Wenden - Todo o Nada (6c+)
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Nach nur 5 Tagen schon wieder an die Wendenstöcke? Ja, auf jeden Fall - genau so wie man Feste feiern soll, wenn sie fallen, soll, nein muss man Wendenrouten klettern, wenn Bedingungen, Partner, physische und psychische Form stimmen - denn sonst geht's nicht. Die häufigen Besuche im Mekka des alpinen Sportkletterns haben einen weiteren Vorteil: der sonst so überpräsente Knoten im Bauch, der einen die ersten Seillängen ehrfürchtig, verkrampft und (weiter oben dann fehlende) Kräfte verpulvernd klettern lässt, ist viel weniger ausgeprägt.
Nachdem
jsp und ich früher in der Saison zwei (Wenden-)Gelegenheiten wegen möglicherweise suboptimalen Bedingungen mit der KIK am Oeschinensee und der Aura am Wellhorn überbrückten, stimmte dieses Mal nun alles. Blieb nur noch die Tourenwahl: zieht man von den ca. 80 existierenden Routen die 15 schon bekannten und die rund 25 auch unter grenzenlosem Optimismus zu schweren ab, so verbleiben immer noch 40 Träume, die auf der Anfahrt ausgiebigst diskutiert werden können.
Als wir um 7.30 Uhr auf der Wendenalp sind, haben wir die Wahl immerhin schon auf die ikonische Wenden-Kingline "Blaue Lagune" und die Sphinx "Todo o Nada" eingegrenzt. Was sollen wir nun wählen, harte, weltbekannte Sportkletterei oder lange, abenteuerliche Alpinkletterei? Den Ausschlag für die "Todo o Nada" gibt schliesslich die momentan noch genügende Tageslänge, und die Tatsache, dass wir uns versprechen, bei der nächsten Gelegenheit in den nächsten Monaten doch noch die "Blaue Lagune" anzupacken.
Zustieg, Bergschrund und Einstieg
Auf dem Anmarsch kommt es zwischenzeitlich noch zu einigen Rückfällen in Richtung "Blaue Lagune" - jedoch nie bei beiden gleichzeitig, so dass wir schliesslich doch an der "Todo o Nada" festhalten. Der Zustieg folgt zuerst dem normalen Pfad bis zur "Steifrou" (Hind. Hublen, P.1884), von wo man mehr oder weniger horizontal nach rechts in die Rinne des Lägerbachs quert. Am besten ist es nun, gleich in dieser Rinne zu bleiben und so bald wie möglich den Firn zu betreten.
Wir entschieden uns fälschlicherweise für einen Aufstieg rechts auf dem Geröll gegen die Glogghüser hin. Leider war es dann an deren Fuss nicht möglich, über die harte und steile Seitenmoräne den Schnee zu gewinnen. So mussten wir etwas heikel und steil (T5+) neben und hinter den Glogghüsern kraxeln, bis wir weit oben dann doch noch den Firn erreichen konnten. Obwohl es nicht mehr weit bis zum Wandfuss war, waren Steigeisen im harten Schnee doch vonnöten. Der Einstieg, wo wir um ca. 8.30 Uhr eintrafen, befindet sich ca. 80m rechts des grossen Winkels, und ca. 15m rechts eines kleinen angelehnten Pfeilers. Er ist nur durch eine Seilschlinge am ersten, sich in 20m Höhe über dem Schnee befindlichen BH markiert.
Nicht unerwartet klaffte zwischen dem Firn und der Felswand ein eindrücklicher Schrund. Er war ca. 2m breit und rund 30m tief, ein veritables Hindernis also. Um ca. 9.00 Uhr ging es los, zum Glück hatte ich mit
jsp einen "Chef-Alpinist" als Tourenpartner dabei. Er liess sich darauf ein, sich mit mir als Gegengewicht überhängend in den Schrund abzulassen, und dann eine Abschmelznase zu benützen, um jenseits an die Wand zu kommen. Dies gelang, bald war der erste BH erreicht und Stand gemacht. Ich meisterte den Schrund im Nachstieg dann mit einem Sprung an die Wand.
