Unterwegs in den Churfirsten: (Halber) Schnüerliweg via Tieregg und Überschreitung Hinderugg (2306 m


Publiziert von marmotta , 7. November 2010 um 12:04.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 6 November 2010
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Churfirsten   CH-SG 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:Walenstadtberg - Rüfenen - Berger Laui - Alp Tschingla - Tieregg - P. 1980 - Valsloch - Hinderrugg - Sattel - Oberruestel - Alp Selamatt - Alt St. Johann
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Walenstadtberg, alte Post
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Alt St. Johann, Post
Unterkunftmöglichkeiten:während der Alpzeit: Alp Tschingla
Kartennummer:LK Blattzusammensetzung 2514 Säntis-Churfirsten (1:25.000)

Die eindrücklichste Art und Weise, als Wanderer die steilen Südwände der Churfirsten zu erleben, ist sicherlich die Begehung des Schnüerliwegs. Nachdem ich bereits viel darüber gehört und gelesen hatte, wollte ich endlich diese "Bildungslücke" schliessen und auf dem Band unmittelbar unter den senkrechten Wänden zwischen Hinterrugg und Zuestoll hoch über dem Walensee in der Spätherbstsonne wandeln. Die Jahreszeit schien mir hierfür ideal: Während man im Sommer in den südausgerichteten Steilwänden wohl am lebendigen Leib gegrillt würde, ist man im November bei niedrigem Sonnenstand froh um die sich hier ballende Wärme, die fast schon mediterran anmutet. Trotz frühem Wintereinbruch im Oktober sollten die Südflanken dank dem Föhnwetter und den milden Temperaturen in den letzten Wochen wieder komplett schneefrei und damit gut begehbar sein. Ich wurde leider eines besseren belehrt…
 
Zusammen mit KraxelDani und dani_ startete ich in Walenstadtberg (790 m), um zunächst auf dem interessanten Alpweg durch die Berger Laui zur idyllisch gelegenen Alp Tschingla aufzusteigen. Der Weg ist steil und derzeit mit viel Laub bestückt, der teilweise auch den durch verschiedene Runsen abgegangenen Lawinenschnee bedeckt. Stelle ich mir im Abstieg nicht so lustig vor. Obwohl noch ein wenig Hochnebel über dem Seeztal lag und die Sonne etwas verdeckte, kamen wir auf diesen ersten 700 Hm ordentlich ins Schwitzen. An der Alp Tschingla lichtete sich dann der Nebel und gab erstmals den Blick auf die Südwände der Churfirsten über uns frei – wow!
 
Von der Alp Tschingla folgten wir ein Stück dem weiss-blau-weiss markierten Wanderweg Richtung Valsloch-Chäserrugg. Hier trafen wir in schattigen Mulden auf die ersten Schneereste und auch der Blick hinauf zum fraglichen Band unter den Churfirsten-Südwänden liess ernsthafte Zweifel aufkommen, ob das mit dem Schüerliweg an diesem Tag wirklich klappen würde.
 
Dort, wo der Wanderweg auf einem kleinen Sattel den Ausläufer des sich von P. 1980 herabziehenden Grats (Tieregg) überquert, verliessen wir den Pfad und stiegen nun in direkter Linie –dem ausgeprägten Sporn des Tieregg-Grats folgend- nach oben. Das Gelände ist mitunter sehr steil, jedoch gut gestuft und mit einigen Felsen und Bäumen zum Festhalten garniert (T5). Kurz vor Erreichen eines ersten (legföhrenbestandenen) Gratkopfs fordert eine fast senkrechte Stufe vollen Einsatz (T5+), bevor der aussichtsreiche und luftige Gratkopf zum Durchschnaufen und kurzen Verweilen einlädt. Von dort kurzer Abstieg über eine Felsstufe und luftig auf der Schneide zum nächsten (grasigen) Grataufschwung – die Hände (und die Nasenspitze) immer am Boden :-). In dieser Manier geht es kurzweilig weiter nach oben, bis der Sattel bei P. 1980 unter den senkrecht aufragenden Wänden des Hinterruggs erreicht ist. Kurz vor dem Sattel stöberten wir eine grosse Anzahl von Gämsen auf, die nun in den Steilflanken die Flucht vor uns ergriffen. Offenbar hatte sich in den letzten Wochen kein Mensch mehr hier herumgetrieben, so dass sich die Tiere hierhin zurückgezogen haben. Einmal mehr fühlte ich mich ein wenig als "Eindringling"…
 
