Vom Sassariente zum Gridone - Tessiner Klassiker


Publiziert von PStraub , 27. Mai 2011 um 18:16.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Locarnese
Tour Datum:23 Mai 2011
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Poncione Piancascia   I   Gruppo Gridone   Gruppo Cima dell'Uomo 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 3400 m
Abstieg: 3400 m
Kartennummer:1312 / 1332

Ab einem gewissen Alter schätzt man den Komfort eines gepflegten Hotels. Und wer (wie wir) gern fast aus dem Bett auf einen Berg steigt, ist im Tessin bestens bedient. Also haben wir uns ein paar Nächte in Gordola einquartiert und haben von dort aus unsere Wanderungen gemacht.
 
Die meisten unserer Routen sind im HIKR schon bis zum Abwinken beschrieben; was ich hier anführe sind also eher allgemeine Impressionen.
Die erste betrifft den zwangslosen Umgang der Tessiner mit den Markierungsregeln für Wanderwege. Wir haben es auch dieses Mal geschafft, Einstiege oder Abzweigungen zu verpassen. Nicht (nur!) aus Blödheit, sondern weil an kritischen Stellen schlicht weder Wegweiser noch Markierungen waren. 
 
Am Anreisetag (23.05.2011) musste es etwas Kurzes sein. Also rauf bis zum Parkplatz unter den Monti di Gana und von dort hinauf zum Sassariente
Früher war der Endaufstieg eine kurze Stelle mit Seilen und ein paar Eisen. Heute ist dort eine riesige Holzkonstruktion im Stil "Stiebender Steg". Statt in bester Tessiner Wegmacher-Tradition den Weg in das Gelände hinein zu legen, wurde er dem Berg buchstäblich aufgezwungen. Schade - ein paar aufgeschichtete Steine am Nordgrat hätten einen guten T4-Weg im typischen lokalen Stil ergeben.
Anschliessend über die mittlerweile bekannte Muraglia polacca zur Cima di Sassello und hinunter zur liebevoll gestalteten Hütte der 'Amici del Sassariente'. Nach einem ausgiebigen Schluck vom dortigen Brunnen zurück zum Parkplatz.
 
Am nächsten Tag war der Madone ab Mergoscia angesagt. Nur schon die Anfahrt hoch über dem Stausee ist gefährlicher als die ganze Tour. Der Aufstieg über Porchesio - Redrisc führt durch verschiedene Vegetationsstufen, wo jetzt alles in voller Blüte ist. Bei Cortoi passierte uns ein Verhauer, weil Schafe mehrere ebenbürtige "Wege" getrampelt hatten und nirgends eine Wegmarke auszumachen war. Das wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn wir nicht - gerade als wir den Weg wieder erreichten - von einer Betreuerin der dortigen "Insassen" (in Cortoi werden Jugendliche irgendwie nacherzogen) aus vollem Hals angeschrien worden wären. Arme Betreute .. 
Bei Porchesio gibt es einen Brunnen, den letzten für einige Zeit. Kurz danach erreicht man den Gratrücken, dem die gute Wegspur mehr oder weniger bis zum P. 2001, dem Pass vor dem Gipfel, folgt. Die ganze Route ist blau-weiss markiert, obwohl sie höchstens als T3 einzustufen ist. 
Die Gipfelrast auf dem Madone ist kurz und wenig vergnüglich, weil: Es stinkt bestialisch. Mittlerweile gibts überall auf den Gipfeln und Graten diese Sch**-Schafe. Dabei ist die unbehirtete Schafhaltung im Gebirge eine ökologische Katastrophe, die ausschliesslich die Subventionsmaschinerie in Gang hält. 
Beim Madone trennen wir uns. Irène steigt via P. 1657 auf dem Nordostgrat auf die Cima della Trosa, ich besteige via P. 1908 den Pizzo di Corbella. Beide Aufstiege sind wie der Madone blau-weiss markiert. Das Stück P. 1657 - P. 2001 beim Madone - P. 1908 ist Teil der Via Alta Vallemaggia und rot-weiss markiert. Überall Ketten und künstliche Stufen, dieser Weg ist nachgerade absurd aufgerüstet. 
Das Markierungssystem ist hier also: Hauptachse rot-weiss, Varianten blau-weiss. Gewöhnungsbedürftig, aber nicht ohne Logik ..
Alle diese Gipfel bieten eine eindrückliche Aussicht, nur vom Val Verzasca, aus dem man eigentlich kommt, sieht man praktisch nichts.
Beim Brunnen auf der Alpe di Bietri treffen wir uns wieder, von wo wir nach Mergoscia absteigen. Wo - horribili dictu - die Beiz geschlossen ist.
 