Kletterei, 1. Aufschwung
Die ersten paar Seillängen führen dann durch zwar festen und kompakten, stellenweise aber etwas von Schutt bedeckten Fels. Die Kletterei ist nicht schlecht, aber es sind keine Traumlängen - wenn man bedenkt, dass man auf den anderen Wendentouren auf dieser Höhe aber noch im Gras am kraxeln ist, ist's gar nicht übel. Graduell werden die Seillängen am 1. Aufschwung dann schwerer, die 4. und 5. sind schon ganz ordeli schön und fordern erstmals etwas, die 6. und 7. sind dann in wirklich tollem Fels mit gänzlich nichttrivialen Cruxen.
Kletterei, 2. Aufschwung
Nach der 9. SL steigt man über eine Grasrinne und tiefen Wasserrillen aus dem 1. Aufschwung aus und hat nun wirklich eine atemberaubende Aussicht auf den folgenden, extrem kompakten Routenteil, der nicht nur sehr vielversprechend aussieht, sondern dies auch voll und ganz zu halten vermag. Los geht es mit einer anspruchsvollen Wasserrillen-Seillänge (SL 10, 6b+). Diese weckt Erinnerungen an die Startlänge der "Voie de Frère", sind doch auch hier, anders als in den steilen Passagen, einige Runouts zu vergegenwärtigen. Der Erstbegeher Michel Piola muss wirklich ein hervorragender Platten- und insbesondere Wasserrillen-Kletterer sein.
Zu den schönsten Passagen der Tour zählen dann die 140 Klettermeter der 12.-14. SL. Homogen geht's im 6b-Bereich in supertollem Fels mit optimaler Reibung aufwärts, die typischen Wenden-Querschlitze dienen dabei häufig als Griffe. Nach der einfacheren und weniger schönen 15. SL nähert man sich dem Ende des 2. Aufschwungs. Der dort ansetzende, horizontale Grat wird nicht erstiegen, sondern rechts (östlich), wenige Meter unterhalb der Schneide auf Bändern umgangen. Regelmässig stecken Markierungs-BH und nach 50m wird ein Stand erreicht. Von diesem erneut nicht links auf den Kamm, sondern nach rechts querend ins Amphitheater, der Stand folgt nach 25m und ist gut von weitem sichtbar, da hier noch jemand einige museumsreife Stücke (Messerhaken, Plättli, Trittleiter) hat hängen lassen.
Kletterei, 3. Aufschwung
jsp führt die folgende, schon steile 18. SL (6b+), welche in einer Querung an abschüssigen Griffen in eine Biwakhöhle führt. Diese ist tatsächlich eingerichtet, es scheint als ob hier tatsächlich mal jemand eine Nacht verbracht hat. Komfortabel liegen kann man wohl, doch viel mehr auch wieder nicht - uns erschliesst sich der Sinn einer Nacht hier nicht ganz, zum Ausstieg ist's ja nicht mehr allzu weit...
Tja, zwar vielleicht nicht mehr so weit, aber dafür schwer, wie es sich bald entpuppt! Der Ausstieg aus der Höhle (19. SL, 6c) ist schon steil und fordernd, und die Seillänge geht anhaltend weiter. Ein richtiges Ausdauerproblem, ähnlich wie die steilen Längen der "Voie de Frère", mit den schwierigsten Zügen zum Schluss - ich bin ganz schön froh, als ich den Stand klippen kann. In der folgenden, 20. SL (6c+), lässt mir
jsp den Vortritt, und es kommt noch dicker. Vom Stand weg wartet ein heftiger Boulder, danach anhaltende, ausdauernde Kletterei.
Die Original-Bewertung von 6c der Erstbegeher erschliesst sich mir hier nicht ganz - vielleicht wollte man potentielle Wiederholer nicht abschrecken und griff deshalb zu diesem Dumping-Grad. Es ist mit klarem Abstand die schwierigste Seillänge, und möglicherweise wäre sogar eher ein 7a als das 6c+, das wir vorschlagen, angebracht. Auf jeden Fall ist's auch klar härter wie etwa die Crux der "Voie de Frère".
