Ein Stossgebet auf dem Esel


Publiziert von TomClancy , 5. November 2011 um 18:30.

Region: Welt » Schweiz » Nidwalden
Tour Datum: 4 November 2011
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Pilatusgebiet   CH-NW   CH-OW   CH-LU 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 900 m
Abstieg: 900 m
Strecke:Alp Gschwänd - Nauwenweg - Klimsenhorn - Pilatus Kulm - Klimsenkappelle - Bandweg - Fräkmünt - Alp Gschwänd
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Motorrad zur Talstation der Alp Gschänd-Bahn (Retourfahrt Fr. 10.-)

Trotz Föhnsturm mache ich mich auf, um meinen Kopf zu verlüften. Eigentlich habe ich die Besteigung des Bälmeten geplant. Als ich aber in Kriens aus dem Sonnenbergtunnel komme, ist das Föhnfenster so klein, dass nur noch der Pilatus etwas Sonne abbekommt. Spontan ändere ich meine Pläne und verlasse die Autobahn mit dem Ziel Talstation der Alp-Gschwänd-Seilbahn. Nach einem kurzen Kaffeehalt auf der windgeschützten Terrasse mache ich mich auf dem Nauwenweg auf Richtung Klimsenhorn. Die Seilbahn auf den Pilatus ist in Revision und so werde ich den ganzen Tag auf dieser Seite des Pilatus keiner Menschenseele begegnen. Das ist mir heute gerade recht. Der Weg führt entweder unter den Nordabbrüchen des Pilatus oder in einer etwas weiteren Geländemulde im Zickzack hinauf zur Klimsenkappelle. Er ist ab und zu etwas schuttig, durchwegs gut zu begehen. Gelegentlich hört man Steine fallen. An einer Stelle ist ein rechter Brocken auf dem Weg eingeschlagen und hat tiefe Spuren hinterlassen. Steinböcke und eine Gämse kreuzen meinen Weg!
 
Die Sicht auf den Vierwaldstättersee ist auch bei diesem Wetter faszinierend. Die Stimmung ist dramatisch und wechselt quasi von Minute zu Minute. Sonnenflecken ziehen in Windeseile über die Zentralschweiz und lassen mal diesen See, dann diesen Berg und schliesslich diese Ortschaft aufleuchten. Eine solche blaue Störung erwische ich auch auf dem Klimsenhorn. Deshalb lege ich dort eine frühe Mittagsrast ein. Einige Dohlen gesellen sich zu mir und wir teilen uns ein Mutschli.
 
Eigentlich möchte ich gerne den alten Tomlishornweg unter die Füsse nehmen. Aber irgendwie fühle ich mich heute nicht so trittsicher. Ich höre auf meinen Bauch und beschliesse, dem Touristengipfel einen Besuch abzustatten. Es ist wie ein Eintauchen in eine andere Welt. Gäste aus aller Herren Länder bevölkern den Berg. Das neue Restaurant ist recht mondän. Ich geniesse eine heisse Ovi mit einer hinreissenden Aussicht.
 
Selbstverständlich müssen nun noch Esel und Oberhaupt bezwungen werden. Auf dem Esel komme ich in den Genuss einer besonderen Darbietung: ein netter Herr aus einem grossen Nachbarland betet spontan und lautstark für mich. Das kam so: der ganze Esel ist gespickt mit Antennen und Masten. Um ein ungetrübtes Panoramafoto schiessen zu können, entschliesse ich mich nach reiflicher Überlegung, die Mauer zu überqueren und meine Bilder auf einer Kanzel (zwei x zwei Meter) davor aufzunehmen. Elegant schwinge ich mich auf die Mauer. Da höre ich ein lautes „Jesus!“, das dann in ein inbrünstiges Gebet übergeht. Mit dieser Unterstützung im Rücken kann ja nichts schiefgehen und so fertige ich in Windeseile meine Bilder an. Nach der Rückkehr auf die sichere Seite muss ich mir noch einige Minuten lang Belehrungen anhören. Da sich der alpinistische Background meines Fürbitters aber irgendwo in der rheinischen Tiefebene erschöpft, ist der Gehalt nur mässig. Irgendwann wird es mir dann zu bunt. Ich erkläre, dass ich gerne noch einige Minuten mit „Ihm, da oben“ alleine wäre. Ich ernte von meinem christlichen Gegenüber ein anerkennendes Nicken  und werde fürderhin in Ruhe gelassen.
 
Um ein Erlebnis reicher mache ich mich via Bandweg auf den Rückmarsch. Die Trockenheit ist ziemlich auffällig. Sehr viel Schutt ist recht lose und tiefgründig. Zweimal komme ich ins Rutschen und lande auf dem Hosenboden. Offensichtlich war es eine gute Entscheidung, nicht den Tomlishornweg zu gehen. Schon bald bin ich wieder in der Alp Gschwänd. Ein besinnlicher Tag geht dem Ende entgegen.

Tourengänger: TomClancy


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

T3
T5+ II
T2
T3+
11 Okt 11
Alter Tomlishornweg · ᴅinu
T2
23 Jun 12
Pilatus · xrs1959

Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Nicole hat gesagt: Mit diesem...
Gesendet am 6. November 2011 um 10:35
...Segen kann auch der stärkste Föhnsturm einem Hikr wie dir nichts mehr anhaben ;-)...oder waren die zwei Hosenbodenlandungen ein kleiner Klacks von oben?...zwinker

Lieber TC so ein "auslüften und mal gerne alleine unterwegs zu sein" kenne ich nur zu gute!

Herrlich beschrieben!
herzlichst Nicole

TomClancy hat gesagt: Hosenbodenlandungen
Gesendet am 8. November 2011 um 22:35
Hoi Nicole!

Herzlichen Dank für Dein Feedback!
Die Hosenbodenlandungen waren mir schon eine Warnung. Ich hab ja zum Glück auf mein Bauchgefühl gehört. Ich war wohl wirklich etwas durch den Wind. Schön, wenn man sowas aber auch spürt!

Liebe Grüsse

TC


Kommentar hinzufügen»