... ich erhielt einen Auftrag aus Zürich für diesen Samstag, dessen Wettervorhersage allerdings nicht Glanzzeiten in Aussicht stellte, mit Gewittern sei zu rechnen und mit Regenschauern auch. Im Weitern bat Regula um die Sichtung von Mistelzweigen, ob ich die im Multipack zu liefern wisse? Ja, das konnte ich, aber der letzte Spaziergang in der Zielregion lag doch schon eine Weile her und in der Zwischenzeit explodierte die Natur. Mistelzweige sind ja nicht Frühjahrskinder, sondern eher im Winter bei „nackten“ Bäumen anzutreffen und zu sehen. Aber das wusste Regula.
Im Weitern bat sie auch um einen Mittagstisch in Murten und der weitere Verlauf war auch schon in der Seitentasche der Fjällräven-Hose verstaut. Beide Züge aus den Agglos fuhren zeitgleich ab: Basel und Zürich nach Olten – auf Gleis 8 schob sich der ICN heran, in dessen hintern Zugsteil wir uns treffen, für die Fahrt nach Neuchâtel, um dann mit dem Funi schneller „au bord du lac“ zu gelangen. Misslich, ich bin noch nie mit diesem gefahren, und so fanden wir nicht gleich die Schiffsstege der LNM, an dem um Punkt zehn Uhr die „Ville de Neuchâtel“ in See stechen sollte. Im sich Beeilen ist meine Begleiterin sehr schnell, ich hielt kaum Schritt, schön, dass du mich so gezogen hast...Auf Deck wehte es doch beinahe zu frisch, zudem...auf hikr. lernt man ja gewisse Gepflogenheiten wie das Käffele und rituell das TuTen (auch heute erneut). Erstaunlicherweise fuhr das Schiff praktisch passagierlos nach Murten – ein Umstand, der uns aber erfreute. Der See wirkte ruhig und beschaulich. Der Jura hinter uns etwas in Grau verhüllt, vor uns weder wuchtig noch sanft, eher unnahbar der Mont Vully. Am Kanaleingang das Ried, das geschützt ist, Möwen, Haubentaucher, Reiher und verschiedene Entenarten konnten wir auseinanderhalten. Wie von behutsamer Hand geschoben, fuhr das breite Schiff den Canal de la Broye hoch. Weiden, die ihre Äste wie Finger in das Wasser tauchten, fielen uns auf. Frisch gemähte Wiesen hinter den Dämmen und landwirtschaftliche Fahrzeuge kurvten auf den anliegenden Feldern herum. Hin und wieder Gegenverkehr durch Schnellboote und Seglern, die hier am Motor laufen.
Unsere Station: Trois-Lacs (Camping) – hier beginnt unser Spaziergang erster Teil. Über die elegante Holzbrücke aus der Expo-Zeit finden wir ans andere Ufer, in kniehohem Gras verläuft der WW, auf dem wir niemanden bis Sugiez begegnen. Windböen erzählen uns, dass etwas am „Anlanden“ ist, noch sind wir verschont. Erneut wechseln wir das Ufer, und verbleiben dann nach der Strassenbrücke über den Canal de la Broye orografisch rechts, befinden uns auf dem WW durch das Schutzgebiet am Murtensee, im Naturschutzpark von Le Chablais. Kaum haben wir den Wald erreicht, sind wir praktisch alleine: gelegentlich ein paar Jogger und Biker. Aber das Grün, in das wir hier eintauchen, überwältigt einen schon erheblich. Inne halten und lauschen, Vogelgezwitscher, das Rauschen des Astwerkes der Bäume durch den nun verstärkten Wind und plötzlich Tropfen, eins, zwei und es beginnt zu schütten. Die Schirme aufgespannt ...der Misteln wegen sind wir hergekommen, doch von ihnen ist im grünen Blättersammelsurium wenig zu sehen, eher zu erahnen. Es tropft intensiver, wie tropischer Nebel hängt die Regenwand über dem See (jeder ein Livingstone), die Farben, denen wir hier nun begegnen, umfassen etwas das Dumpfe, weniger das Glitzernde. Als wir uns Murten nähern, nach wie vor am Uferweg, lichtet sich das Grau und die ersten Sonnenstrahlen erreichen uns. In drei Lokalen in der Altstadt unter den Lauben erhalten wir eine Absage um 13.15...dass die Küche jetzt schliessen werde...in einem so hoch touristischen Ort wie Murten, wir sind perplex! Die Pizzeria Taverna in der Kreuzgasse kennt keine Limiten!