Anyway, nachdem der Boulder geschafft und die nächsten paar Meter geklettert sind, geht mir nach bereits über 8 Stunden Kletterei langsam der Saft aus. Nach dem letzten BH gerate ich in eine prekäre, instabile Position und meine Finger fangen an von den Slopern zu rutschen. Im letzten Moment gelingt ein Schnapper an die letzte Rettung, einen tatsächlich etwas besseren Griff, ich kann die Füsse umsetzen und manteln, und dann im einfachen Gelände zum Stand klettern, ohne dass ich die Sicherungskette belasten muss.
Die 21. SL (6b) bietet zum Glück nur eine kurze schwere Stelle, so dass ich mich nochmals ein bisschen erholen kann, was für die folgende, 22. SL (6b+) auch nötig ist. Dieses bietet nochmals tolle, steile und griffige Kletterei - und sie bringt mich zum Schluss nochmals an die Grenze. Im überhängenden, "nur noch" 6b-Gelände gilt es, den letzten BH zu klippen. Da es etwas Seilzug gibt, resultiert beim Seil hochziehen ein Bizeps-Krampf links und rechts spüre ich, wie mir gleich die Finger aufgehen und vom Henkel rutschen.
Puh, in Extremis kann ich mich noch abfangen, bevor es zum Abgang kommt. So in Position bleiben kann ich zwar, ein Erholen durch Schütteln geht hingegen nicht mehr wirklich. Was nun? Die bisher makellose Begehung am letzten BH noch scheitern zu lassen, kann nicht sein. Nach einigen virtuellen Motivationstritten in den Allerwertesten kann ich schliesslich 3 zusätzliche Expressschlingen einhängen, so dass ich das Seil nicht über Kopf zu ziehen brauche. Schliesslich ist das Seil im Karabiner, und ich wuchte mich mit dem letzten Saft auf das Plateau oberhalb.
Ausstieg und Abseilen
jsp kommt nach, und es bleibt nur noch eine brüchige, kaminartige Rinne zum Ausstieg. Diese stellt keine Probleme mehr, um 18.10 Uhr sind wir nach über 9 Stunden Kletterzeit oben. Der Weg über die Geröllhalde zum Sattel zwischen Gross und Klein Wendenstock ist nicht weit (2 Minuten). Dies will ich mir nicht entgehen lassen, denn noch nie nach einer Wenden-Klettertour (die Routen enden (fast) alle vor dem Grat) konnte ich auf die andere Seite runterblicken.
Irgendwie hatte ich noch gehofft, dass wir nicht nur den Sattel, sondern sogar einen Gipfel ersteigen können. Dies ist aber im Angesicht der Zeit, der sehr brüchig, aber dennoch steil und schwierig scheinenden Felsen völlig unrealistisch. Wir treten also den weiten Weg nach unten an. Die Abseilerei verläuft eigentlich problemlos, dennoch braucht es wegen einiger flacherer Zwischenstücke etwas Zeit. Die 16. SL über die Bänder unter dem Grat müssen wir sogar abklettern, wofür Standplatzsicherung nötig ist.
Abstieg
Dann bleibt zum Schluss nur noch der Schrund.
jsp klettert als Erstabsteiger wieder über die Nase raus, indem er mit einem Stein Tritte in den harten Firn ritzt. Ich folge dann und kann mich bequem über den Schrund ziehen lassen. Mittlerweile ist es gegen 20.30 Uhr, das Abseilen hat fast 2 Stunden gekostet, es beginnt langsam einzudunkeln. Wir räumen zusammen und machen uns mit den Lampen an den Abstieg.
Um 21.20 Uhr sind wir wieder auf der Wendenalp, nichts wie los nach Meiringen, so dass es dort (vor 22.00 Uhr!) noch eine Pizza und ein kühles Getränk gibt! Zu gerne stossen wir mit durstigen Kehlen an, und läck, war das eine Supertour!
Fazit
"Todo o Nada" ist anders als die anderen Wendenrouten - uns hat es mehr ans Wellhorn, oder dann auch an den Drusenfluh-Westgipfel erinnert. Nicht jeder Meter der Route ist lohnend, d.h. es sind einige einfachere, etwas schuttige Teilstücke zu klettern. Alpin orientierte Kletterer wird dies kaum zu stören vermögen. Und es gilt einfach zu sagen, dass in Anzahl und Qualität nicht weniger schöne Klettermeter warten, als in den anderen Wendenrouten auch.
