Bocchetta di Piatto 2083m: Vom Valle di Bri ins Val d’Iragna


Publiziert von Seeger , 24. September 2010 um 16:26.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:23 September 2010
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Madöm Gross   Gruppo Poncione Rosso   CH-TI 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 1625 m
Abstieg: 2010 m
Strecke:Strecke: Tecc Stevan 1010m – Valle di Bri Pt. 1307 – Alpe Piatto 1680m – Alpe Piatto 1849m – Bocchetta di Piatto 2083m – Alpe Stübiell 1983m – Alpe Matro Colmo 1787m – Alpe Pianazzora 1662m – Malsegro 1513m – Sprüch 1348m – Monda – Badresc 853m – Bacino d’Ambra (Parkplatz)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Biasca – Bodio – Personico – Bascino Val d’Ambra (Parkplatz) Ö.V.: Postauto von Bignasco nach Personico. Aufstieg über rot/weiss markierter Wanderweg (1 ½ Std. zum Bacino Val d‘Ambra)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:item
Unterkunftmöglichkeiten:Capanna Tecc Stevan 1010m, Capanna Monte di Dentro 917m des Patriziato di Pesonico, Rifugioo Tör 1280m www.capanneti.ch, www.alpi-ticinesi.ch
Kartennummer:Biasca 1273, Osogna 1293

