Sans Bière ....manger avec Sartre à Yens


Publiziert von Henrik , 23. Februar 2012 um 22:33.

Region: Welt » Schweiz » Waadt » Waadtländer Jura
Tour Datum:20 Februar 2012
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VD 
Zeitbedarf: 1:15
Abstieg: 85 m
Strecke:Yens - Vufflens-Château
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV
Kartennummer:Jura 1:50 000

 ... als würden sie sich ein Rennen geben, das Tram und der Bus – ich stehe am Brausebad in Basel, für die paar Stationen bis zum Bahnhof SBB sind es lediglich ein paar Minuten, von scheinbarer Relevanz und doch eine beiläufige Notiz zur rollenden Ewigkeit! Der Bus kommt vom Euroairport, das Tram zieht eine halbe Schlaufe durch die Stadt – Ziel SBB. Bei beiden steht auf dem Digit-Schirm 4 Minuten – diesmal entscheide ich mich fürs s’Drämmli (uff di wart-ych nämmli) ... am Bahnhof sehe aber schon den parallel gefahrenen Gelenk-Niederflurbus der BVB, der das Tram überholt hatte. He nu so de. Kurz noch bei COOP vorbei, etwas hastend, denn der IC fährt gleich nach Bern. Eine gleissende Schneelandschaft bietet sich nach wie vor nach Olten. Ich sehe nicht oft auf aus meiner Zeitungslektüre, heute sind es wieder mal die gesammelten Feuilletons der NZZ. Düdigen zieht vorbei, Fribourg, und dem Ausstieg und den Treppen am nächsten steht der Regio 15533 nach Yverdon. So mitten im Vormittag sind auch die Regionalzüge beinahe unbesetzt. Obwohl ich ausreichend Karten und Fahrpläne im Rucksack liegen habe, ist die Entscheidung offen – lass dich tragen durch die Bahn, lehne dich zurück und halte Ausschau nach einer Beiz – in Steinwurfnähe eines Bahnhofs bzw. einer Haltestelle, die mit den so nackten Betonunterständen, die gerade gut genug sind auch unsere Abfälle im Trockenen zu belassen.. In Cugy habe ich ja mal mit Pfaelzer gespeist, eine Wiederholung liegt also nicht auf der Hand, genau so wenig in Estavayer, denn dort war ich mit Tobi (davon zeugt allerdings kein TuT)! Da der ICN ab Yverdon nach Genf sich gerade dann verabschiedet, wenn man aus Fribourg heranreist, war mir heute das Glück hold...er fuhr gerade auf Gleis 2 heran... da ich weiterhin Ausschau nach einem Mittagstisch hielt, erinnerte ich mich an Morges und Umgebung, da sind ja auch schon wieder zwei Jahre in die Lande gezogen. Cossonay fiel mir in den Sinn, lobte ich dieses und seine Umgebung nicht gerade scheu vor einigen Tagen mit Tobi ... oder La Sarraz oder Croy-Romainmôtier, in Arnex hätte ich den Tucan besuchen können.  Die  sich mäandernde Venoge braucht nicht mehr allzu lange auf einen Besuch zu warten – sie sticht mir ins Auge jedes Mal, wenn von Lausanne bzw. in der Gegenrichtung ich an ihr vorbeikomme. Zwischen Eclépens und Bussigny liegen keine Dörfer unmittelbar an ihrem Lauf, das ist ziemlich erstaunlich. Einzig die Bahn hält ihr die Treue. Zwischenzeitlich Ankunft im Arc Léman. In Morges habe ich gerade mal zwei Minuten  - etwas Grün-Weisses stand da, nicht pompös, Gestandenes, wenig Kunststoff und nur eine Klasse. BAM steht auf dessen Triebwagen, der manchmal auch alleine für sich unterwegs ist. Das Hinterland ist gut abgedeckt, insbesondere von Bedeutung ist auch, dass die CH-Armee in Bière eine Kaserne stehen hat – Geschützbewegungen werden mitunter durch die BAM erledigt, die zwar eine Schmalspurbahn ist, aber an ihren Endbahnhöfen Überleitungsrampen hat für die Meterspur. Hand in Hand also. Die Uhr hat ihren Zenit überschritten, ich klebe an den Fenstern und halte Ausschau nach meinem Mittagstisch – früher suchte ich oft aus der Bahn heraus betagte Rostlauben meiner Ambition Range Rover Classic, mit der Bahn waren Hinterhöfe viel besser auszumachen als von der Strasse, analog zum Pawlow’schen Gesetz wurde ich oft fündig, aus den Augenwinkeln blitzte es irgendwo hervor, sei es nur eine Heckklappe... jetzt war es genau so, ich suchte ein Buffet de la Gare: in Yens war dies schliesslich der Fall, da stand sie bzw. mein Mittagstisch. 