Die Route wurde durchdacht und mit Sorgfalt eingerichtet. Man merkt, dass mit Michel Piola ein absoluter Erschliesser-Profi am Werk war. Ich denke, dass auch die Erstbegeher davon ausgingen, dass die Route ein Hit wird. Dies ist nicht eingetreten, Begehungen dürften nur sehr, sehr selten erfolgen. Warum dem so ist, ist mir auch nicht so ganz klar, denn am Wellhorn und der Drusenfluh tummeln sich die Kletterer...
Auf jeden Fall ist die Route gut eingerichtet: in allen steilen, athletischen Passagen stecken die BH dicht, die Absicherung entspricht dort Stufe 4 (xxxx) von 5 gemäss der Skala im Schweiz Extrem. Auf Platten und in Wasserrillen-Seillängen sind die Abstände etwas grösser, dort würde ich Stufe 3 (xxx) für richtig halten. An leichteren Stellen trifft man vielfach auf gefädelte, teils aufgebohrte Sanduhren. Deren Schlingen sind arg verrottet und sollten ersetzt werden - da an den Schlüsselstellen immer Bolts stecken, ging's für uns aber auch mit diesen ausgebleichten "Schnürsenkeln".
Wirklich fordernde, zwingende Stellen warten keine, die Anforderungen sind durchaus mit der "Voie de Frère" zu vergleichen. Nur ist die Tour halt viel länger, deshalb ist ein zügiges Klettertempo wie auch genügend Ausdauer nötig - die schwersten und steilsten Seillängen folgen erst ganz am Schluss der Tour. Etwas an alpiner Erfahrung und Spürsinn kann auch nicht schaden, mit meinem Topo sollte sich die Route nun aber gut finden lassen.
Nachdem

Als wir um 7.30 Uhr auf der Wendenalp sind, haben wir die Wahl immerhin schon auf die ikonische Wenden-Kingline "Blaue Lagune" und die Sphinx "Todo o Nada" eingegrenzt. Was sollen wir nun wählen, harte, weltbekannte Sportkletterei oder lange, abenteuerliche Alpinkletterei? Den Ausschlag für die "Todo o Nada" gibt schliesslich die momentan noch genügende Tageslänge, und die Tatsache, dass wir uns versprechen, bei der nächsten Gelegenheit in den nächsten Monaten doch noch die "Blaue Lagune" anzupacken.
Zustieg, Bergschrund und Einstieg
Auf dem Anmarsch kommt es zwischenzeitlich noch zu einigen Rückfällen in Richtung "Blaue Lagune" - jedoch nie bei beiden gleichzeitig, so dass wir schliesslich doch an der "Todo o Nada" festhalten. Der Zustieg folgt zuerst dem normalen Pfad bis zur "Steifrou" (Hind. Hublen, P.1884), von wo man mehr oder weniger horizontal nach rechts in die Rinne des Lägerbachs quert. Am besten ist es nun, gleich in dieser Rinne zu bleiben und so bald wie möglich den Firn zu betreten.
Wir entschieden uns fälschlicherweise für einen Aufstieg rechts auf dem Geröll gegen die Glogghüser hin. Leider war es dann an deren Fuss nicht möglich, über die harte und steile Seitenmoräne den Schnee zu gewinnen. So mussten wir etwas heikel und steil (T5+) neben und hinter den Glogghüsern kraxeln, bis wir weit oben dann doch noch den Firn erreichen konnten. Obwohl es nicht mehr weit bis zum Wandfuss war, waren Steigeisen im harten Schnee doch vonnöten. Der Einstieg, wo wir um ca. 8.30 Uhr eintrafen, befindet sich ca. 80m rechts des grossen Winkels, und ca. 15m rechts eines kleinen angelehnten Pfeilers. Er ist nur durch eine Seilschlinge am ersten, sich in 20m Höhe über dem Schnee befindlichen BH markiert.
