„Fluehlingswanderung“ im Jura


Publiziert von Tobi , 31. März 2011 um 23:18.

Region: Welt » Schweiz » Basel Land
Tour Datum:24 März 2011
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BL   CH-SO 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:20km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Waldenburg
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Olten

Die Wortkreation im Titel fasst meine Wanderung im Jura perfekt zusammen: Frühling und Flue ohne Ende. Über exakt* neun Flühe führte mich meine Tour: Gerstel-, Lauch-, Geiss-, Spitzen-*, Belchen-, Gwidem-, Horn-, Rumpel- und zu guter Letzt noch die Chutzeflue.
 
Bereits die Anfahrt zum Ausgangspunkt Waldenburg ist erwähnenswert: Hierhin tuckert von Liesthal die Waldenburgbahn, schweizweit mit einer Spurbreit von 750mm die schmalste ÖV-Eisenbahn. Wegen der geringen Spurbreite fühlt sich die Fahrt in den alten, schon fast historischen Wagen, ziemlich holprig an. Die engen Kurven, und dass man dem Lokführer über die Schulter schauen kann, sorgen beim mit modernen Rollmaterial verwöhnten Gelegenheitszugsfahrer für ein unvergleichliches Erlebnis.
 
Von Waldenburg (515m) folge ich zunächst entlang der Hauptstrasse Richtung Süden. Der direkte Einstieg am Nullpunkt der Gerstelflue über das Firmenareal ist mir dann aber doch etwas zu „verboten“. So bleibe ich weiter auf dem Wanderweg und wechsle erst bei der Aussichtskanzel ob Waldenburg auf den Grat. Mit diesem ersten Vorgeschmack stimme ich mich auf das Folgende ein. Nach einer kurzen Erkundungstour der Ruine Schloss Waldenburg geht es richtig los: die Gerstelflue wartet. Und die lobenden Berichte dieses Grat-Juwels hier auf hikr.org versprechen wahrlich nicht zu viel. Diese Kraxelei auf soliden Kalkzacken und –zähnen macht wahrlich Spass und sind Luxus im Vergleich zum brüchigen Gestein der *Lanzizähne. Auf weitere Lobpreisungen möchte ich verzichten, ebenso eine detaillierte Beschreibung der Schlüsselstellen und genauen Route. Dazu verweise ich auf die bereits existierenden Berichte, auf welche ich auch dankend bei der Vorbereitung zurückgegriffen habe. Also hier die Kurzversion: beim Gerstelflue-Spitzenflüeli wähle ich den risikoärmeren Aufstieg durch das Band in der Nordflanke, der Baum bei der „Häng und Fallenlassen“-Stelle ist durch übermässigen Gebrauch schon arg durchgescheuert (vielleicht sollte man hier prophylaktisch einen Neuen pflanzen) und ein Gipfelbuch habe ich keines gefunden.
 
Nach diesem leider viel zu kurzen Abenteuer geht es ruhiger auf dem Wanderweg weiter. Langweilig wird es aber nicht, die vielen ehemaligen Militäranlagen (Stichwort * Fortifikation Hauenstein) wecken das Kind im Manne. Auf der Lauchflue (1041.8) lädt ein Beobachtungsposten samt Panzertürmchen zu einer Erkundung ein. Man muss sich übrigens nicht durchs Fenster zwängen, der Eingang ist auf der Ostseite. Der weitere Weg führt oberhalb der Geissflue durch. Diese Flue bekommt man also fast geschenkt, dafür gibt es da auch nichts zu entdecken. Dafür umso mehr auf dem Spitzenflüeli (1037m), in dessen Gipfelscharte sich ein Wasserreservoir schmiegt. Doch mehr Gefallen als an all diesen Zeitzeugen des ersten Weltkrieges finde ich am direkten Abstieg von diesem Flüeli nach südosten direkt am Grat entlang zurück auf den Wanderweg. Auf diesen paar wenigen Höhenmetern kommt nochmals etwas T6-Feeling auf, allerdings dank botanischer Unterstützung nur ein moderates T6.
 
Eben noch auf einem wilden Gratabschnitt, befinde ich mich nun auf breitem Fahrweg zur Belchenflue (1098.6m), die mir einen kurzen Abstecher wert ist. Das Panorama ist leider mangels Fernsicht nicht überwältigend. Dunstig halt, liegt wohl am Wochentag. So bleibe ich nicht lange und verlasse diesen Gipfel, der wohl an schönen Wochenenden überfüllt sein wird, und begebe mich in weniger überlaufene Gefilde. Bei der Gwidemhöchi nehme ich die gleichnamige Flue in Angriff. Über einen abenteuerlich in den Felsen gehauenen und bestens mit Stahlseilen gesicherten Pfad erreiche ich die Gwidemflue (1071m). Auch hier oben wimmelt es von ehemaligen militärischen Anlagen, der ganze folgende Grat ist geradezu gespickt davon. Einige Unterstände sind sogar zu kleinen „Ferienhäusern“ ausgebaut. Dazwischen gibt es aber auch schöne natürliche Felsengebilde, die zu kleinen Klettereinlagen einladen. Über die Wuesthöchi erreiche ich die Bergwirtschaft Allerheiligenberg. Hier gönne ich mir einen Mittagsrast.
 
