte ab. Von nun an erwartete uns T4-Gelände. Im Frühling liegt in der nordseitigen Traverse zum Jakobiger teilweise noch lange Schnee, doch nun war alles schneefrei und daher einfach zu begehen. Im Grashang unterhalb des Jakobigers zweigten wir zum Gipfel ab, den wir eine knappe halbe Stunde nach dem Ruchälplistock erreichten. Insgesamt waren wir etwas schneller unterwegs, als wir zu Hause geschätzt hatten: Bis hierhin waren's drei statt der erwarteten vier Stunden.
Das nächste Ziel bestand darin, den steilen Abstieg vom Leidseepass noch im Trockenen zu absolvieren. Falls uns nachher ein Gewitter überraschen sollte, gab's einerseits ja noch die Leutschachhütte und andererseits keine heiklen Wegpassagen mehr zu bewältigen. Vom Jakobiger ging's auf einfachem Pfad zum schön gelegenen Leidsee hinunter.
Vom höchsten Punkt des Leidseepasses führt der Weg auf einem schmalen Band der Chapferplanggenstock-Südwand entlang. Bei Nässe ist auch hier etwas Vorsicht geboten und einigermassen schwindelfrei zu sein schadet wohl auch nicht. Heikle Stellen sind aber allesamt mit Fixseilen versehen. Auf ca. 2300m ist's dann mehr oder minder fertig mit Kraxeleinlagen und kurzen Felspassagen und der Weg wird einfacher. Um 12.30 Uhr erreichten wir den Obersee, wo's die ersehnte Mittagsrast gab.
Der Abstieg zur Leutschachütte und von dieser zum Arnisee war nur noch Formsache. Regen gab's keinen. Überhaupt scheinen sich die Meteorologen am vergangenen Wochenende etwas vertan zu haben, denn auch der Sonntag erwies sich als wesentlich besser als prognostiziert. Wie auch immer: Am Arnisee konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ins kühle Nass zu springen. Einer Tafel zufolge sollte man dies glaub's aber unterlassen... Wie auch immer: Mir war's egal und der Kurzschwumm ein Genuss!
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