Nicht unerwartet klaffte zwischen dem Firn und der Felswand ein eindrücklicher Schrund. Er war ca. 2m breit und rund 30m tief, ein veritables Hindernis also. Um ca. 9.00 Uhr ging es los, zum Glück hatte ich mit

Kletterei, 1. Aufschwung
Die ersten paar Seillängen führen dann durch zwar festen und kompakten, stellenweise aber etwas von Schutt bedeckten Fels. Die Kletterei ist nicht schlecht, aber es sind keine Traumlängen - wenn man bedenkt, dass man auf den anderen Wendentouren auf dieser Höhe aber noch im Gras am kraxeln ist, ist's gar nicht übel. Graduell werden die Seillängen am 1. Aufschwung dann schwerer, die 4. und 5. sind schon ganz ordeli schön und fordern erstmals etwas, die 6. und 7. sind dann in wirklich tollem Fels mit gänzlich nichttrivialen Cruxen.
Kletterei, 2. Aufschwung
Nach der 9. SL steigt man über eine Grasrinne und tiefen Wasserrillen aus dem 1. Aufschwung aus und hat nun wirklich eine atemberaubende Aussicht auf den folgenden, extrem kompakten Routenteil, der nicht nur sehr vielversprechend aussieht, sondern dies auch voll und ganz zu halten vermag. Los geht es mit einer anspruchsvollen Wasserrillen-Seillänge (SL 10, 6b+). Diese weckt Erinnerungen an die Startlänge der "Voie de Frère", sind doch auch hier, anders als in den steilen Passagen, einige Runouts zu vergegenwärtigen. Der Erstbegeher Michel Piola muss wirklich ein hervorragender Platten- und insbesondere Wasserrillen-Kletterer sein.
Zu den schönsten Passagen der Tour zählen dann die 140 Klettermeter der 12.-14. SL. Homogen geht's im 6b-Bereich in supertollem Fels mit optimaler Reibung aufwärts, die typischen Wenden-Querschlitze dienen dabei häufig als Griffe. Nach der einfacheren und weniger schönen 15. SL nähert man sich dem Ende des 2. Aufschwungs. Der dort ansetzende, horizontale Grat wird nicht erstiegen, sondern rechts (östlich), wenige Meter unterhalb der Schneide auf Bändern umgangen. Regelmässig stecken Markierungs-BH und nach 50m wird ein Stand erreicht. Von diesem erneut nicht links auf den Kamm, sondern nach rechts querend ins Amphitheater, der Stand folgt nach 25m und ist gut von weitem sichtbar, da hier noch jemand einige museumsreife Stücke (Messerhaken, Plättli, Trittleiter) hat hängen lassen.
Kletterei, 3. Aufschwung

Tja, zwar vielleicht nicht mehr so weit, aber dafür schwer, wie es sich bald entpuppt! Der Ausstieg aus der Höhle (19. SL, 6c) ist schon steil und fordernd, und die Seillänge geht anhaltend weiter. Ein richtiges Ausdauerproblem, ähnlich wie die steilen Längen der "Voie de Frère", mit den schwierigsten Zügen zum Schluss - ich bin ganz schön froh, als ich den Stand klippen kann. In der folgenden, 20. SL (6c+), lässt mir

Die Original-Bewertung von 6c der Erstbegeher erschliesst sich mir hier nicht ganz - vielleicht wollte man potentielle Wiederholer nicht abschrecken und griff deshalb zu diesem Dumping-Grad. Es ist mit klarem Abstand die schwierigste Seillänge, und möglicherweise wäre sogar eher ein 7a als das 6c+, das wir vorschlagen, angebracht. Auf jeden Fall ist's auch klar härter wie etwa die Crux der "Voie de Frère".
Anyway, nachdem der Boulder geschafft und die nächsten paar Meter geklettert sind, geht mir nach bereits über 8 Stunden Kletterei langsam der Saft aus. Nach dem letzten BH gerate ich in eine prekäre, instabile Position und meine Finger fangen an von den Slopern zu rutschen. Im letzten Moment gelingt ein Schnapper an die letzte Rettung, einen tatsächlich etwas besseren Griff, ich kann die Füsse umsetzen und manteln, und dann im einfachen Gelände zum Stand klettern, ohne dass ich die Sicherungskette belasten muss.