Nach einem Glücksalat, einer bunt garnierten und gespickten Salatschüssel, sollte mein Nachmittagsprogramm genau so abwechslungsreich weiter gehen wie das Mittagessen. Doch wohin des Weges? Geplant habe ich einen Abstieg nach Langenbruck, aber eigentlich hätte ich noch Zeit für mehr. Da entdecke ich auf der Karte den felsigen Grat der Hornflue (967m). In voller Vorfreude auf eine tolle Kraxeltour analog zur Gerstelflue mache ich mich auf den Weg zum Einstieg beim Schlössli. Doch die Ernüchterung folgt schon nach einigen Metern Aufstieg. Da lief bei der Jurafaltung offensichtlich etwas schief und gar nicht nach meinem Gusto. Statt mit all den Felsen einen formschönen Kamm zu formen, entstand nur ein hoher Abbruch, eine Flue eben. Doch diese Abbruchkante erreicht eine beachtliche Höhe (bis zu geschätzten 50m) und bietet einige schöne Tiefblicke. Aber auch der wildromantische Pfad stimmt mich nach anfänglicher Enttäuschung wieder etwas milder. So bleibe ich auch nach der Homberglücke noch dem Grat treu und folge ihm bis zum Naturfreundehaus. Auf diesem Abschnitt erspähe ich dann noch die Tiere, welche mich durch ihr immer wieder zu hörendes Geraschel durch den Tag begleitet haben. Allerdings sehe ich nur noch drei Hinterteile von fliehenden Wildschweinen. Aber immerhin, für die erste Begegnung in freier Wildbahn mit diesen Säuen begnüge ich mich auch damit.
 
Die nächste Einkehr gönne ich mir beim  Bergrestaurant Rumpel. Nach einer süssen Stärkung (einer etwas eigenwilligen Interpretation des Dessert-Klassikers "Eiskaffee") wage ich mich an die letzten beiden Flühe für heute. Schwierigkeiten bieten diese aber nicht mehr, gerade richtig zum Auslaufen. Über die Rumpelflüe führt fast schon ein richtiger Weg und die Chutzeflue ist eine kleine Aussichtskanzel, die wegen den vielen Bäumen allerdings nur eine beschränkte Aussicht bietet. So ist Olten (396m) bald erreicht und es scheint sogar noch knapp auf einen Zug früher zu reichen. So marschiere ich strammen Schrittes durch die Quartiere, den Blick immer wieder auf die Karte auf dem Handy werfend, um den schnellsten Weg zu finden. Nur noch drei Minuten, das könnte knapp reichen. Könnte, wenn ich den Bahnhof angesteuert hätte. Aufgrund des kleinen Kartenausschnittes auf dem Handydisplay navigiere ich mich doch tatsächlich statt zum Bahnhof zu dem nördlich davon befindlichem Güterbahnhof mit seinen vielen Rangiergeleisen. Der Bahnhof steht halt nicht immer dort, wo es die meisten Gleise hat. Nach einem gemütlichen Spaziergang der Aare entlang finde ich doch noch mein Ziel und erreiche den nächsten Zug ganz ohne Zeitdruck.
 
 
Fazit: Der Ausflug zur Gerstelflue hat sich definitiv gelohnt! Im Mittelteil hat mir vor allem die Gwidemflue gefallen. Bei der Hornflue habe ich einfach aufgrund der falschen Deutung der Karte eine zu hohe Erwartung aufgebaut und wurde deswegen bitter enttäuscht. Allerdings hat dieser idyllische Grat durchaus seine Reize. Insgeheim habe ich mir unterwegs sogar ausgemalt, dass ich da ein unbekanntes Juwel entdeckt habe, welches ich hier auf hikr.org voller Stolz der Leserschaft vorstellen darf. Aber auch dieser Wunsch blieb mir verwehrt, wie ich im nachträglichen Studium der Berichte erfahren musste.
 
 
 
* Eigentlich Spitzenflüeli. Wegen dem Diminutiv zähle ich es deshalb nur als halbe Flue. Allerdings habe ich davon zwei überschritten, das Gerstelflue-Spitzenflüeli und das eigentliche Spitzenflüeli (1037m), was summa summarum wieder eine ganze Flue ergibt.

Tourengänger: Tobi


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Kommentare (2)


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Berglurch hat gesagt: Jura, all-inclusive...
Gesendet am 1. April 2011 um 07:23
Hey Tobi,

reichhaltiges Programm, das gefällt mir. Schade, dass ich nicht dabei sein konnte, wäre es doch, zumindest bis zum Endpunkt der Tour, nicht weit gewesen ;-)

Grüsse

Tobi hat gesagt: RE:Jura, all-inclusive...
Gesendet am 1. April 2011 um 18:08
Wenn du mit von der Partie gewesen wärst, hätte ich mich in Olten auch sicher nicht verlaufen!

Gruss Tobi


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