Glungezer (2677 m), Sonnenspitze (2639 m), Viggarspitze (2306 m), Patscherkofel (2246 m)


Publiziert von gero , 10. November 2010 um 22:28.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Tuxer Alpen
Tour Datum: 6 November 2010
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 13:00
Aufstieg: 2210 m
Abstieg: 2210 m
Strecke:Mühltal - Viggartal - Meißner Haus - Boscheben - Glungezer - Sonnenspitze - Viggarspitze - Boscheben - Patscherkofel - Patsch (31,9 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Innsbruck-Mitte auf der verwinkelten Straße Richtung Igls-Patsch und weiter über Ellbögen-Hennenboden-St.Peter bis Mühltal. Hier kostenpflichtiger P am Eingang ins Viggartal (kurze, steile Auffahrt ab Ortszentrum; Wegweiser. Gebühr 3 Euro pro Tag; abgezählt bereithalten, Apparat gibt kein Wechselgeld heraus!). Rückfahrt ab Patsch mit Bus nach Mühltal (2,30 Euro, jeweils zur halben Stunde).
Kartennummer:freytag & berndt WK 241 (Innsbruck-Stubai-Sellrain-Brenner)

Um es vorwegzunehmen: diese Bergtour ist unerwartet lang, dabei allerdings vollkommen unschwierig, so daß ich sie als wirkliche Bergwanderung im Sinne dieses Wortes bezeichnen möchte und somit eine T2 als Bewertung eintrage: Hände in die Hosentaschen (sofern gewünscht),und los gehts.

So einfach sie ist, so grandios sind allerdings die Ausblicke, besonders auf das rund 2000 m tiefer liegende Inntal und das jenseitige Karwendel.

Startpunkt ist der kostenpflichtige Parkplatz (ca. 1100m) am Eingang ins Viggartal, am östlichen oberen Ortsrand des Dorfes Mühltal gelegen. Als bekennender Frühaufsteher hält mich um 5:30 Uhr nichts mehr , im Schein der Stirnlampe (Anfang November ist es jetzt noch dunkel) wandere ich auf der Forststraße ins Viggartal hinein. Eine zeitlang begleiten mich die glühenden Augen einer Katze - ein gewöhnungsbedürftiger Anblick in der noch stockfinsteren, einsamen Nacht! Nach einer Viertelstunde komme ich an der Lourdeskapelle vorbei, kurz darauf am Kohlstattkreuz, einem Marterl am Wegrand. Gegen 7 Uhr habe ich fast das Meißner Haus (1720 m) erreicht (also bereits nach 90 Minuten, nicht nach den am P angegebenen 2,5 Std), nun ist es bereits hell.

Die Forststraße führt weiter In das hintere Viggartal hinein - nur: ein großes Schild verbietet den Zugang, angeblich besteht Lebensgefahr durch Felssturz. Ich gucke umher ... das Gelände sieht absolut friedfertig aus, ich stehe in lichtem Wald und beschließe, erst einmal weiterzugehen, zumal alle Wegweiser ganz eindeutig in das Tälchen hineinzeigen. Nach einer kurzen Zeit warnt ein weiteres Schild vor lebensgefährlichem Felssturz ... behördliches Sperrgebiet seit Juni 2002! Also sollte ich mich als obrigkeitshöriger Staatsbürger erweisen, zumal ich Gast im Tiroler Land bin und sich der österreichische Staat bekanntlich nicht zimperlich in der Verhängung drakonischer Strafen gegenüber bösen Buben zeigt. Ich kehre brav um und trotte mißmutig ob des Umwegs zurück zum Meißner Haus und auf einem steilen Waldweg hinauf nach Boscheben (2028 m). Hier erreiche ich um 8:20 Uhr den Höhenweg, der den Patscherkofel mit dem Glungezer verbindet.

Eigentlich hatte ich erwartet, daß wegen der Seilbahnen auf Patscherkofel bzw. Glungezer ein breites Wandersträßchen zwischen den beiden Gipfeln existiert. Weit gefehlt - es ist ein ganz normaler Bergsteig, allerdings absolut einfach. Er ist um diese Jahreszeit allerdings teilweise bereits schneebedeckt.

