Gelungener Saisonabschluss im Zentralkarwendel auf der Rosslochspitze


Publiziert von TobiasG , 31. Oktober 2024 um 14:24.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:30 Oktober 2024
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:um die 50 km, davon der Großteil per Bike
Zufahrt zum Ausgangspunkt:kostenloser Parkplatz an der B2 vor Scharnitz
Kartennummer:AV-Karte 5/2

Tom hatte mich glücklicherweise darauf hingewiesen, dass die alberne Fahrradsperre im Hinterautal kurz bevorsteht. Wetter und Bedingungen sind gerade top, sodass kaum von einer freien Entscheidung gesprochen werden kann. Auf die Rosslochspitze wollte ich eh nochmal, da es wirklich eine geniale Tour ist und ich mir in der Gegend paar Sachen anschauen wollte (dazu noch später).
 
Zur Tour gibt es eigentlich nicht mehr viel zu sagen, s. dazu meinen Bericht vom letzten Jahr. Im fortgeschrittenen Herbst ist es im Rossloch relativ schattig, was bei der Kleidungswahl bedacht werden sollte. Erst kurz unterhalb des Westgrats kam ich das erste Mal in die Sonne, dieser kann dann aber in angenehmer Wärme begangen werden. Die Quelle auf Höhe des Abzweigs zur Laliderer Spitze ist trotz der neuen Schneefelder versiegt, sodass unten das letzte Wasser zu holen ist.
 
Der Westgrat ist wirklich ein klettertechnisches Highligt im mir bekannten Karwendel, gutgriffiger Fels und eine tolle Linie direkt am Grat. Die Schlüsselstelle wollte ich mir auch nochmal ansehen und ggf. von einer III- nach unten korrigieren. Habe mich aber dazu entschieden, dies nicht zu tun, da es schon etwas kniffliger und unübersichtlich ist. Es ist auch etwas brüchig, was allerdings relativ zum Westgrat und weniger im Vergleich zu „klassischen“ Touren in der Ecke zu verstehen ist. Kann man aber mit einem etwas unangenehmeren IIer umgehen, auch wenn ich das noch nicht gemacht habe. An sich führt der Normalweg ein paar Mal in die Flanken, die Kletterei direkt an der Kante ist aber teils sehr lohnend, wenn man in dem Gelände sicher ist. Man sollte entweder einen unteren IIIer klettern können, oder kein Problem damit haben, in etwas ausgesetzteren und brösligen Flanken rumzuturnen.
 
Am Gipfel dann eine ausgedehnte Pause und – wie es sich für mich eingebürgert hat – zum Saisonabschluss ein Kapitel aus der Karwendelbibel des Meisters höchst selbst. An dieser Stelle eine, für diese Seite eher ungewöhnliche Rubrik, ein Buchtipp: „Aus den nördlichen Kalkalpen“ von Herrmann von Barth ist eine großartige Lektüre, die ich wirklich jedem empfehle, der im Wetterstein, Berchtesgaden, dem Allgäu und ganz besonders dem Karwendel unterwegs ist (kann auch zuhause gelesen werden). Der Mann war ein echter Pionier, der gerade im Karwendel und Wetterstein eine Reihe von Gipfeln auf teils echt wilden Routen erstbestiegen hat. Die Erzählungen von ausgewählten Touren sind hervorragend geschrieben und man fühlt sich beim Lesen wirklich, als würde man mit Alpenstange, (Steig)Eisen und unförmigem 15+ kg Rucksack mit einer Weinflasche als Wasservorrat mit ihm durch die damals noch fast unberührten und uns heute oft vertrauten Berglandschaften ziehen. Beeindruckend, wie detailgenau er seine Touren in Text und Profilen festgehalten hat. Er wäre heute sicher ein großartiger Hikr-Autor! Leider werden seine Bücher eher als Antiquitäten gehandelt, die Beschaffung ist daher leider nicht ganz so leicht aber in jedem Fall lohnend.
 
Die Rosslochspitze hat er am 17.08.1870 erstbestiegen, zwei Tage nachdem er im August (!) einen Schneesturm auf der Kaltwasserkar erwischt hat. Um diese Tage herum, hat der Gute quasi alle Gipfel des Rosslochs bestiegen, die Rosslochspitze selbst findet dabei keine wörtliche Erwähnung, es ist wohl eine der „seltsam geformten Zinnen, viertausend Fuss über dem Laliderer Thale“. Eine ausdrückliche Erwähnung war ihm dafür die nördliche Sonnenspitze, „der trotzige Wächter von Ladiz“ wert, die er ebenfalls im August 1870 erstbestieg und ein echter Blickfang im Rossloch ist. Mit Tourenbeschreibung ist das ja schon ne anspruchsvolle Tour aber ohne jegliche Informationen da raufzukommen, verlangt mir höchsten Respekt ab. Das war definitiv eines meiner persönlichen Highlights dieser Saison, auf die ich heute nochmal andächtig zurückblicke.
 
