Was bleibt einem bei stürmischem Wind in den Bergen und einem angekündigtem Orkan viel Anderes übrig, als zuhause zu bleiben und in der Tourenmottenkiste zu wühlen? Dabei findet sich bisweilen ziemlich weit unten sogar eine kleinere Perle...Wie auch immer: der Eiger ist ja nicht gerade als Skigipfel par excellence bekannt, oder villeicht doch?
Die bereits 1924 durch die Skitourenpioniere Arnold Lunn, Walter Amstutz und Willy Richardet zusammen mit Träger Fritz Amacher erstmals mit Ski begangene Route über den Eigergletscher zum nördlichen Eigerjoch ist wegen starker Verschrundung allenfalls noch nach schneereichen Wintern möglich, mit Eisschlag von der Norwandrippe des Mönchs muss aber auch bei guten Verhältnissen gerechnet werden.
Wegen zunehmender Ausaperung und Steinschlag wird inzwischen von einem Auf- bzw. Abstieg durch die W-Flanke im Sommer abgeraten. Bei guter Verfirnung kann über diese im Frühjahr jedoch einigermassen sicher aufgestiegen als auch mit Ski abgefahren werden. Allerdings muss auch hier auf Eisschlag von dem seit 1990 durch Glaziologen überwachten Hängegletscher nördlich vom Kleinen Eiger geachtet werden. Die Erstbefahrung der W-Flanke mit Ski gelang im März 1970 dem Walliser Silvain Saudan, im April 1987 legte der Franzose Bruno Gouvy erstmals mit dem Snowboard nach.
Kaum zu überbieten ist die erste Skiabfahrt entlang der Lauperroute durch die beiden Italiener Toni Valeruz und Bruno Pederiva im Mai 1983: damals sollen die Schneeverhältnisse optimal und der Lauperschild mit einer dicken Trittfirnschicht bedeckt und durchgehend mit Abalakov-Technik sicherbar gewesen sein. Die Abfahrt wurde erst u.a. 1989 vom Slowenen Davo Karnicar und 2000 vom Innerschweizer Marcel "Stei" Steurer wiederholt .
Mai 2004: Wie gebannt starrte ich auf den Bildschirm, wo in einer "10 vor 10"-Reportage auf SF1 Boardercross-Weltmeister und Freerider Ueli Kestenholz gezeigt wurde, wie er auf dem Snowboard die Eiger-W-Flanke hinunterkurvte: die Verhältnisse schienen wieder einmal optimal zu sein. Ich schaute auf die Karte und las im Führer nach, musste mich aber bis Pfingsten noch eine ganze Woche lang gedulden. Das Wetter hielt: auf dem Arbeitsweg sah ich morgens jeweils den glänzenden Lauperschild, abends die makellos weisse W-Flanke rötlich in der Sonne leuchten.
Pfingssamstag 2004: endlich war es soweit! Aufstehen um 2 Uhr, Fahrt mit dem Auto zum Arvengarten und Start bei kaltem und klarem Wetter nach 4 Uhr mit Ski: entlang der Salzeggpiste zur Stn. Eigergletscher und auf einer guten Spur zwischen Felsbändern hindurch zum Rotstock (2663.2m). Skitragend weiter über gefrorenen Lawinenschnee und eine kurze Blankeisstufe zum Couloir unter dem Hängegletscher und am N Couloirrand auf das Plateau über diesem, wo noch Spuren von Ueli Kestenholz sichtbar waren! Ab ca. 3400m nach NE in hartem Trittfirn (eine heikle, schlecht verschneite Stelle) über die W-Flanke auf den W-Grat bei ca. 3900m und auf diesem auf den Gipfel (ca. 10.40). Abfahrt ca. 11.30: auf dem Gipfelgrat bis zur Einfahrt in die W-Flanke, wo ich die Ski bis ca. 3800m hinuntertrug, weil der Firn gegen Mittag immer noch zu hart gefroren war. Dann auf zunehmend griffigerem und zuletzt aufgeweichtem Firn hinunter zur Stn. Eigergletscher (ca. 13.30) und auf bestem Sulz zurück zum Arvengarten.
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