Mederger Flue (2706 m) - Überschreitung via Nordgrat


Publiziert von marmotta , 29. Januar 2010 um 02:31. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Schanfigg
Tour Datum:27 Januar 2010
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT5 - Alpine Schneeschuhtour
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1350 m
Abstieg: 1550 m
Strecke:Davos Platz - Grüenihorn - Hanengretji - Chörbsch Horn - Mederger Flue - Wangegg - Medergen - Janetsch Boden - Langwies
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Davos Platz
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Langwies

Bedeutende Persönlichkeiten machten sich an diesem Tag auf den Weg nach Davos: Bill Clinton, Nicolas Sarkozy, Josef Ackermann, Guido Westerwelle... - und 3 wackere Hikrs! Doch im Gegensatz zu all den Staats- und Regierungschefs, Spitzenmanagern, Wissenschaftlern und sonstigen VIP´s, die sich zur Eröffnung des World Economic Forums (WEF) in dem schönen Bündner Höhenkurort einfinden sollten, zog es uns schnell weg vom mondänen Veranstaltungsort des Kongresses und hinauf in die Berge, wenngleich meine beiden Begleiter ob ihrer beeindruckenden Körpergrösse leicht als Bodyguards eines der Erstgenannten hätten durchgehen können...

Der Umstand, dass wieder einmal der letzte schöne (und lawinensichere) Tag vor einer prognostizierten Schlechtwetterperiode anstand und eine am Vortag kurzfristig lancierte Anfrage bei den "üblichen Verdächtigen" führte mich mit Mittwochgänger 360 und Vielgänger Omega3 zusammen, die als Ziel die Mederger Flue zwischen Davos und Arosa ausgegeben hatten. 

Die Route zu diesem Tagesziel verlief einigermassen logisch unter Mitnahme sämtlicher am Weg liegender Gipfel und Gipfelchen und führte uns zunächst über das Grüenihorn und das (alpinistisch) unbedeutende, jedoch mit riesigem Steinmann dekorierten Hanengretji zum Chörbsch Horn (2651 m). Beim Aufstieg über die südöstlich ausgerichteten Hänge und Grate war der Schnee meist tragend, im untersten Abschnitt -als ich die Skiaufstiegsroute zum Grüeniberg über ein Bachtobel abkürzte- brach ich jedoch immer wieder bis zum Boden durch, was das Vorwärtskommen recht mühsam machte und meine (überschüssige) Energie gleich zu Beginn ins Leere verpuffen liess, bis ich dann weiter oben auf eine alte Skiaufstiegsspur traf.

Während meine beiden Begleiter vom Chörbsch Horn dann mit den Skis die schnee- und abfahrtstechnisch lohnendere Nordflanke abfuhren und damit einen grösseren Höhen- und Distanzverlust in Kauf nahmen, querte ich -etwas absteigend- die Süflanke und gelangte so ziemlich direkt zur Ostflanke der Mederger Flue, über die ich auf guter Spur in wenigen Minuten den Nordgrat und über diesen ohne Schwierigkeiten mit den Schneeschuhen den höchsten Punkt (2706 m) erreichte. Ich genoss die fantastische Aussicht und die herrliche Einsamkeit, die nur duch die regelmässigen Überwachungsflüge von Militär- und Polizeihelikoptern im Zusammenhang mit dem allgegenwärtigen WEF etwas gestört wurde. Als mir angesichts der in Gipfel- und Kammlagen doch deutlich spürbaren Bise nach einiger Zeit kalt wurde (selber schuld, was rennt er auch so die Berge hoch...) und meine Begleiter mit den Skis sich noch weit unten befanden, vertrieb ich mir die Zeit mit einer Erkundung des Nordgrats, den ich mir bereits als Abstiegsvariante in Richtung Medergen-Langwies auf der Karte ausgeguckt hatte. Soweit ich dies einsehen konnte, schien der Grat bis zu seiner Gabelung, wo ein Ausläufer namens "Wangegg" nach Nordwesten abzweigt, gut begehbar zu sein - ob dann allerdings von dort ein Abstieg nach Nordwesten effektiv auch im Winter möglich sein würde? Ich liess mich überraschen...