Am Mittwoch ebenfalls ein Klassiker: Der Gridone ab Cortaggio. Auch in Cortaggio schaffen wir es, den offiziellen Wanderweg zu verpassen. Ungläubig überprüfen wir beim Rückweg, wo wir den Wegweiser im Maiensäss verpasst haben. Überhaupt nicht, stellt sich heraus: Es gibt keinen! 
Spielt auch keine Rolle, der Weg über Penzevrone ist eher direkter, und kurz vor der grossen Verzweigung stösst man doch noch auf eine Markierung. Ein paar Schritte weiter, bei P. 1233 dann die positive Überraschung: Der direkte Weg nach Al Legn ist wieder - als 'ripido' - aufgeführt. 
Hier blühen zur Zeit die Paradieslilien geradezu flächendeckend.
Bei der Bocchetta di Valle entscheiden wir uns, nicht den Normalweg durch die Nordostflanke zu nehmen. Was im Rückblick weise war, weiter oben liegen dort in den schattigen Couloirs doch noch rechte Mengen an Schnee. 
Das Wetter ist zuerst eher mässig, zeitweise streicht Nebel um den Gipfel, auf dem man sonst selten allein ist. Später klart es eher wieder auf, und kaum sind wir auf dem Abstieg, kommen uns doch noch zwei "Zücchin" (spöttisch für Deutschweizer) entgegen.
Umso grösser die Überraschung: Bei der Bocchetta di Valle treffen wir auf eine Gruppe Italiener. Eine junge Dame möchte wissen, wies oben sei und ob man den Hangweg nehmen könne. Was auffällt: Alle sehen aus "wie aus dem Trückli". Kein Keuchen, kein Schweiss, Frisur und Make-up perfekt. Erstaunlich, nach 1000 m (oder mehr) Aufstieg!
 
Der Witz ist: Bei unserer letzten Besteigung (Herbst 09) haben wir beobachtet, wie ein Heli Gruppe um Gruppe von Touristen aus dem Tal zum Rifugio Al Legn hochgeflogen hat. Das ist natürlich strikte illegal und ich habe es dem BAZL gemeldet. Mit Fotos des Helis!
Nach vielen Monaten kam dann mal die Antwort, man sei der Sache nachgegangen, hätte aber keine Unregelmässigkeiten feststellen können und darum die Anzeige ad acta gelegt.
Allzu heftig können die Bemühungen nicht gewesen sein, denn es scheint, der Monte Limidario (mit Heliflug) nach Al Legn werde in Italien als ganz normales Tourismusangebot beworben und verkauft. 
Runter sind wir direkt nach Avaiscia gestiegen, dann knapp unter 1600 m auf einem Brett über den Bach und auf dem alten Alpweg hinunter zu P. 1453. Das bringt keinen Vorteil, ausser dass regelmässige Begehungen solche alten Wege freihalten. 
Und in der Osteria in Borei gabs dann sogar mal ein Bier. 

Tourengänger: PStraub


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Kommentare (3)


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Ivo66 hat gesagt: Schlussaufstieg Sassariente
Gesendet am 27. Mai 2011 um 18:28
Hallo Peter

Deine Meinung zum hässlichen Holzsteg teile ich zu 100 %. Den alten Schlussaufstieg gibt es aber immer noch; der Einstieg dazu befindet sich etwas unterhalb des Beginns des Holzstegs und ist immer noch gut begehbar (bzw. bekraxelbar).

Beste Grüsse, Ivo

Ivo66 hat gesagt: Schafe
Gesendet am 27. Mai 2011 um 18:31
...und auch hier gebe ich Dir zu 100 % recht, weshalb ich zum Beispiel auch den Normalaufstieg zum Wildhuser Schafberg von Gamplüt aus für immer meiden werde.

Gruss Ivo

bobi hat gesagt: BAZL
Gesendet am 5. Juni 2011 um 11:09
Eine Anzeige beiom BAZL?? Da lachen ja die Sch**Schafe! Dass das BAZL sich nicht als Flugkontrollinstanz sondern als Flugförderungsinstanz versteht, dafür gibt es Beweise zu Hauf! Helikopterfirmen, welche jahrelang die Anzahl der bewilligten Flugbewegungen überschreiten, Gleitschirmflieger, die sich an keine Regeln halten wollen usw usw.
Nicht ärgern, nur wundern!
Gruss Bobi


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