Da abends noch soziale Verpflichtungen warten, muss der Abstieg heute eher schnell gehen. Der Weg ins Rossloch ist übrigens neu geschottert worden, nachdem er bei Regenfällen stark erodiert ist. Selbst als Nicht-Mountainbiker bin ich heute ohne Absteigen ganz runtergekommen. Rauf ist´s wegen des kleinsplittrigen Kieses allerdings recht mühsam. Ein letztes Mal für dieses Jahr spüre ich den Fahrtwind im Gesicht, während ich unter dem Karwendelhauptkamm in Richtung Parkplatz rolle. Der Gegenanstieg erinnert noch einmal daran: im Karwendel gibt’s nichts geschenkt! Aber dann gibt es mich frei und im Auto denke ich schon darüber nach, was ich nächstes Jahr alles machen möchte.
 
Apropos: Beim Blick auf die Karte auf der Suche nach Projekten ist mir die Idee gekommen, eine zweitägige Rosslochumrahmung zu machen: Aufstieg über die südliche Sonnenspitze, über den Grat auf die nördliche und unter Mitnahme möglichst vieler Spitzen rüber zum Laliderer Biwak (Tag 1). Am nächsten Tag dann über Dreizinken-, Grubenkar- und Rosslochspitze auf die Hochkanzel und dann über Gamskar-, Halleranger und Sunntigerspitze zum Reps und über das Hallerangerhaus wieder runter.
 
Den Nordgrat auf die Rosslochspitze hab ich mir heut mal von oben angeschaut. Im AV-Führer ist der mit IV angegeben, es schien mir hier aber wohl auch leichtere Optionen zu geben, wenn auch in einer sehr unangenehm aussehenden Flanke. Als „dunkle Flecken“ verbleiben außerdem der Nordgrat auf die Hochkanzel und die Überschreitung der Hallerangerspitzen, wobei es zu letzteren einen Bericht im Internet gibt, der AV-Führer gibt beide mit III an.
 
Hat jemand hier diese Runde bereits so gemacht oder kann mir was zu den drei beschriebenen Wegabschnitten sagen? Da wäre ich sehr interessiert!
 
Außerdem viele Grüße an die zwei Jungs, die ich heut zu meiner Überraschung ebenfalls auf dem Weg zur Rosslochspitze, ausgerüstet mit meinem Bericht, getroffen habe!
 
Ansonsten wünsche ich allen noch einen schönen und unfallfreien Restherbst!

Tourengänger: TobiasG


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Kommentare (11)


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Wagemut hat gesagt: Rosslochumrahmung
Gesendet am 31. Oktober 2024 um 20:12
Servus Tobias,

die Rosslochumrahmung wie Du sie oben beschrieben hast, will ich schon länger machen. Von der Südl Sonnenspitze bis zum Lalidererbiwak hab ich es schon geschafft, aber dann hat es wegen dem Wetter und körperlicher Beschwerden nicht geklappt, weiterzugehen. Die einzelnen Abschnitte kenn ich alle. Der Nordgrat der Rosslochspitze ist kein IVer, max. ein IIIer und ziemlich kurz. Am heikelsten ist es der Nordgrat auf die Hochkanzel. Aus der tiefen Scharte zwischen den zwei Gipfeln bin ich bei meiner Begehung relativ weit nach Osten abgeklettert ,über ein Band in der Ostflanke weiter und dann über plattigen Fels zurück zum Grat. Über den Grat dann mit wenigen IIIer Stellen und nicht mehr so bröselig zum Gipfel.

Wagemut hat gesagt:
Gesendet am 31. Oktober 2024 um 20:16
hier der Link zu meinem Umrahmungsversuch:

https://www.hikr.org/tour/post134868.html

TobiasG hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. November 2024 um 09:57
Hallo Wagemut,

vielen Dank für die Infos, deinen Bericht hab ich auch schon gelesen. Den Abstieg von der Sonnenspitze muss ich mir davor auch mal anschauen, der klingt schon etwas schärfer, wobei der sich ja ggf mit Seil entschärfen lassen würde.