Hoch über der Leventina öffnen sich Hängetäler, welche durch ein Gratsystem – gleich den Ästen eines Baumes (Giuseppe Brenna)  umgeben sind. Eine wilde und einsame Welt – meine Welt! Vorgestern sah ich von der Motaroi di Bri ganz sehnsüchtig zur Alpe Piatto hinüber und entdeckte eine ganz kleine gemähte Anhöhe auf 1680m, etwa 250m unterhalb des gerodeten Balkons der Alpe Piatto 1849m. Die liess mich nicht los. Da WILL ich hin. Und dann ganz einfach auf die Bocchetta queren. Nur auf der Landkarte sieht man etwas nicht: DIE ERLEN. Aus einer Stunde werden drei!
Die komfortable Unterkunft Tecc Stevan erreiche ich am Vorabend. Mitgebracht habe ich Zündwürfel, Toilettenpapier und eine Nigel Nagel neue Espresso-Kaffeemaschine. Das Ventil konnte nicht mehr geflickt werden. Super genächtigt mache ich mich im Schein der Stirnlampe auf den Weg.
Ich folge dem Weg gegen Cassinone talabwärts und zweige (wieder einmal) ins Valle di Bri ab, 50m oberhalb einer Waldlichtung auf etwa 950m. Der Tag erwacht. Der gute Weg führt mich an den Ausgangspunkt des Abenteuers: Pt. 1307, welchen ich schon rekognosziert habe. Da fliesst der Wildbach aus dem Piatto-Graben in die Rierna. (Be-) Rauschendes Schauspiel (T3).
Welch gnädige Eingebung, den Weg durch den linksliegenden Wald mit altem Tannenbestand zu wählen! Der direkte Aufstieg zur Bocchetta di Piatto ist wegen den Erlen ein zeit- und kräfteraubendes Unternehmen, auf die mich Frank (alpi-ticinesi.ch) und  zaza vorher und nachher aufmerksam gemacht haben.
Ich steige dem linken Flusslauf 100m entlang  zum Wasserfall und quere über Felsbänder nach links in den Wald hinein. Ich meinte, Jägerspuren zu finden und folge diesen in logischer Folge über den bewaldeten Rücken, Felsriegel rechts und links umgehend, Schlüsselstellen ausnützend, direkt zur neuen Jägerhütte auf 1680m – ansonsten existiert die untere Alp Piatto in Form von Ruinen.
Hier zweigt ein Jägerpfad nach links ab, wahrscheinlich zur Bocchetta della Riva. Ich folge der Felswand nach rechts und steige steil gegen die Alpe Piatto hinauf. Die logische Wegführung wird durch Steinmänner und überwachsene kleine Treppenanlagen bestätigt. Unterhalb der Alpe hole ich links aus, um auch diesen Felsriegel zu umgehen. Ohne Versteigern stehe ich auf meinem Etappenziel. Unglaublich, dass dieser einsame und schöne Flecken Erde mit etwa sechs Hütten total verfallen ist. Jedoch ist die Anhöhe gerodet und unterhalten. Der Ausblick ist grandios. Dominierend der Adula (Rheinwaldhorn). In der Tiefe das Valle di Bri, darüber der Motte di Bri (mit einer neu gerodeten Erlengasse !!!) Dahinter das Val d’Ambra. Darüber links die Cima d’Efra mit Pian Tasin und der Pizzo Pian Forno rechts. Ungewöhnliche Perspektiven von alten Bekannten.
Ich wähle einen Pfad nach rechts den Felsen entlang und stehe nach einer Linkskurve direkt über den Ruinen der Alpe Piatto. Wieder rechtshaltend diagonal auf 1900m hinauf. Unterwegs Steinmänner. Mein Ziel ist es, auf dieser Höhe zu traversieren. Doch es kommt anders. Undurchdringliche Erlenhaine zwingen mich, auf 1950m hinauf unter den (auf der LK gut sichtbaren) Felsriegel zu steigen, wo die frohwüchsigen Kerlchen doch noch einige Alpwiesen-Abschnitte frei lassen. (Wie lange noch?) Dazu habe ich den Vorteil, die tiefen Gräben ganz oben zu überschreiten. Unendlich kommt mir dieser Abschnitt vor. Trotz der Höhe muss ich mich 100m östlich von Pt.1835 (ursprünglich geplanter Fixpunkt) noch zusätzlich weitere 50hm hinauf kämpfen. Schliesslich bin ich gezwungen, 180m nördlich der Bocchetta durch einen Couloir (in LK ausgeprägt) ziemlich ruppig hinauf zu kraxeln und erreiche den Grat NNE  der Bocchetta auf 2100m (T5).
Auf dem „Höhenweg“ spaziere ich bequem in die Bocchetta di Piatto hinunter. Mittagsrast um 13 30 Uhr. Da sind ja der Poncione Rosso und die Cima di Negrös über dem Val d’Iragna! Unlängst habe ich diese besucht. Viele Détails aus dem Val d’Iragna können hier studiert werden: Der spektakuläre Höhenweg von der „Bassa di Negrös“, welcher Frank unlängst durchschritten hat. (www.alpi-ticinesi.ch) und der Übergang in die Alpe Ninagn. Fast hätte ich es vergessen: Der Tiefblick in die Riviera durch das Val d’Iragna ist eindrücklich – 1700m weiter unten der Talboden mit der A2. Entlang dem Grat von der Cima Lunga kreuzt hier ein Weg zum Pizzo Ricuca hinüber. Scheint ein schöner Weg zu sein. Die Welt von einigen Beschreibungen der HIKR’s. Bald auch ich?
Ich bin 2 Stunden verspätet. Der Abstieg ist noch lange und mit seinen 1900m auch happig. Aufbruch. Wegfragmente beginnen direkt unter dem tiefsten Punkt des Sattels links herum zum gut unterhaltenen Weg, welcher von der Alpe Gheresc herkommt. Alter Alpweg. Diesem entlang umkurvt man, jeweils in die Bacheinschnitte ab- und aufsteigend, den Pizzo Ricuca und ich erreiche die Alp Stübiell (T3). Vorsorglich fülle ich unterwegs meine Wasserflaschen mit frischem Wasser. Zum Glück. Denn die Wasserhähnen bleiben trocken bis Alpe Pianazzora!
Ein interessanter Weg – die Geländestruktur unter dem Pizzo Ricuca ausnützend und herausgemäht – führt zur Alpe Matro Colmo (T3). Die Fussgelenke sind gefordert, da die Wege nicht eingeschnitten sind. 250m vor der Alpe Pianazzora zweigt ein gemähter Weg auf den Aussichtspunkt Pt. 1664 ab. Dann hinunter auf die Alpe Pianazzora (T2). Hier zweigt rechts ein unterhaltener Weg zur Alpe Roglie ab, welches rund 200m weiter unten liegt. Dort bietet sich die Möglichkeit, in den Talboden des Val d’Iragna zu gelangen und anschliessend nach Pön di Sopra (Parkplatz auf 950m). Pianazzora hat sehr gutes Wasser. Grazie! Der Weiterweg ist nicht leicht zu finden (LK-Studium ratsam). Doch im letzten Moment sehe ich eine zersägte Tanne, die eine Lücke im unteren Teil der Waldlichtung freigibt. Wie sind sie schön – die Alten Alpwege. Breit. Steine markieren den Verlauf. So erreiche ich Malsegro (T2), in welchem neues Leben erwacht ist. Die Hütten werden renoviert. In einem Wohncontainer hausen die Engel, welche alte Alpkultur in die nächste Generation weiterbringen. Hier könnte ich zum Rif. Tör 250m absteigen. 
Mit unglaublichen Anstrengungen ist der weitere Weg vom Fallholz befreit worden. Von Zeit zu Zeit orange Strichmarkierungen. Jetzt hört man das konstante Brummen vom Tal her. Ich erreiche Sprüch (T2), einem Stall, welcher als Notunterkunft benützt wird. Offensichtlich sind deren Besucher unartig und lassen die Abfälle zurück. Undankbar. Denn ein Strohlager und Tisch/Stühle sind von seinem grosszügigen Besitzer zu Verfügung gestellt worden. Dieser empört sich: „…porco“ (Schweinehund).
Dann der lange Abstieg nach Monda (T2). Lustige weiss-schwarze Markierung helfen den Weg bei Laghetto vorbei zu finden. Monda hat eine Strasse. Jawohl. Ganze 90m lang. Diese verbindet die Transportseilbahn mit der Siedlung. Auch ein Transporter steht da! Bei der Bergstation der Seilbahn beginnt eine wrw-markierte Strasse über Badresc hinunter zum Stausee (T1). Acht Uhr.
Im Schein der Stirnlampe habe ich diesen Tag angetreten. Im Schein der Stirnlampe ist er vollendet. Der Mond geht auf über dem Torrone Alto.
 