Als wir vom Sattel bei P. 1980 auf den Verlauf des "Schnüerlis" Richtung Stollenfurgge blickten, fragten wir uns schon, ob es überhaupt Sinn machen würde, da einzusteigen: Längere Abschnitte des Bandes unter den Felswänden waren mit Schnee bedeckt, der sich natürlich (ausgerechnet) hier gehalten hatte, während die abschüssigen Grasplanggen darunter schneefrei, aber durch das vom abgerutschten Schnee plattgewalzte Steilgras ausgesprochen mühsam und heikel zu begehen waren. KraxelDani roch den Braten als Erster und entschloss sich bereits nach wenigen Metern zur Umkehr. Wir begleiteten ihn noch ein Stück zur Alp Vals, um sicherzugehen, dass er bei diesen Verhältnissen auch tatsächlich heil nach unten kommt und beratschlagten dann erneut. Nach kurzer Überlegung entschlossen wir uns dann, es zu versuchen. Der Schnee in den abschüssigen Passagen war jedoch sehr weich und die Querungen somit nicht ohne Risiko. Soweit das Band darunter nicht zu steil abbrach, versuchten wir es teilweise etwas unterhalb in den Flanken, doch war dies angesichts des platten und teils noch nassen Grases, garniert mit rutschigem Geröll auch keine sichere Alternative. Die durch das Schmelzwasser von oben drohende akute Steinschlaggefahr und die Erwartung von mindestens zwei aus der Ferne äusserst kriminell aussehenden Querungen auf steilen Schneebändern, wo das Gelände darunter senkrecht abbricht, gaben dann schlussendlich den Ausschlag, dass wir noch vor Erreichen der Passage unter dem Gluurissattel ebenfalls die Segel strichen.
 
Klar, hätte uns das weitere Befolgen des "Schnüerliwegs" ungemein gereizt - aber warum ein (unnötiges) Risiko eingehen, wenn man das Ganze im Sommer bzw. bei schneefreien Verhältnissen viel weniger mühsam und weitgehend gefahrlos haben kann? Das Projekt wird also bis mindestens zum nächsten Sommer (wortwörtlich) auf Eis gelegt…
 
Zurück bei P. 1980 überlegten wir, was wir an diesem schönen Herbsttag noch unternehmen könnten und entschieden dann, via Valsloch zum Hinterrugg aufzusteigen – immerhin der höchste der sieben Churfirsten, den wir zudem wegen der derzeit still liegenden Bergbahnen praktisch für uns alleine haben würden.
 
Die Querung auf dem obersten (teils schneebedeckten) Band entlang der Felswände hinüber zum Wanderweg durch das Valsloch war nicht weniger mühsam, als es der Abschnitt des Schnüerliwegs westlich von P. 1980 gewesen war. Aber über das sehr steile Gelände mit geröllbeladenen Felsbändern und rutschigen Grasplanggen abzusteigen, um dann von der Alp Vals wieder auf dem Wanderweg aufzusteigen, erschien uns auch nicht besser zu sein.
 
Trotz der südlichen Exposition war das Valsloch, durch das der Wanderweg über eine Lücke in den Felswänden steil hinauf zu Chäserrugg und Hinderrugg führt, noch mit viel Schnee gefüllt, in der untereren Felsrinne hatte sich zudem der gesamte Lawinenschnee gesammelt. So wurde der Aufstieg noch zu einer ziemlich anstrengenden Angelegenheit, belohnt wurden wir auf dem (menschenleeren) Gipfel mit einer tollen Aussicht und einer schönen Stimmung. Der auf dem Gipfel des Hinterruggs auffrischende und böige Südwestwind zwang jedoch zu einem baldigen Abstieg: dani_ auf dem Aufstiegsweg zurück nach Walenstadtberg und ich nach Norden ins Toggenburg. Kurioserweise war -im Gegensatz zur Südseite- die Nordseite praktisch komplett schneefrei (vom Wind abgeblasen). Lediglich auf dem Abschnitt zwischen Sattel (P. 1905) und Oberruestel hatte es in geschützter Lage noch Schnee, der die darunterliegenden Felsen sehr rutschig machte.
 
Da ja derzeit (bis zum Beginn des Skibetriebs Anfang Dezember) sämtliche Bergbahnen im Toggenburg (mit Ausnahme der kleinen Gamplüt-Bahn) ruhen, blieb mir auch der Abstieg von Alp Sellamatt bis ins Tal nach Alt St. Johann nicht erspart. Zum Glück hat das Wetter bis zum Schluss gehalten.     

Tourengänger: KraxelDani, dani_, marmotta
Communities: ÖV Touren


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Kommentare (1)


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Ivo66 hat gesagt: Beeindruckend und gruselig zugleich...
Gesendet am 7. November 2010 um 13:14
...da bin ich froh, nicht mitgegangen zu sein. Wahrscheinlich hätte ich mich vor lauter Panik freiwillig den Abgrund hinuntergestürzt, um das Ganze schnell hinter mich zu bringen. Nein im Ernst: Dein Bericht dokumentiert eindrücklich die Gefahren solcher Traversierungen bei heiklen Verhältnissen. Gut, dass Ihr umgekehrt seid - eine Prise Schnüerliweg hast Du Dir ja nun mal reinziehen können.

Sehr spannender Bericht und hervorragend dokumentiert.

Herzliche Grüsse

Ivo


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