Ich folge der reichhaltigen Beschilderung zur Glungezerhütte; es geht auf und ab, immerzu mit großartigen Ausblicken auf das Inntal, das Karwendel, die Stubaier Berge und und und. Ich genieße und schwelge in den wärmenden Strahlen der flachstehenden Novembersonne. Kein Wölkchen am makellos blauen Himmel, kein Lüftchen rührt sich, und ich bin mutterseelenallein auf meiner Wanderung. So mag ich es - im Gleichgewicht mit der Natur, gefühlter Spätsommer, es könnte kaum schöner sein!

Das Steiglein führt südlich unter der Viggarspitze vorbei - auf dem Rückweg werde ich sie nachmittags "mitnehmen". Kurze Zeit später (9:30 Uhr) mündet der Aufstieg von Süden durch das hintere Viggartal ein: hier oben ist keine Rede mehr von einer Sperrung, meines Erachtens absoluter Unsinn, vergleichsweise müßte man die halbe Schweiz dicht machen, wenn HIER Felssturzgefahr bestehen würde. Aber das muß jeder Bergsteiger selbst entscheiden ...

In Folge liegt nun allerdings auch auf den südseitigen Hängen eine geschlossene Schneedecke - sie stört zwar das Fortkommen nicht sonderlich, aber ein unbeschwertes Schlendern wie bisher ist nicht mehr möglich. Mal knackehart gefroren, dann wieder kurze weiche Schneestellen - wir alle wissen, daß man hier doch ein wenig mehr schnaufen muß als unter Normalbedingungen. Zuletzt geht es einen etwas steileren Hang hinauf in den weiten Sattel zwischen Sonnenspitze (westlich) und Glungezer (östlich) - dort steht die Glungezer Hütte (2610 m), ich erreiche sie genau um 11 Uhr vormittags. Es duftet verführerisch nach schwelendem Holzfeuerchen, und aus dem Kamin kräuseln Rauchwölkchen in den blauen Himmel. Nachher werde ich hier einkehren.

Nach einer knappen weiteren halben Stunde stehe ich dann um 11:30 Uhr auf dem Glungezer (2677 m) - nahezu als einziger Mensch weit und breit, nur den Hüttenwirt der Glungezerhütte werde ich nachher noch treffen. Und welch ein Bergtag breitet sich um mich herum aus - ultimative Aussicht, ich denke, die Fotos sprechen für sich.

Nach einer guten halben Stunde steige ich wieder hinunter zur Hütte und jenseits in 15 Minuten auf die Sonnenspitze (2639 m). Auch hier gewaltige Einsamkeit um mich herum - die Stille dröhnt, bin ich der einzige Mensch auf der Erde?

Nein, nicht ganz - auf dem Rückweg treffe ich Gottlieb, den Hüttenwirt der Glungezer Hütte (2610 m); er lädt mich zu einer deftigen Brotzeit ein, wir sitzen vor seinem Domizil auf dem Sonnenbänkchen und genießen das Leben weit weg von der Hektik des Alltags. Gottlieb hält hier oben die Stellung, im Prinzip den ganzen Winter über, und ist froh, seit Tagen absoluter Einsamkeit endlich jemanden zum Plaudern gefunden zu haben. Wenn die Skitourensaison begonnen hat, wird er mehr Ansprache bekommen.

Um 13:30 Uhr verlasse ich die Glungezer Hütte und wandere auf dem gleichen Weg zurück Richtung Boscheben. Unterwegs überschreite ich noch die Viggarspitze (2306 m; 14:40 Uhr) - ein fast ebenso großartiges Aussichtsplätzchen wie die Gipfel vorher. Der kurze Ostgrat verlangt ab und zu ein beherztes Zupacken, aber wirkliche Schwierigkeiten bieten die blockigen Urgesteinsplatten nicht. Südlich führt wiederum ein Steiglein hinunter und auf dem vom Aufstieg bekannten Weg zurück nach Boscheben (2028 m; 15:30 Uhr). Das Berggasthaus ist natürlich bereits winterdicht verschlossen, eine Einkehr ist nicht mehr möglich.

