Claro (268 m) - Pizzo di Claro (2720 m)
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Jedermann wähle sich seinen Weg. Zum Pizzo di Claro gibt es viele. «Er» ist da und wartet darauf, seine Besucher wahrhaft glücklich zu machen.
So schreibt Giuseppe Brenna in seinem hervorragenden Tourenführer «Von der Piora zum Pizzo di Claro». Und ein beglückendes Erlebnis ist die Besteigung dieses Gipfel wahrhaftig, weshalb ich sie nach der Premiere 1999 im Jahr 2004 erneut in Angriff nahm.
Mein Weg ist eine «klassische» Route; ausgehend von Claro, dem namensgebenden Dorf am Fuss des Berges. Dazu fahre ich am Sonntagabend mit dem InterRegio nach Bellinzona, und weiter mit dem letzten Postauto zum Ausgangspunkt Claro/Ponton (268 m). Um ca. 1:00 Uhr in der Früh geht’s unter einem prächtigen Sternenhimmel bei angenehmer Temperatur los. Bis Cenz (Censo, 774 m) folge ich dem Strässchen nach Marùs (Maruso), welches sachte erst durch das ausgedehnte Dorf und später durch Kastanienwald ansteigt. Obwohl der offizielle Weg von hier aus weiter über Moncrin (Moncrino) nach Benz (Bens) führt, entscheide ich mich, dem Strässchen noch ein kurzes Stück zu folgen, und beim Pt. 818 auf einem guten Weg direkt nach Bens hinaufzusteigen. Diese Verbindung ist ebenfalls markiert, allerdings «inoffiziell» rot-gelb.
Unweit vom Pt. 1182 betrete ich das ausgedehnte Grasland der Streusiedlung Benz (Bens). Hier bietet sich ein eindrücklicher Ausblick auf das Lichtermeer von Bellinzona und den auffälligen Sendemast des Landessenders Ceneri (558 kHz). Der Weg verliert sich dann allerdings im Gras und ist im Dunkeln nicht mehr auffindbar. Den richtigen Durchgang durch die verstreuten Häuser zu finden, erweist sich so als ziemlich schwierig, aber irgendwann erreiche ich die obersten Bauten beim Pt. 1250. Weiter geht es auf nunmehr deutlicherem Pfad in den dichten Nadelwald hinauf. Bisweilen komme ich auch hier etwas vom Weg ab, was aber nicht weiter schlimm ist, da ich einfach dem deutlich ausgeprägten, steilen Grat folgen muss. So passiere ich die Ruine von Corte auf Pt. 1527, wo die Steigung etwas abnimmt und die Nachtschwärze allmählich der Dämmerung weicht. Um ca. 6:00 Uhr verlasse ich den Wald beim Rifugio Alpe Peurett (1745 m).
Bei einem ausgiebigen Frühstück kann ich vor einer grandiosen Bergkulisse das Anbrechen des neuen Tages geniessen. Frisch gestärkt mache ich mich anschliessend wieder auf den Weg. Die Taschenlampe bleibt fortan im Rucksack. Über den Riale di Cresciano hinweg münde ich in den Weg, welcher von der Alpe di Pèu herkommt und folge diesem bis zu den Ruinen der Alpe di Canèe. Ab hier wird im mittlerweile völlig baumlosen Gelände der Weg zunehmend undeutlich. Grundsätzlich muss ich aber einfach dem Bach folgen, um so den See zu erreichen, was auch problemlos gelingt.
Der Lago di Canèe (2198 m) ist ein traumhaft gelegener Bergsee in einer Gegend, wo solche Seen äusserst rar sind. Halbkreisförmig umschliessen nach Norden und Osten hin die mächtigen Felsmauern des Torrone Rosso und des Pizzo di Claro den noch im Schatten liegenden See, während nach Westen hin ein prächtiger Ausblick auf die von der Sonne beleuchteten Berge zwischen Riviera und Val Verzasca zu bewundern ist.
Hier beginnt der Endspurt dieses langen Aufstieges. Auch wenn die Flanke des Pizzo di Claro vom See aus völlig unpassierbar erscheint, gibt es einen gut begehbaren Weg durch dieses steinige Gelände. Erst folge ich auf spärlichen Wegspuren einem grasigen Rücken südwärts, bis weiss-rot-weisse Markierungen linkerhand in die Bergflanke hinein leiten. Ohne nennenswerte Schwierigkeiten ist die abschlüssige Bergflanke zu queren, ehe auf ca. 2420 m der Weg nach Südosten abbiegt und im Zickzack zum Gipfel Pt. 2720.2 hinauf führt, den ich kurz nach 9:00 Uhr erreiche.
Genau genommen ist dies zwar nicht der höchste Punkt des Berges. Dieser (Pt. 2727) findet sich noch ca. 150 Meter weiter in nordöstlicher Richtung. Aber es ist jener Punkt der unverwechselbar zur Silhouette von Bellinzona gehört. Und eine solche Aussicht, wie dieser bieten wohl nur wenige «Wandergipfel» in der Schweiz. Ausser Torent Alto und -Basso ist hier kaum ein Gipfel in der Nähe, der diese Höhe erreicht, weshalb der Blick weit in die Ferne schweifen kann. Theoretisch wären sogar Apenninen-Gipfel wie Monte Penice und Monte Cimone sichtbar, aber dies lassen die Sichtverhältnisse nur selten zu.
So ist auch an diesem Tag nach Süden hin deutlich eine Dunstglocke auszumachen, aber das Panorama ist dennoch überwältigend. Leider kann ich es nicht allzulange geniessen, da ein beissend kalter Wind um den Gipfel tost. Deshalb steige ich bald wieder ab, und gönne mir weiter unten auf einer sonnigen Alpweide eine längere Pause. Der Abstieg erfolgt anschliessend mehr oder weniger auf derselben Strecke, wobei ich in recht gemächlichem Tempo gehe, um einen Muskelkater am Folgetag möglichst zu unterbinden. Aber 2500 Meter Abstieg machen sich so oder so bemerkbar…!
Ca. um 14:00 Uhr treffe ich bei brütender Hitze wieder in Claro ein, wo nach dem Wechseln der Kleider die lange Heimfahrt beginnt. Auf Wiedersehen, Pizzo di Claro, bis zum nächsten Mal!

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