Am Schweizer Nationaltag arbeiten die Franzosen bekanntlich fleissig für ihre 35-Stunden Woche. Deshalb hofften wir, dass in der Mont Blanc-Region weniger Leute unterwegs sein würden als an einem Wochenende. Nur hatten wir vergessen, dass zur Zeit auch einige Pariser Urlaub haben. Nachdem wir stundenlang alllein unterwegs gewesen waren, gerieten wir dann, total überrascht, auf dem Rückweg beim Lac Blanc in eine regelrechte Völkerwanderung mit Beach-Ambiance. Gottseidank lief 99% dieses Menschenstroms nach Flégère, um sich von dort nach Chamonix gondeln zu lassen...
Unser Plan war, mal bis zum Fuss der Aiguille de Belvédère vorzustossen um zu sehen wie weit wir dann hochkämen. Der Bericht von
trainman liess uns zwar nur wenig Hoffnung auf einen Gipfelerfolg, aber das Gebiet lockte trotzdem, weil wir dort mal unterwegs waren und wegen dem verflixten Nebel null Aussicht hatten.
Eine wunderbare Vollmond-Sommernacht neigte sich zu Ende als wir am Morgen in Tré-le-Champ noch im Dunkeln starteten. Nur das Rauschen von Flüssen war zu hören. Wir wählten den Leiternweg Richtung Lac Blanc (der Weg fängt gleich beim zweiten Parkplatz am Col des Montets an). Bei der Aiguillette d'Argentiere durften wir eine Weile einer Truppe überhaupt nicht scheuen Kraxeltiere beim Frühstücken zuschauen. Hier befanden sich dann auch die ersten Leitern, die gut verankert und gesichert über die Felsen hochführen. Kurz darauf wurden der Mont Blanc und die Aiguille Verte von der aufgehenden Sonne traumhaft schön in orange verwandelt. Dïese "Monster" hatten wir praktisch beim ganzen Aufstieg vor Augen.
Bis zu den Lacs des Chéserys waren wir allein unterwegs. Hier waren dann einige Zeltler am Aufwachen (biwakieren ist in diesem Naturschutzgebiet von Sonnenuntergang - bis Aufgang erlaubt). Beim Chalet du Lac Blanc war noch alles ruhig, aber wir bekamen einen heissersehnten Startkafi für immerhin 4€50! Wir genossen ihn auf der Terrasse mit einem fantastischen Blick zur ganzen Mont Blanc Prominenz.
Dann folgten wir einer Wegspur (nicht markiert) im Blockgeröll der linken Seeseite (flussabwärts). Diese nicht immer ersichtliche Spur führte weiter der Moräne entlang hoch bis ungefähr P. 2506. Hier könnte man zum Col du Belvédère aufsteigen. Unser Ziel war jedoch der Col des Dards über das vom Gletscher noch übrig bleibende grosse Schneefeld. Letzteres war hartgefroren und wir waren froh über die Steigeisen im Rucksack. So kamen wir flott bis zum Fuss der Aiguille du Belvédère. Nun kam die Stunde der Wahrheit. Wir kraxelten in den Felsblöcken hoch bis zum ersten Spitz. Dort wurde dann klar, dass der Weiterweg unserem Können nicht entsprach. Dieses Gelände ist nur etwas für geübte Kletterer. "Essayé pas pu" meinte Yves während wir nun einfach das eindrückliche Wunderpanorama genossen.
Anschliessend querten wir auf dem Schneefeld hinüber zum Fuss der Aiguilles Crochues und nach einer Imbisspause kraxelten wir zum nördlichen Spitz hoch, der sich auch als ein Belvédère entpuppte. Dort blieben wir dann lange und bekamen nicht genug von dieser Bombenaussicht auf die zum Greifen nahen Kolossen....
Während all diesen Stunden war uns nur ein Bergführer mit 2 Kunden begegnet, die von eben diesem Spitz herunter kamen. Auf dem Rückweg beim Lac Blanc (diesmal auf der rechten Seite) änderte sich das dann aber schlagartig. Eine solche Menschenansammlung haben wir bis jetzt in den Bergen noch nie gesehen...
Nach der Verzweigung zu Flégère war zum Glück der Spuk vorbei und wir kehrten auf dem Leiternweg gemütlich zurück zum Ausgangspunkt. Zwei Pausen gabs noch : die erste um dem Klettervolk bei der Aiguillette d'Argentière zuzuschauen und die zweite um die Trinkflaschen mit Heidelbeeren zu füllen...
Fazit : Das ganze Gebiet der Aiguille Rouges ist ein Kletterparadies. Beim Abstieg konnten wir immer wieder Seilschaften beobachten. Die T4-Bewertung gilt nur ab Lac Blanc. Der Leiterweg ist im T2-T3 Bereich.
Unser Auf- und Abstiegsweg wurde hier von
Willem bestens bebildert, wobei einige Leitern inzwischen versetzt wurden.
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