 


Tourengänger: Seeger
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (4)


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basodino hat gesagt: Hut ab ...
Gesendet am 25. September 2010 um 11:33
.. vor Routenwahl und Kondition. Ich bewundere Deine Kondition und Neugier.

Gruß

Marcel

Seeger hat gesagt: RE:Hut ab ...
Gesendet am 28. September 2010 um 12:02
Ciao Marcel
Danke für die Komplimente. Auch Du würdest plötzlich zusätzliche Kräfte bekommen, wenn Du in diesem Gelände Zeichen mühsamer Arbeit finden würdest. Zeitweise komme ich mich wie ein Archäologe vor :-))
Cari saluti
Andreas

Henrik hat gesagt: ...das Besondere liegt in der Tat in
Gesendet am 25. September 2010 um 12:35
> Routenwahl und Kondition

Darüber hinaus ist auch kulturhistorisch beachtlich, wie im Tessin Alpen und Plätze bis weit unter die Gipfel angelegt, bewirtschaftet wurden und in Resten noch bestehen - ein paar Quadratmeter Land um zu überleben!

Grossartig, gäll.

LG

silberquäki

Seeger hat gesagt: RE:...das Besondere liegt in der Tat in
Gesendet am 28. September 2010 um 11:59
Ciao Henrik
Neugierde schafft zusätzliche Kräftereserven. Und das Schlimmste: Je mehr ich unterwegs bin, desto mehr weiss ich, dass ich nichts weiss. Es öffnen sich immer wieder neue Wege. Endlos.
Danke für Deinen Kommentar. Du hast in wenigen Worten der Kern der Sache getroffen.
Cari saluti
Andreas


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