Punkt 2299m - Grenzgänger


Publiziert von georgb , 16. Januar 2025 um 12:28.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum:15 Januar 2025
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 950 m
Abstieg: 950 m

Durch Zufall bin ich einst auf die Geschichte der Grenze zwischen dem Habsburger Imperium und der Republik Venedig gestoßen. Seitdem lässt mich die Jahreszahl 1753 nicht mehr los, immer wieder finde ich Hinweise und Beschreibungen der Ereignisse aus dieser Zeit, zum Beispiel hier, hier oder hier.
Man hat damals den Verlauf mit Grenzsteinen markiert und einen davon habe ich vor kurzem im Popenatal aus der Ferne entdeckt. Er lässt mich nicht mehr ruhen, heute muss ich nochmal hin und mich auf die Suche nach einem Zustieg machen.
Ich starte in Misurina und es zieht mich zuerst zum Passe delle Pale, so werde ich heute nebenbei die Pale di Misurina umrunden. Vom Passo zieht ein markierter Steig ohne großen Höhenverlust unter den Steilwänden ins Popenatal und zu meinem Tagesziel, dem Grenzstein Nr 16.
In der Nordflanke hat es einiges an Schnee angetrieben, trotzdem komme ich auch in dem teilweise tiefen Geläuf gut voran. Im Popenatal nutze ich kurz eine Schneeschuhspur, dann bin ich wieder auf mich alleine gestellt und folge dem markierten Steig Richtung Corno d´Angolo. Von dem Steig ist allerdings so gut wie nichts zu erkennen, der Wind hat ihn mit Schnee zugeweht, und es wird ein wenig mühsam. Stellenweise trägt die harte Schneedecke, aber meist sinke ich ein, Schneeschuhe wären wohl kein Fehler gewesen!?
Der Aufwand hält sich trotzdem in Grenzen, es sind nur wenige Höhenmeter bis ich unter einem markanten, schon aus der Ferne erkennbaren Felszahn stehe. Der Grenzstein ist auch schon beinahe in Reichweite, irgendwie werde ich wohl hinkommen!? Zunächst lockt mich ein Steinmann auf eine Erhebung auf 2299m und von dort folge ich dem Kamm nach Nordosten, dem magischen Stein von 1753 entgegen.
Ich stelle mir die Szenerie vor beinahe 300 Jahren vor, ein ganzer Trupp von Ingenieuren beider Lager, Steinmetze und jede Menge Träger waren hier unterwegs. Sie haben vermessen, vermutlich diskutiert, Steine aus dem Fels geschlagen, Daten eingraviert und die Steine aufgestellt, ein enormer Einsatz, ohne moderne technische Hilfsmittel.
Kurz vor "meinem" Stein Nr. 16 wartet eine Überraschung, nur 20 Meter Luftlinie noch und ich stehe vor einem unüberwindbaren Absatz, der Stein ist auf direkter Linie nicht erreichbar, zefix. Ich ziehe mich zurück und suche nach einem anderen Zustieg. Ich wate ein Stück unter den Felswänden talauswärts bis zu einer markanten Rinne, dort müsste es machbar sein!?
Tatsächlich bietet die Rinne einen Aufstieg (Stellen I+) zum Grenzstein, ob die Aufsteller damals hier heraufgekrochen sind, ist allerdings mehr als fraglich. Ich bin magisch berührt, der alte Stein steht vor mir und wieder kommen die Bilder, wie sie damals hier vermessen und gemeißelt haben, Venezianer und Habsburger gemeinsam.
Ein Stück schweife ich nach Norden, vermutlich gibt es von hier einen leichteren Zustieg, direkt vom Rifugio Popena aus geht es aber nicht! Mir ist nicht mehr nach Abenteuer zumute, lieber drehe ich um und stürze mich in meine Aufstiegsrinne, wenigstens kenne ich sie. Mit der nötigen Umsicht steige ich ab und folge meiner alten Spur durch den Schnee talauswärts und hinauf bis zur Ruine des Rifugio Popéna.
Der Rest ist bekannt, zum drittenmal innerhalb kurzer Zeit steige ich auf der 224 nach Misurina ab, den Spuren nach war in den letzten Wochen außer mir und den Gamsböcken kein Lebewesen hier unterwegs. Natürlich treffen wir uns auch heute, sie schauen nur gelangweilt zu mir herab "Du schon wieder!?" Ich sage Servus und trabe auf meinen alten Spuren hinab zum Misurinasee. "Chiuso per turno!" steht an meinem Stammlokal, was auch immer das bedeuten mag!? Das birra non filtrata fällt aus, aber nach dem "turno" komme ich vermutlich bald mal wieder über die Grenze ins Belluno ;-)

Tourengänger: georgb


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