 ... der Raum, den ich betrat mass nur einige Tische gross, eine Atmosphäre, die an 1968 erinnerte, ein entsprechendes S/W-Foto aus dieser Zeit hing an einer der Wände, mit wahrscheinlich Gauloise inhalierenden Zeitgenossen, Sartre oder Gainsbourg, diese kamen mir in den Sinn. Rundtische, ein paar Bistrotische, alles aus Holz, Klinkerboden, ziemlich zerbrochen, Mittagsmenschen, deren Hände auf Handwerker schliessen liessen und aber auch Intellektuelle. Bilder einer Ausstellung, nicht ausgeschlossen wäre es, sie kämen von Jules Massenet. Ich teilte den Tisch mit zwei Handwerkern, die in Tageszeitungen vertieft waren und ihren Zweierli schlürften. Statt gedrucktes Papier und Kunststoffhüllen standen die Menüvorschläge auf schwarzen Tafeln – oft zu sehen in der Romandie wie auch im Tessin. Ich sah mich kurz um und entschied mich fürs Tagesmenu: Salade verte, betteraves et maïs au choucroute. Dazu einen Einheimischen Assembles Norles. ... und natirlig e Käffeli!
 
 ... ich war so beeindruckt von der Szene, dass ich eine weitere Weile am bereits abgeräumten Tische sass, sog diese „Zwischenwelt“ in mich ein, Erinnerungen wachrufend, sogar die Toilette hatte einen gänzlich andern Stil als die Nüchternheit mir anderer bekannter Lokale... War es der Umstand, dass mir der Blick aus der Bahn heraus, sozusagen einen Sekunden-Blick haften blieb an diesem Gebäude, dessen Aussenhaut nicht das Innere verriet und ich doch zu hoffen wagte, etwas ganz Anderes erleben zu dürfen! Got it, ja. Genau so war es.
 
 ... auf einem Gewerbebau war zu lesen: +2°. Kurz danach blies die Bise mir ins Gesicht, damit hatte ich nicht gerechnet, ich begann, obwohl leiblich hervorragend diniert und erfüllt, etwas zu frieren – hatte zu Hause den zweiten Schal vergessen (...), dank dem hohen Stehkragen der Sherpajacke, die ich nach oben zog, war der kurze Spaziergang dann doch erträglich. Zuerst folgte ich der Bahn, um den Wind von der Seite zu ertragen, wendete ich mich dem Weiler Denens zu und dort in den Rebbergen schliesslich, erhaben über dem See spazierte ich nach Vufflens-le-Château. Unterwegs boten sich unterschiedliche Stimmungen an, auf dem See Schaumkronen. Der bereits sich ankündigende Sonnentiefstand des mittleren Nachmittags zauberte Bilder geradezu für die Kamera hervor. Der Wind legte sich erst zwischen den Häuserzeilen, statt weiter nach Morges abzusteigen, ich habe keine HM verbrannt, hatte ich doch noch eine Viertelstunde bis zum nächsten Zug. Sollte ich nochmals einkehren – in meinem Aufzug, ich sah davon ab! Stattdessen lungerte ich am Bahnhöfli herum, Licht und Schatten, dann die Savoyer Alpen und der stürmisch wirkende Lac Léman. In Morges ist Anschluss gewährleistet – mit dem ICN fuhr ich nach Basel zurück. Und wieder beschäftigte mich Muybridge! Bahnbilder, diesmal vom Lac de Neuchâtel, dort wo einst die Expo 2002 einen Teil ihres Ausstellungsgeländes hatte.
 
 ... am Ausgang SBB Gundeldingerstrasse, ein grosser nackter Vorplatz, leer und öde, Einkaufstaschen tragende Menschen (zu denen ich auch gehöre) und Gesichter und Hände, auf die ich nach dem Mittagstisch ganz anders reagiere, erzählen Tausende von Geschichten...viele Gesichter wirken allerdings grau und vergrämt ...Bilder einer ganz andern Ausstellung, vielleicht von Massenet, oder unsere eigene... 

Le Buffet de la Gare à Yens fermes les portes!






Tourengänger: Henrik
Communities: Touren und Tafeln


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Kommentare (1)


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CarpeDiem hat gesagt:
Gesendet am 5. März 2012 um 17:46
Einfach nur herrlich dieser Bericht...


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