Immer geradeaus


Publiziert von rojosuiza , 29. April 2025 um 20:56.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:13 April 2025
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Abstieg: 600 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Göschenen SBB
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Erstfeld SBB

Man hat sie Dutzende Male 'erfahren', die Gotthard-Strecke. Es geht immer nur geradeaus, trotz aller Kehrtunnels. Erst beim Erwandern der Strecke erfährt man wirklich, wie einem mitgespielt wird. Oben Eisenbahn, in der Mitte Eisenbahn und unten Eisenbahn. Der Zug, der nach unten zu fahren scheint, er fährt nach oben; der Zug, der nach oben zu fahren scheint, er fährt nach unten… Das verwirrt ein einfaches Gemüt.
 
Die Wanderung steht unter einem schlechten Stern: drüben im Tessin nieselt es doch schon den ganzen Morgen. Noch ist es zwar trocken hier, aber wie lange hält das? 
 
Was ist das dort vorn? – Schon ist die Wanderung im Eimer, sie wird mir von der Obrigkeit kurzerhand verboten. Der Wanderweg ist gesperrt! Das hört ein rojosuiza gar nicht gern. Schon marschiert er los, auf verbotenen Wegen… Lawinen drohen mir, man hüte sich vor ungezügelt stromernden Zügen, Wetter dräuen und zahlreiches wildes Getier wird sich wohl auch herumtreiben…
 
Vielleicht haben sie die Brücken abgebaut? – In meiner Kindheit hat mein Grossmutter gespottet, an meinem Wohnort Kradolf würde man nachts den Bahnhof hereinnehmen… Hat man hier die Brücken hereingenommen? Der Beschluss des Wanderhelden steht fest: alle Warnungen schlägt man in den Wind, wandert los, und folgt der Route, die man sich vorgenommen hat, von Göschenen immer hinab das Reusstal, immer der Bahn folgend, bis zum nächsten Bahnhof, wo man wieder einen Zug zurück nehmen kann. Sollte sich mir auf dem Wanderweg etwas in den Weg stellen, könnte man immer noch auf die Landstrasse ausweichen, und so trotzdem ans Ziel gelangen. – Die Tatsache, dass ich jetzt diesen Bericht schreibe, zeigt, dass ich allen alpinen Gefahren erfolgreich entronnen bin.

Tatsächlich, schon fehlt die erste Brücke! Das Wasser schiesst in einer gemauerten Rinne auf mich zu, wie gemacht, ein kriminelles Wandererlein wegzuschleudern. Doch ganz kurz vor der imaginären Brücke – imaginär, da sie nur vor meinem geistigen Auge erscheint! – endet die krasse Rinne und ein natürliches, steiniges Bachbett beginnt. Vorsichtig schleicht rojosuiza sich an. Ja, er gibt es zu: die Kamera muss aus der Hand und in den Rucksack. Die Hände frei, wenn man sie braucht, die Arme, um wild zu rudern, damit man nur ja das Gleichgewicht hält. Schon hüpft das Knäblein über  Stock und Stein, schon ist es drüben.

Bei der zweiten imaginären Brücke geht es gleich… nur das nach vollbrachter Heldentat der Weg weiter vorne halb versperrt ist. Mitten auf dem Pfad liegt ein metallener Steg! - Man hat die Brücke kurzerhand abgehoben und sie mir hier in den Weg gelegt – genau wie die Grossmutter gesagt hat...
 
rojosuiza trifft auf viele Bahnhöfe, in denen der Zug nicht mehr halten will. Er bewundert alte Stellwerke, wo der Tages-Kalender nicht mehr nachgeführt wird. Die Zeit hat die Station einfach umgangen. Es fährt immer mal wieder höhnisch eine Südostbahn vorüber, auf der heutigen Lokalstrecke, die früher einmal eine Weltklasse-Verbindung gewesen ist.  Lokal ist sie geworden, aber wirklich lokal trotzdem nicht, man ist immerhin ein Schnellzug. Ja, und so ist die Bahn zwar überall anwesend: oben, in der Mitte und unten. Gleichzeitig aber ist sie weit weg.
 
Es gibt erstaunlich viel zu sehen, wenn man nicht einfach durchrauscht, sondern gemächlich hindurchfusselt. Tatsächlich begreift man die Landschaft besser, und die tausend Verkehrswege aller Zeiten und Klassen, die sich durchs Tal schlängeln und manchmal auch drängeln.
 
Nach dem Cappuccino in Amsteg, den man selbstvergessen auf Italienisch bestellt (logiert man doch in Lugano im Albergo degli Alpi), geht’s im milderen Tal bis zum allerersten Bahnhof, wo ein Zug gewillt ist, Halt zu machen. Ab Erstfeld ist es dann Fahren: es geht immer geradeaus, obwohl der Meister gerade etwas ganz anders gelernt hat…
 
Die Bildunterschriften erzählen den Rest der Wanderung an der Gotthardbahn. Es werden dem werten Publikum auch einige Fragen gestellt, um Antwort wird gebeten...

Tourengänger: rojosuiza


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