Ellbögeln um auf die Rigi.....


Publiziert von Henrik , 17. Februar 2010 um 14:28.

Region: Welt » Schweiz » Luzern
Tour Datum:16 Februar 2010
Wegpunkte:
Geo-Tags: Albiskette - Höhronen   CH-SZ   CH-UR 
Strecke:Mittagsschiff auf dem 4-Waldstättersee
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV

....sitze ich in der Bahn, ist mir das Wetter egal! In der Region ist zur Zeit Fasnacht, in Basel steht er noch bevor – ich werde frei haben am kommenden Montag, dem 22. Februar. In der Schalterhalle liegen sie aber schon seit Tagen...die Konfettis.
 
Nachdem ich mich verschlafen hatte, freue ich mich auf die bequemen Sitze im ICN, den ich nach Luzern besteige. Bevor ich Edith in Niederglatt zum Znacht besuchen gehe, steht eine kleine Rundreise an: ab Luzern mit dem Mittagsschiff nach Flüelen. Mit der Bahn über Arth-Goldau nach Wattwil, Wil, Winterthur nach Bülach.
 
Der ICN, der graue Wurm, schlängelt sich elegant durchs Baselbiet – die Sonne hat schon die ersten Tagesstunden hinter sich, Nebelbänke vor dem Hauenstein lassen vermuten, dass wahrscheinlich in Olten „eine Suppe anzutreffen sein wird“ – was sich nicht bestätigt. Kein „aha“ löst sich aus meiner Kehle. Die Weiterfahrt nach Luzern ist auch kein Grund, am Zugsfenster zu kleben – kurz hin und wieder aufblicken, na ja, es war auch schon schöner! Ich blättere in meinen Zeitungsbündeln und bleibe hängen in einer Buchrezension über den „Winter in Maine“...an den Gestaden des Sempachersees ziehen Blässhühner lange Wellenschweife hinter sich her. Graue Bootsblachen an Liegestellen sind weisslich überzuckert. Die Birken und Erlen tragen Schneereste wie Vogelfutterbällchen, die der Mensch aus Mitleid mit dem Federvieh an diese zu heften pflegt. „Winter in Maine“ – kurz vor Luzern weitet sich der Blick, doch die bekannten Gipfel sind nicht zu sehen. Um rasch aus- bzw. umzusteigen, begebe ich mich zum Zugsanfang – ich komme nicht weit: die 2. Klasse ist voll belegt und kein Durchkommen im Gang, ich bleibe im Zwischengang „hängen“ – und der Zug hält inne! Die sieben Minuten vom Gleis zur Anlegestelle werden also nur im Spurt zu schaffen sein – und genau so kommt es. Ich freue mich auf ausreichend Platz für meine langen Beine, für meine Tragtaschen, mit dem Wissen der Welt, und einen Fensterplatz über die Bugspitze hinaus – beinahe trifft mich der Schlag: das Motorschiff wirkt wie ein Bienenhäuschen. Die Tagesausflügler ellbögeln sich über die verschiedenen Decks und nirgends ein freier Platz, Rückzug ausgeschlossen – ich befinde mich mitten in der sich gondelnden Masse und frage nach dem (gemeinsamen) Ziel: die Rigi! „Wahnsinn“ denke ich mir – wie kommt der Mensch auf eine solche Idee, zu Hunderten, wenn nicht zu Tausenden einem Ziel entgegenzuhecheln, der Sonne wegen und der Rundsicht – das Servicepersonal des Motorschiffs wirkt nach Vitznau wie erschlagen und wünscht mir dann eine ruhige Weiterfahrt. Ich frage vorsichtig nach, ob ein Mittagessen denn grundsätzlich drin liegt, aber gewiss. Nach dem Aufräumen, werden wir uns um sie kümmern. Das Schiff fährt still über den Vierwaldstättersee, Buochs, Gersau – eine friedliche Stimmung nimmt mich in Beschlag, ich lehne mich zurück, das Glas Fechy rollt die Kehle hinab, es ist Dienstag.

Es beginnt aufzuklaren, die felsigen Bollwerke am Urnersee kommen in Sicht, der Nebel lichtet sich, Treib wird erreicht und der Service bestellt den „Urner-Kabistopf“. In Brunnen wird angelegt, doch nur wenige Fahrgäste steigen zu – der Schillerstein wird lautlos passiert, die Sonne glitzert vollends den See aus und am Rütli fährt das Motorschiff vorbei – niemand steigt aus oder zu, das ist sehr selten der Fall!

