Ich suchte Gedeckte Brücken und fand ein Paradies: Der Thurweg von Stein nach Ebnat-Kappel ist wohl der interessanteste Abschnitt der ganzen Strecke von Wildhaus nach Lütisburg (www.toggenburg.org).
In Stein SG 838m parke ich mein Auto beim Gemeindehaus und folge auf dem orographisch linken Uferweg der Thur, nachdem ich die Brücke gleich neben der Kirche überschritten habe. Schmuckes Dorf, dieses Stein, mit Konditorei und Wirtshaus. Putzsaubere Anlagen mit vielen Einfamilienhäusern. Einziges Manko wird die vor allem am Wochenende viel befahrene Hauptstrasse sein. Dies stört mich absolut nicht, bin ich doch total im Grünen. Das heisst: Grün wäre schön – aber 30cm Neuschnee ist noch viel schöner! Der Thurweg ist sehr viel begangen und der Trail bestens getrampelt. Hunde machen hier Gassi und der Robydog ist omnipräsent.
Schon nach 800m erscheint sie: Die schnügelige, nur zwölf Meter lange, etwa 300 Jahre alte Gedeckte Brücke über die Wyssthur, Wyssthurbrücke 830m, mit hübschem Schneehäubchen dekoriert. Frisch renoviert. Eigenartige, fast unbeholfene Trägerkonstruktion macht sie irgendwie sympathisch. Ich habe mich spontan in sie verliebt.
Nach diesem ersten Highlight weiter über die Schwemmebene auf dem linken Ufer zum spektakulären Einschnitt der Thur, dem Oberen Giessenfall. Der Weg ist am linken Rand im Wald geschickt eingefügt. In der Tiefe das Brausen. Etwas unheimlich. Doch bald öffnet sich eine Hügellandschaft mit alten Häusern in typischem Toggenburger-Stil: Das Spezielle sind die geschindelten Klebdächern, welche in der Südfassade die Schieb-Fensterchen schützen. In Schwand 831m befindet sich linker Hand eine Selbstbedienungs-Vitrine mit anmächeligen Selbstverfertigtem. Jetzt müsste ich im Tiefschnee steil zur Thur hinunter. Mit dem Risiko, eine gedeckte Brücke zu verpassen (Welch Schande!) verzichte ich darauf. Die gepfadete Strasse ist zu verlockend. Auf dieser zuerst etwas ansteigend, nachher abfallend von einer wunderschönen Aussicht auf Nesslau/Neu St. Johann begleitet.
Nach einer kleinen Abkürzung erreiche ich an Holzverarbeitungshallen vorbei dieLaaderbrücke 761m, moderne, ungedeckte, etwa 30m lange Holzbrücke, erstellt 1996. Holzhetzer-Konstruktion. Einmaliges Design mit horizontaler Geländerschalung. Befahrbar ohne Gewichtsbeschränkung! Holz hat im Toggenburg einen hohen Stellenwert. Somit auch die äusserst hochstehende Zimmermannskunst. Ich bin beeindruckt.
Auf dieser Brücke überquere ich die Thur und spaziere an heimkehrenden Schülern vorbei nach Nesslau 757m. Nach einigen Metern auf der Hauptstrasse nach links gut bezeichnet zur Thur hinunter. Nach der Brücke folgt der Thurweg dem linken Ufer, Neu St. Johann links herum umgehend.
Nach Wald- und lieblichen Wiesenabschnitten erscheint zur Rechten die Gedeckte Inselibrücke Neu St. Johann 740m. Erbaut 1992. Privat. Zugang zur Kapelle und (wahrscheinlich) Andachtswiese. Picknicks Platz mit öffentlichen Toiletten. Weiter flussabwärts vorerst noch im Wald, später über eine Ebene zur Brücke der Verbindungsstrasse Neu St. Johann – Oberfeld – Krümmenschwil. Nach der Brücke gleich nach rechts unter der Eisenbahnbrücke hindurch. Zwischen Eisenbahn und der Thur schlängelt sich der Weg rund 1,5km in Auf und Ab.
Die Eisenbahn überwindet den Thurgraben elegant mittels einer riesigen Brücke nach Krummenau. Ich habe es nicht so feudal und steige zur Thurbrücke steil hinab. Die einstige Gedeckte Holzbrücke soll in den 1930igern nicht nur abgebrochen, sondern gesprengt worden sein. Armes Ding! Nun steht eine riesige Eisenkonstruktion auf 3 massigen Pfeilern. Für den Verkehr gesperrt. Drei Wirtschaften sind in Krummenau 717m. Schnurstraks steige ich zum altehrwürdigen „Adler“ hinauf und werde herzlichst willkommen geheissen. Nach einem Kaffee mit Kuchen besorge ich im Laden noch schnell meine Suchtstängel und weiter geht’s.
Ich könnte jetzt gemütlich über die Brandholzbrücke gegen Ebnat-Kappel ziehen. Aber nein: Das Brücklein unterhalb Bendel lockt mich dort hinauf. Immerhin gute 300 Höhenmeter. Was man für eine Gedeckte Brücke nicht alles in Kauf nimmt! So zottle ich auf dem Wanderweg nach Schluecht hinauf und Ei, Ei, Ei….eine neue kleine Gedeckte Holzbrücke. Mülibrüggli Schluecht 752m .Ausser der gekonnten Ständerkonstruktion eine Holztafel, worauf der Zimmermann seinen Lehrling im 3. Lehrjahr namentlich erwähnt. Lob für den Chef – Stolz für den jungen Fachmann!
Diese Überraschung bringt mich auf den Gedanken, die mittlere Brücke bei Wintersberg über den Lütisbach könnte auch eine neue gedeckte sein. Doch dem ist (noch) nicht so. Ich steige querfeldein zum Hexenbrüggli 980m. Wieder ein Gesellenstück von Werner Brunner mit seinen Lehrlingen. Interessant ist die gegen oben konisch erweiterte Seitenkonstruktion. Das macht sie breiter und edler. Die Tafel lässt den Stolz seiner Erbauer spüren. Meister und Lehrling. Ich bin gerührt.
Und wenn ich Mal da oben bin, besuche ich den Bendel 1001m, welcher für Schneeschuhtouren von Hemberg her ins Toggenburg bekannt ist. Nach 300m muss ich konstatieren, dass die Wirtschaft am Dienstag ihren verdienten Ruhetag geniesst. Kein Problem. Dann halt weiter auf dem Wanderweg über Schuflen – Horben 732m zur Brandholzbrücke hinunter. Schneller gesagt als getan. Keine Spuren. Die Stöcke kommen zum Einsatz. Beim Eindunkeln erreiche ich die Gedeckte Brandholzbrücke 657m. Baujahr 2000. Spannweite stolze 37m, Fachwerkbau auf den zwei seitlichen, doppeltem Polygonstab aufliegend. Dieselbigen ruhen auf massiven Fundamenten. Nicht vollverschalt. Dadurch kommt die wunderschöne Brückenarchitektur zur Geltung. Unter der Brücke scheint ein beliebter Badeplatz zu sein. Picknick-Platz mit Feuerstelle.
Aus meinem Brückentraum wache ich etwas unsanft auf: Der Wegweiser gibt 40 Min. zum Bahnhof Ebnat-Kappel an. Ich habe noch 39 Minuten zur Verfügung. Die Situation kommt mir irgendwie bekannt vor!?!?.... Doch ich schaffe es und erreiche rechtzeitig den Zug.
Viele Schüler sind auf dem Heimweg. Ist vielleicht auch ein junger Brückenbauer dabei?
Kommentare (6)