Die 21. SL (6b) bietet zum Glück nur eine kurze schwere Stelle, so dass ich mich nochmals ein bisschen erholen kann, was für die folgende, 22. SL (6b+) auch nötig ist. Dieses bietet nochmals tolle, steile und griffige Kletterei - und sie bringt mich zum Schluss nochmals an die Grenze. Im überhängenden, "nur noch" 6b-Gelände gilt es, den letzten BH zu klippen. Da es etwas Seilzug gibt, resultiert beim Seil hochziehen ein Bizeps-Krampf links und rechts spüre ich, wie mir gleich die Finger aufgehen und vom Henkel rutschen.
Puh, in Extremis kann ich mich noch abfangen, bevor es zum Abgang kommt. So in Position bleiben kann ich zwar, ein Erholen durch Schütteln geht hingegen nicht mehr wirklich. Was nun? Die bisher makellose Begehung am letzten BH noch scheitern zu lassen, kann nicht sein. Nach einigen virtuellen Motivationstritten in den Allerwertesten kann ich schliesslich 3 zusätzliche Expressschlingen einhängen, so dass ich das Seil nicht über Kopf zu ziehen brauche. Schliesslich ist das Seil im Karabiner, und ich wuchte mich mit dem letzten Saft auf das Plateau oberhalb.
Ausstieg und Abseilen

Irgendwie hatte ich noch gehofft, dass wir nicht nur den Sattel, sondern sogar einen Gipfel ersteigen können. Dies ist aber im Angesicht der Zeit, der sehr brüchig, aber dennoch steil und schwierig scheinenden Felsen völlig unrealistisch. Wir treten also den weiten Weg nach unten an. Die Abseilerei verläuft eigentlich problemlos, dennoch braucht es wegen einiger flacherer Zwischenstücke etwas Zeit. Die 16. SL über die Bänder unter dem Grat müssen wir sogar abklettern, wofür Standplatzsicherung nötig ist.
Abstieg
Dann bleibt zum Schluss nur noch der Schrund.

Um 21.20 Uhr sind wir wieder auf der Wendenalp, nichts wie los nach Meiringen, so dass es dort (vor 22.00 Uhr!) noch eine Pizza und ein kühles Getränk gibt! Zu gerne stossen wir mit durstigen Kehlen an, und läck, war das eine Supertour!
Fazit
"Todo o Nada" ist anders als die anderen Wendenrouten - uns hat es mehr ans Wellhorn, oder dann auch an den Drusenfluh-Westgipfel erinnert. Nicht jeder Meter der Route ist lohnend, d.h. es sind einige einfachere, etwas schuttige Teilstücke zu klettern. Alpin orientierte Kletterer wird dies kaum zu stören vermögen. Und es gilt einfach zu sagen, dass in Anzahl und Qualität nicht weniger schöne Klettermeter warten, als in den anderen Wendenrouten auch.
Die Route wurde durchdacht und mit Sorgfalt eingerichtet. Man merkt, dass mit Michel Piola ein absoluter Erschliesser-Profi am Werk war. Ich denke, dass auch die Erstbegeher davon ausgingen, dass die Route ein Hit wird. Dies ist nicht eingetreten, Begehungen dürften nur sehr, sehr selten erfolgen. Warum dem so ist, ist mir auch nicht so ganz klar, denn am Wellhorn und der Drusenfluh tummeln sich die Kletterer...
Auf jeden Fall ist die Route gut eingerichtet: in allen steilen, athletischen Passagen stecken die BH dicht, die Absicherung entspricht dort Stufe 4 (xxxx) von 5 gemäss der Skala im Schweiz Extrem. Auf Platten und in Wasserrillen-Seillängen sind die Abstände etwas grösser, dort würde ich Stufe 3 (xxx) für richtig halten. An leichteren Stellen trifft man vielfach auf gefädelte, teils aufgebohrte Sanduhren. Deren Schlingen sind arg verrottet und sollten ersetzt werden - da an den Schlüsselstellen immer Bolts stecken, ging's für uns aber auch mit diesen ausgebleichten "Schnürsenkeln".