Ich muß mich nun entscheiden, wie mein weiterer Abstieg verlaufen soll. Einerseits ist es ein Gebot der Vernunft, in Anbetracht der fortgeschrittenen Tageszeit und der demnächst hereinbrechenden Dämmerung auf dem kürzesten Weg - wie beim Aufstieg - hinabzusteigen zum Meißner Haus und das Viggartal zum Ausgangspunkt zurückzuwandern. Andererseits möchte ich nun, da ich einmal hier bin, auch den Patscherkofel mitnehmen. Das Wetter scheint zu halten, und die Taschenlampe ist im Rucksack - und in 45 Minuten wäre ich droben auf dem Patscherkofel, und von dort führt eine Forststraße in vielen Kehren hinunter nach Patsch.

Also los .... jetzt bin ich hier, und jetzt wird angepackt!

Noch ein letztes Mal geht es ca. 150 Höhenmeter hinauf, und um 16:15 Uhr habe ich den Patscherkofel (2246 m) erreicht. Sein mächtiger Sendemast ist in weitem Umkreis zu sehen, inzwischen orgelt ein kräftiger Wind um seine Stahlstreben und erzeugt - wieder einmal - ein etwas beklemmendes Gefühl unendlicher Einsamkeit: nur dieser Mast und ich stehen bei beginnender Dämmerung auf diesem Innsbrucker Hausberg. Über dem Karwendel ziehen die Wolken eines Sturmtiefs auf - Zeit für mich, schleunigst den Abstieg anzutreten.

In vielen, vielen Kehren der Patscherkofel-Erschließungsstraße geht es zunächst über freie Hänge, weiter drunten dann durch Wald abwärts, immer der Beschilderung nach Patsch folgend. Trotz der inzwischen stockdunklen Nacht ist kein Irrtum möglich - die Stirnlampe ist allerdings nahezu obligatorisch. Und dann zieht sich der Weg zu einer kleinen Unendlichkeit in die Länge: 2 km nach Norden, 1 km nach Süden, dann wieder eine Kehre zurück und hin und her ... es nimmt kein Ende, die Beine werden zusehends müder. Tief drunten die Lichter des Fernverkehrs auf der Brennerautobahn, auf der Europabrücke ... sie kommen nur sehr langsam näher! Zwischendurch führt ein Weg hinüber Richtung St. Peter - ob das eine Abkürzung für mich wäre? Er führt zunächst bergauf und endet dann in der Finsternis des nächtlichen Waldes - also wieder zurück auf die Fortstraße und hinunter nach Patsch.

Gegen 18:20 Uhr habe ich endlich Patsch (ca. 1000 m) erreicht ... stehen mir jetzt noch 4 km Straßenhatscherei zurück nach Mühltal bevor? Und dann kündet mir an einem Bushäuschen der dort ausgehängte Fahrplan vom nahenden Paradies: in 5 Minuten kommt ein Bus und bringt mich nach Mühltal zurück. Ich falle erschöpft in den Sitz, gucke nach draußen in die vorbeiziehende Nacht und freue mich ..... unter anderem bereits auf die nächste Bergtour.

Tourengänger: gero


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Geodaten
 4034.gpx Aufstieg von Mühltal auf den Glungezer, Abstieg via Patscherkofel nach Patsch

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Kommentare (3)


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Felix hat gesagt: Georgs kleine Voralpenwanderungen ...
Gesendet am 11. November 2010 um 22:10
Da hast uns mal wieder eine nicht zu überbietende Tour präsentiert: an Schönheiten und Länge kaum zu übertreffen!
Wie gern würd ich so was auch mal machen - oder besser: gerade diese tolle Wanderung mit prachtvollen Ein- und Aussichten zu begehen schätzte ich ja sehr!

Vielen lieben Dank für diese weitere Dokumentation - in gewohnt "Georg'scher Qualität";

herzlich: Felix

gero hat gesagt: Georgs kleine Voralpenwanderungen ... ;-))
Gesendet am 11. November 2010 um 22:20
DANKE für Deine Lobeshymne ... aber das war wirklich wieder ein großartiger Tag, ich hätte Euch gern in Realität, nicht nur gedanklich teilhaben lassen!

herzlich zurück: Georg

ADI hat gesagt:
Gesendet am 12. November 2010 um 08:39
Servus Gero!

Gratulation auch von mir. Klassetour mit vielen tollen und auch eindrücklichen Bildern!
Ein Toptag war das und Du hast eine Gewalttour daraus gemacht.
Ich leider an diesem Tag in der Arbeit.....sehr ätzend....

Auch die kleine Viggarspitze ist ein Klasse-Aussichtsberg.

Beste Grüße aus Monaco..... Gunter


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