Der „Urner-Kabistopf“ ist eine kleine Delikatesse, wie auch die vorbeiziehende Uferlandschaft, bei der ich glaubte irgendwo im hohen Norden zu sein, Schaumkrönchen werfen sich an die Schiffseiten und an die Felsen, die hier übergangslos in die Tiefe stürzen. Gerade habe ich die Finepix in den Händen, als ich das Mythen-Double erblicke, eine Optik, die ich wohl des Nebels und Schnees wegen nie so gewahr wurde – undeutlich im Kasten abgelegt. Bauen und Isleten werden angefahren, aber es wird nicht angelegt – da keine Fahrgäste. Zwei vor eins legt es an, das Motorschiff, das sogleich wieder in See sticht. Ein eisiger Wind faucht durch Flüelen, er bringt ziemlich Wellengang und ein bestechendes Panorama gegenüber, bei Bauen und auch gegen Brunnen hin. Um die Wartezeit abzukürzen, nehme ich den IC für eine Station nach Erstfeld – hier ist es so unglaublich warm, dass ich mich meiner Arktisjacke entledige. Auf Gleis zwei wird hier in ein paar Minuten der IC nach Basel einfahren – auf dem Perron stehe ich und schaue ins gleissende Erstfeldertal, wo ich einst nicht den Mut hatte, dem Erich zu folgen....
 
Im Panoramawagen setze ich mich auf die rechte Fahrseite, nehme wieder den Blätterwald zur Hand, „Winter in Maine“ ist irgendwo verstaut, diesen Krimi müsste ich ggf. doch mal zulegen, mal sehen, die Zeit soll noch ein wenig reifen.
 
Gleis 6 in Arth-Goldau ist üblicherweise der Perron, an dem der Voralpen-Express nach Romanshorn aufbricht – die 1.-Klasse-Waggons sind seit einiger Zeit auch hier unterteilt wie bei der SBB in eine Handy-freie Zone und normale Umgebung. Meine Texte auf hikr. sind so gesehen ja auch zweifelsfrei als Plädoyers zu verstehen für leises Unterwegs-Sein, zumindesten ohne Klingelgeräusche und ausufernde Statements „...ich bin mit dem Zug xy unterwegs und dann die ganze Lebensgeschichte“!
 
Das arealgrösste Hochmoor der CH ist nicht zwingend ein Ort worüber man stolz sein kann: eine vielbefahren Achse verbindet hier den Kanton Schwyz mit dem Zürcher Seebecken. Stille wird wohl selten wahrzunehmen sein, denn die Langlaufloipe verläuft beinahe parallel zum Schienen- und Strassenstrang. Im Sommer dasselbe ohne Schnee! In Biberbrugg wird immer noch umgebaut – wer hier noch ein wenig einen Gleisrufer sich anhören will, er ist m. W. der einzigste in der Schweiz.....
 
Ich bin wieder vertieft in meine Zeitungswelt, plötzlich werde ich gewahr dass Uznach schon vorbei ist, nach dem Tunnel wird Wattwil ausgerufen, schnell noch auf die Toilette. Die S-Bahn ist voll von Tagesausflüglern, Skispitzen und Stöcke drohen mir fast ins Gesicht gestossen zu werden – da ist Längenwachstum durchaus hinderlich.
 
In Wil steige ich in den ICN, der eine sehr lange Reise vor sich hat, nach Lausanne. Im Ruhewagen gähnende Leere, 20 Minuten später dann Winterthur – Rushhour!
 
Bülach ist mein nächster Umsteigeort – die S 5 fährt zu diesen Zeiten in einer Triple-Traktion, noch ist der Zug leer. Als sich der Zug Niederglatt nähert, braust über uns hinweg ein bauchiger Flieger Richtung NW in das von mir aus gesehene Unbekannte...Es ist 17 Uhr, jetzt bin ich schon acht Stunden unterwegs. Ein SMS ans Edith, dass ich im Restaurant „Fleischli“ sitze, damit sie mich dann von hier abholen möge.
 
Es ist kalt, als wir dann der Glatt entlang spazieren – in einen gemütlichen Abend.

Tourengänger: Henrik


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