Wirklich fordernde, zwingende Stellen warten keine, die Anforderungen sind durchaus mit der "Voie de Frère" zu vergleichen. Nur ist die Tour halt viel länger, deshalb ist ein zügiges Klettertempo wie auch genügend Ausdauer nötig - die schwersten und steilsten Seillängen folgen erst ganz am Schluss der Tour. Etwas an alpiner Erfahrung und Spürsinn kann auch nicht schaden, mit meinem Topo sollte sich die Route nun aber gut finden lassen.
Schwierigkeits-Hitliste der Wendentouren
Zum Schluss noch die Hitliste meiner 15 in den Wenden gekletterten Touren, geordnet nach deren Anspruch, von einfach zu schwierig, mit den obligatorisch und maximal geforderten Schwierigkeiten, dem Datum meiner Begehung und einer Kurz-Charakterisierung:
1. Spasspartout (6a+, 6a obl., ***, xx, 16.8.1998)
Schöne und interessante Route - sie würde, wäre sie in einem anderen Gebiet, sicher viel mehr Aufmerksamkeit geniessen. Unten geneigte Wandkletterei, im oberen Teil schöne Wasserrillen. Die Route ist (vor allem in den einfacheren SL) nicht so gut abgesichert, wie die Kletterführer suggerieren. Selber absichern ist stellenweise möglich und gefragt.
Material: 10 Express, Klemmkeile, Camalots 0.3-2.
2. Sonnenkönig (6c, 6a+ obl., ***, xxx, 7.6.1997)
Sehr schöne und beliebte Kletterei, vielfach plattig mit einer steil-griffigen Cruxlänge. Ambiente und Ausgesetztheit bieten (nur) einen Vorgeschmack auf das, was in den Nachbartouren wartet. Die Sicherungspunkte werden 2010 ersetzt, die Absicherung in der Schlüssellänge ist prima, und auch sonst trotz einigen weiteren Abständen gut.
Material: 10 Express, Camalots 0.3-2.
Äusserst lohnender Klassiker von 1983. Nach einem Einstieg über die grosse Platte (Crux) folgt die Route einer logischen Linie von Verschneidungen. Die harte Bewertung, die oft athletische Kletterei, die wenigen fixen Sicherungspunkte (2010 ersetzt) und die Tatsache, dass viel selber abgesichert werden muss, erfordern gewisse Reserven.
Material: 12 Express, Klemmkeile, Camalots 0.3-3.
Weniger häufig begangene, aber sehr lohnende, abwechslungsreiche Wendentour. Nebst einer spektakulären, athletischen und gut gesicherten Cruxlänge meist Wandkletterei an wasserzerfressenem Fels (unten) und Knobs (oben). Auch die einfacheren SL sind echte Perlen, und erlauben mit der etwas spärlichen Absicherung kein Durchmarschieren.
Material: 10 Express, Camalots 0.3-2.
Fantastische, zugängliche Kletterei mit einer leider psychisch anspruchsvollen, knapp abgesicherten Wasserrillen-Einstiegslänge. Danach über mehrere SL griffig, athletisch und fast klettergartenmässig gesichert, bevor zuletzt nochmals einige plattigere Passagen folgen. Man lasse die letzte SL links über den Wulst nicht aus!
Material: 12 Express, Camalots 1-3 (nur für die 1. SL nötig).
6. Passion (7a, 6b obl., ****, xxx, 21.8.2010)
Völlig zu Unrecht etwas vernachlässigte, sehr schöne Steilplatten-Kletterei im linken Teil des Pfaffenhuts. Die athletischen Stellen sind weniger häufig als in den Touren weiter rechts. Die Absicherung an den schwierigen Stellen ist gut, im leichteren Gelände muss jedoch hin und wieder deutlich über die Haken gestiegen werden.
Material: 12 Express, Camalots 0.3-2.
7. Todo o Nada (6c+, 6b obl., ***, xxx, 26.8.2010)
Die etwas andere Wendenroute, im Charakter mehr dem Wellhorn ähnlich. Lang, mit 23 SL und 960 Klettermetern. Nicht jeder davon ist super, aber es gibt in Anzahl in Qualität mindestens so viele sehr lohnende Meter wie in jeder anderen Wendentour auch. Die Absicherung ist auf den Platten gut, im Steilen sogar sehr gut.
Material: 12 Express, Camalots 0.3-3, evtl. Rocks 4-9.