... während wir nach halb zwei in der Kreuzgasse alleine in der Taverne sitzen, steigt innerlich die Wärme in uns hoch. In Anbetracht der Vully-Nähe findet sich selbstredend ein solches Glas auf dem Tisch, un Blanc! Die Sonne hat nun das Szepter übernommen, im frei zugänglichen Hof der Stadtverwaltung und an dessen Gemäuer man eine weiten Blick auf den See und den Mont Vully gewinnt, wissen wir bestätigend, hier sind wir a) gerne und b) nicht zum letzten Mal. Jetzt folgt das Intermezzo mit der Bahn nach Yvonand: zuerst nach Payerne, mit dortigem Umsteigen in den Verbindungsteil der SBB-Linie nach Yverdon-les-Bains. Diese Passage habe ich mit
Pfaelzer und
Tobi im Winter aufgesucht. Auch beinahe jede Woche in den vergangenen Monaten bin ich hier durchgefahren. Jede Station aufgesucht, die Umgebung begangen und teilweise beschrieben.
Zwischen Cheyres und Champ Pittet liegt das grösste Feuchtgebiet der Schweiz, geschützte Uferpartien, die allerdings immer wieder von Marinas und Wochenendsiedlungen unterbrochen sind. Auch eine breite Kantonsstrasse durchstösst diese. Teile der Uferpartie sind ganzjährig gesperrt, die dem Publikum geöffnete Zonen sind deutlich markiert. Hin und wieder wähnt man sich in einer teils ungeöffneten Tundra oder ein Fjell. Wege, die lange nass bleiben sind erkennbar, Wald und Büsche teilen sich redlich. In Yvonand spazieren wir zuerst durch Wohngebiet, später finden wir uns in der Nähe der Marina von Yvonand, schliesslich kreuzen wir die Bahn und sind nun bis auf Weiteres treu auf dem WW nach Champ-Pittet. Im Bois Clos verläuft der Weg nicht wie vorgesehen entlang der Bahn, sondern steigt hoch, vorbei am Refuge de l’Escarbille, bleibt dann auf einem Betonband bis kurz vor Champ Pittet... dieses Wandern auf Beton haben Claudia und ich ja auf unserer Romandie-Tour als sehr störend wahrgenommen. In der Westschweiz scheinen WW eher auf geteerten Wegen durchzuführen (wer macht ähliche Erfahrungen?).
Wir drehen beim Weiler Cheseaux eine gemütliche Schleife, bei einer Neubausiedlung in Noréaz führt uns der WW hinunter nach Champ Pittet, wo wir uns zu unserer Überraschung plötzlich vor einem Schloss wieder finden. Hier begegnen wir Familien und spielenden Kindern, Ausgelassenheit und bedauerlicherweise geschlossene Türen bei der Toilette und noch ärgerlicher, obwohl erst halb sechs kein offenes Café mehr! Das erstaunt umso mehr, denn im weiten Park sind Dutzende von Menschen da... Wir setzen uns inmitten einer bunten Wiese, es summt, zirpt, brummt, rieselt, knarrt, und raspelt. Kinder rennen um die Bäume und schlagen Räder. Die Umgebung schafft eine ganz spezielle Erfahrung, zur vorgerückten Stunde dürfte es hier leicht mystisch zu und her gehen.
... wir beenden unsern Spaziergang mit einer Pauseneinlage am Bahnhof Champ Pittet. Obwohl es nur noch eine Stunde zu Fuss wäre bis ins Zentrum und Bahnhof Yverdon-les-Bains, nehmen wir den Zug. Nach diesen zwei Spaziergängen ist die Lust beschränkt offen für Lärm und Massenansammlungen. Umsteigen leicht gemacht: in Y-l-B ist sofortiger Anschluss an die ICNs nach Basel/Zürich gewährleistet. So fahre ich mit Regula mit bis nach Olten (in ihrem ZH-Zug) und mit dem IR aus Locarno bin ich danach 20 Minuten später in Basel. Die Kleinräumigkeit hat einfach oft Vorteile – die Abwechslung und die Restpartien beinahe „unberührter“ Natur sind nicht zu unterschätzen. Es ist Erholung..und Labsal für anstehende 5 Tage Alltag jeglicher Couleur!
... zum Titel sei dieser Link noch erwähnt!
Spaziergang mit Regula
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