Gottardo Nord
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Führen soll mich der «Gottardo-Wanderweg». Der wurde im letzten Frühling zum 125-Jahr-Jubiläum der Gotthardbahn «erstellt». Ganz neu ist die Route nicht: Schon beim Auszug aus Erstfeld merke ich, dass die Strecke weitgehend normalen Wanderwegen folgt. Allerdings wurde sie mit rund vierzig Hinweistafeln gepimpt, die doch mehr als weniger Interessantes über Geografie, Kultur, Geschichte und Ingenieurskunst erzählen. Nachdem ich zuerst der hier unten stillen Reuss folge, zweigt der Weg bei Silenen dann plötzlich ab: Selbstverständlich besucht die Route auch alle (mittlerweile nicht mehr durchgängig bedienten) Bahnhöfe der Gotthardstrecke.
Dann die erste Überraschung: Der Weg führt in die Höhe, und während ich noch glaube, dies geschehe nur, damit man einen prima Blick auf den «Zwischenangriff Amsteg» (hier wird ebenfalls an der NEAT gebohrt) werfen kann, entdecke ich die Ruine der Zwing Uri. Die liegt gerade mal fünfzig Meter neben den Bahngeleisen, doch gesehen oder gar beachtet habe ich dieses Stück Schweizer Geschichte bislang kaum. Und dass im Fels darunter im Zweiten Weltkrieg der Bundesratsbunker auf den Notfall wartete, war mir erst recht nicht bewusst.
Ich steige vom Hügel runter, passiere Amsteg, dann geht der Weg steil in den Berg. Das Tal wird nun enger, Bahn, Autos und Wanderer kommen sich näher. Ziemlich lang folge ich nun der Autobahn, Züge donnern weit weg von mir den Berg hoch. Nach dem Seckenviadukt überquere ich die Reuss. Ein Highlight: Raffinierte Brückenkonstruktionen lassen einen Hauch Abenteuer aufkommen, Kindern bietet dieser Streckenabschnitt wohl richtige Action (für mich kommt sie kurz danach: Ich klemme mir bei einem Gattertor den Daumen ein).
Dann Gurtnellen. Ich lerne: Gurtnellen ist gar nicht Gurtnellen. Gurtnellen liegt im Berg oben, der Bahnhof selber gehört zu Gurtnellen-Weiler. Als die Gotthardbahn noch einspurig war, kreuzten hier, in der Mitte zwischen Erstfeld und Göschenen die Züge. Hier war einst also ein Herzstück der Strecke, heute aber ist der Schalter geschlossen.
Ich laufe weiter und werde plötzlich überrascht: Innert kurzer Zeit rauschen - einmal links, einmal rechts - zwei Züge der DB an mir vorbei. Dann merke ich: Das ist die gleiche Komposition - ich habe eben das erste Kehrtunnel passiert!
Bereits sehe ich in der Ferne die Kirche von Wassen. Ich passiere den schönen Stausee Pfaffensprung und steige nach oben - die letzten Meter nach Wassen dünken mich unglaublich steil. Doch ich will noch höher hinaus, zur hoch oben thronenden Kirche. Endlich will ich einmal einen Blick in das Wassen-Kirchlein werfen und das Innere fotografieren. Da gerade der Sigrist am Arbeiten ist, frage ich, ob ich hier ein Bild machen dürfe. Immerhin sei dies ja die bekannteste Kirche der Schweiz. «Der Schweiz? Das ist doch die bekannteste Kirche der Welt!», entgegnet er und lacht ein breites Innerschweizer Lachen.
Vom Bahnhof führt mich der Weg hinunter zur Reuss, dann gehts wieder hoch. Plötzlich stehe ich vor einem mit Schnee bedeckten Bach, über den keine Brücke führt. Später werde ich im Internet nachlesen, dass der Weg ab Wassen noch nicht begehbar sei... Das weiss ich nun aber nicht, und so springe ich kurzerhand über den Bach.
Von Zügen ist nun nichts mehr zu sehen, statt dessen laufe ich der Autobahn entlang, darauf folgt ein schönes Stück durch den Wald. Erst gegen den Schluss der Wanderung steige ich nochmals hoch und laufe die letzten ein, zwei Kilometer direkt an den Gleisen entlang.
Kurz darauf bin ich am Bahnhof Göschenen und blicke ich in die Öffnung des Gotthard-Tunnels. Geschafft!
Info: Dieser schöne Wanderweg hat sogar eine eigene Website: http://www.gottardo-wanderweg.ch
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