Aber dann lag ich da mit meinem Bauchgefühl bzgl der Rosslochspitze wohl richtig, hat mich schon etwas gewundert, ob das wirklich so schwer sein kann.
Den Weg zur Hochkanzel muss ich auf jeden Fall mal als Erkundungstour machen aber das dürfte für sich gesehen auch ne spannende Tour sein. Aber die einzelnen Abschnitte dann zusammenzufügen, wäre auf jeden Fall ne geniale Runde!

Ps: vielen Dank für die vielen Berichte, sind echt spannede Sachen dabei - gerade die Hauptkammüberschreitung. Hut ab, die würd ich auch gern irgendwann machen aber da muss ich erst noch paar Abschnitte auskundschaften, bevor ich mich da ernsthaft ranwage!

Grüße Tobi

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. November 2024 um 08:39
Servus Tobi,

einst gab es einen Bericht von bula_f und mir zur Rosslochspitze und zum Übergang (Nordgrat) zur Hochkanzel. Aber leider ist bula_f nicht mehr auf hikr.org und somit fehlt jetzt auch der Bericht.

Welche Abschnitte der Hauptkammüberschreitung sind noch unbekannt? :-)

Viele Grüße,

Wagemut

Vielhygler hat gesagt: Zu H. v. Barth
Gesendet am 2. November 2024 um 12:35
Zur Beschaffbarkeit von "Aus den Nördlichen Kalkalpen" von Hermann v. Barth: es gab ein Faksimile-Reprint aus 2008 von der Fines Mundi GmbH in Saarbrücken. Mit allen von H. v. Barth gezeichneten Karten. Vorlage stammte aus der Bibliothek des AV.

IBN 978-3-937246-06-2 ist wohl inzwischen vergriffen, müsste aber antiquarisch leicht zu beschaffen sein, etwa über ZVAB o.a.

Sehr lesenswert - auch in literarischer Hinsicht!

VG Andreas

TobiasG hat gesagt: RE:Zu H. v. Barth
Gesendet am 2. November 2024 um 14:22
Hallo Andreas,
sehr guter Hinweis. Ich bin beim Lesen immer wieder begeistert, gerade wenn man die eigenen Erfahrungen mit seinen Berichten vergleicht.

Hab mein Exemplar mal bei Ebay zu nem ganz vertretbaren Preis bekommen. Ggf einfach bisschen Geduld, bis es mal ein nettes Angebot gibt.

Viele Grüße
Tobi

stefanl78 hat gesagt: RE:Zu H. v. Barth
Gesendet am 4. März 2025 um 16:54
Das Buch gibt es kostenfrei zum Download in digitaler Version: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11183883?page=1

TobiasG hat gesagt: RE:Zu H. v. Barth
Gesendet am 11. März 2025 um 19:17
Danke für den Hinweis, schön dass dieses Buch so weiter zugänglich bleibt, auch wenn es nicht genug Käufer gibt, dass sich eine Neuauflage lohnt!

TobiasG hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. November 2024 um 14:19
Ja, da bin ich schon ein, zwei Mal auf "leergehende" Links gestoßen. Sehr schade, der Bericht hätte mich durchaus interessiert aber so hab ich ja auch mal einen kleinen Anhaltspunkt.

Was den Hauptkamm angeht, fehlt mir schon noch einiges, u.a. alles östlich der Grubenkar und westlich noch ein, zwei Übergänge. Wollte im Herbst eigentlich Spritzkar, Eiskarl und Hochglück machen aber dann hats leider geschneit.
Ich hatte das Projekt dank deines Berichts schon sehr früh im Blick, da erschien es mir noch völlig unmöglich. Mittlerweile hab ich dann doch schon paar Sachen gesehen und es wirkt immer machbarer, wobei es auch einfach ein tolles Gefühl ist, die kleinen Lücken nach und nach zu schließen.

Werd vermutlich die Tage noch mit Stefan (Herr_Hase) nen Versuch auf die Falkenar-Umrahmung starten, die habens mir auch sehr angetan.

Viele Grüße
Tobi

Tom1 hat gesagt: Fahradverbot
Gesendet am 2. November 2024 um 12:59
Der Sinn der von Dir erwähnten Fahrradsperre (Verbot des Befahrens mit Fahrrädern) ab 1.11. erschließt sich mir sowieso nicht.

TobiasG hat gesagt: RE:Fahradverbot
Gesendet am 2. November 2024 um 14:24
Hallo Tom,

ist mir auch nicht wirklich nachvollziehbar, was da die tragenden Erwägungen sind. Vermutlich Wildschutz oder irgendein fehlgeleitetes Verständnis von rechtlicher Verantwortlichkeit für Unfälle aber ist schon schade, wenn noch so tolle Bedingungen sind, wie gerade!


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