Als meine Tourenpartner den Vorgipfel (2674 m) der Mederger Flue erreichten, begutachteten wir gemeinsam das Nordwestcouloir, das bereits einige Abfahrtsspuren aufwies. Sie entschieden, die Abfahrt zur Mederger Alp über dieses markante Couloir (übrigens nur eines von mehreren möglichen) zu probieren, das bei direkter Einfahrt auf den ersten Metern knapp 45° steil sein dürfte, sich aber schnell zurücklegt und  nach Passieren einiger Felsen weitet und mit einer Hangneigung zwischen 35° und 40° einen Abfahrtsgenuss par excellence versprach. Wir vereinbarten, uns nach ihrer Gipfelbesteigung und Abfahrt in der Alpsiedlung "Medergen" wieder zu treffen, wo ich auf die Beiden warten wollte - denn ich ging davon aus, vor ihnen unten zu sein, da die Beiden ja erst auf den Gipfel steigen und dort eine ausgiebige Pause machen wollten. Doch ich hatte die Rechnung ohne den Wirt, respektive den Grat gemacht, den ich nun der ganzen Länge nach Norden überschreiten wollte, um dann -falls möglich- auf dessen Nordwestausläufer (Wangegg) abzusteigen. Das Nordwestcouloir lockte mich als Schneeschuhläufer nicht übermässig, ich hielt es mir allenfalls als Notabstieg offen, falls der Abstieg über den Nordgrat und dessen Nordwestausläufer wider Erwarten nicht funktionieren sollte. 

Im SAC-(Sommer-)Führer "Bündner Alpen 1" bewertet Manfred Hunziker die Schwierigkeit der Route über den Nordgrat und dessen Nordwestausläufer mit "L" (aber was heisst das schon im Winter, die Chammhaldenroute am Säntis oder die Route auf das Chli Zanaihorn sind z.B. auch ein "L") und schreibt von "einigen Kletterschritten", die am Übergang vom Nord- in den Nordwestgrat zu bewältigen seien. Bis zur Gabelung des Grats ging´s ganz passabel, einige Gratzacken konnte ich -teilweise etwas mühsam- in der steilen Ostflanke- umgehen, andere überkletterte ich ziemlich luftig (ohne Schneeschuhe). Am Gratkopf, der den Gabelpunkt markiert, musste ich dann aber doch noch die Steigeisen aus den Tiefen meines Rucksacks herauskramen, da mir die Querung der Nordabbrüche um den Gratkopf herum nur in den Bergschuhen doch nicht ganz geheuer war. Auf dem stark verwächteten Nordwestgrat angekommen, wechselte ich dann sofort wieder auf die Schneeschuhe, nachdem ich in einem Triebschneeloch neben den Felsen bis über den Bauch (!) im Schnee versunken war. Angesichts der Verhältnisse, die ein Vorwärtskommen auf diesem Gratausläufer äusserst mühsam erschienen liessen, stach ich nun direkt über die ab hier felsfreie, aber sehr steile (>40°) Flanke hinunter zur Mederger Alp und weiter zu den Alphütten, wo meine beiden Kameraden bereits feixend in der Sonne sassen und sich an einer feinen Jause labten. Den letzten Abschnitt nahmen wir dann wieder gemeinsam unter die Schneeschuhe bzw. Skis und landeten nach einer kurzen Abfahrt über offenes Gelände bzw. lichten Wald alsbald auf dem harten und stellenweise völlig vereisten Waldweg durch den Bodmer Wald, auf dem wir -mehr schlecht als recht und zur Schonung unseres "Verbrauchsmaterials" teilweise zu Fuss- zur Strasse zwischen Sunnenrüti und Langwies abstiegen. Jetzt weiss ich auch, warum dies lt. Skitourenführer eine "S-Tour" ist ;-)-  dieser Abstieg war unter den gegebenen Umständen regelrecht gefährlich und alles andere als ein Genuss. Möglicherweise ist hier der Abstieg von Medergen über Tschuggen und die Schlittelbahn nach Langwies vorzuziehen. Kaum waren wir am kleinen Bahnhof unterhalb des Dorfs angekommen, bog auch schon die Loki der Rhätischen Bahn um die Kurve hinter dem eindrücklichen Viadukt über der Plessur. Das nenn ich Timing!

Omega3 und 360, es war eine tolle Tour mit Euch, die mir viel Spass gemacht hat - gerne wieder einmal!

 

Tourengänger: Omega3, 360, marmotta
Communities: ÖV Touren


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