Tolle und abwechslungsreiche Wendentour aus der Pionierzeit (1986), die dem einfachsten Weg folgt und dadurch, wie auch durch mehrere Quergänge, mehr alpines Flair als ihre Nachbarn hat, und auch weniger athletisch ist. Die Sicherungspunkte wurden 2009 ersetzt, Bolts stecken nicht allzu häufig, sie sind aber optimal platziert.
Material: 12 Express, Camalots 0.3-2.
Traumlinie in Premium-Fels. Nach 3 Aufwärmlängen an Wasserrillen folgt knapp senkrechte, feingriffige Kletterei. Oben dann steiler und athletischer an scharfem Tropflochfels, mit 2 steilen Dächern (Crux). Die Route ist an den Schlüssenstellen üppig abgesichert. Auf den Platten auch gut, dennoch wollen diese geklettert werden.
Material: 12 Express, Camalots 0.3-1 (für die einfacheren SL zu Beginn und am Schluss).
10. Patent Ochsner (7a, 6c obl., *****, xxx, 11.9.1997)
Fantastische und direkte Kletterei zentral durch die Pfaffenhuet-Südwand. Eine der besten und beliebesten Routen an den Wenden. Nach einem plattigen Start meist griffige, anhaltende und athletische Kletterei bei guter Absicherung – nicht gerade wie im Klettergarten, aber besser wie bei vielen anderen Touren am Massiv.
Material: 10 Express, Keile und Camalots sind kaum nützlich und einsetzbar.
11. Sternschnuppe (6c+, 6c obl, *****, xx, 7.7.2010)
Absolute Weltklasse-Tour in meist hervorragendem Fels. Unten direkt durch das „graue Meer“, an den für den Pfaffenhuet typischen Löchern. Gegen oben athletischer werdend über den Steilriegel hinweg. Die Bolts stecken eher spärlich, sind aber immer genau dort wo man sie am meisten braucht. Zusätzlich abgesichert werden kann nur selten.
Material: 10 Express, Camalots 0.3-1.
12. Caminando (7a+, 6c obl., *****, xxx, 25.7.1999)
Vielleicht die Beste der Besten: lang, grosszügig, perfekter Fels. Unten noch nicht allzu steile Wandkletterei, dann 2 steil-athletische Aufschwünge (Klage- und Brötlimauer), zuletzt eine logische Linie in scharfem Fels. Die Absicherung ist gut mit perfekt gesetzten Bolts, in den einfacheren SL müssen z.T. Klemmgeräte platziert werden.
Material: 12 Express, Camalots 0.3-2.
Schöne, anspruchsvolle und kompromisslos-direkte Linie am Excalibur-Pfeiler, die zumeist steile Tropflochkletterei bietet und Ausdauer fordert. Die Stellen über 6c sind gut abgesichert, darunter ist vielfach etwas Überwindung nötig. Nicht alle BH und erst recht nicht die Stände sind logisch platziert. Selber absichern ist in der 1. SL und am Ende Pflicht.
Material: 12 Express, Camalots 0.3-2, Grössen 1 und 2 evtl. sogar doppelt.
14. Legacy (7b+, 6c obl., **, xx, 20.7.2010)
Anspruchsvolle, nicht ganz so lohnende Kletterei an steilem Gemäuer. Nebst der nicht immer überzeugenden, teilweise unnötig im Zickzack eingebohrten Linie ist auch der Fels nicht top, vielfach etwas staubig/dreckig mit mehreren etwas brüchigen Stellen. Die Stellen >=7a sind eng gesichert, darunter spärlich behakt, mit öfters heikel-gefährlichen Passagen.
Material: 12 Express, Klemmkeile 4-9, Camalots 0.3-2.
15. Painkiller (7b, 7a obl., ****, xx, 20.9.2003)
Hammerlinie mit viel Ambiente und meist Topfels durch die eindrückliche Arena des Reissend Nollen. Sehr fordernd und abwechslungsreich, mit plattigen Passagen, scharfen Tropflöchern und dem superathletischen Dach. An den steilen und schwierigen Passagen gut gesichert, in den einfacheren/plattigeren immer wieder wilde Runouts.
Material: 10 Express, Camalots 0.3-2.
Tourengänger:
mde

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