Venediger Höhenweg 4/4 Großvenediger bei Föhnsturm bis 5 m untern Grat


Publiziert von jagawirtha , 21. September 2024 um 13:40.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum: 5 September 2024
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 720 m
Abstieg: 1550 m
Strecke:13 km

Vorwort: Für mich als Solotourengeher sind Gletschertouren zu gefährlich. Deshalb greife ich bei extremen Gletschertouren auf die Erfahrung von Bergführern zurück. In einer Gruppe wie beim DAV – Summit – Club ist alles organisiert und noch bezahlbar. Außerdem war speziell dieses Programm für mich optimal, weil ich in diesem Jahr nur in Höhen von weit unter 2500 m unterwegs war. Trotzdem sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es einen gewissen Gruppenzwang gibt, wie die Pausen, das Tempo, die Lust zu Fotografieren usw.  Bei unserer Gruppe war alles im Einklang und ziemlich entspannt. bis auf eine "kleine" Sache. Einer der Teilnehmer hatte auf seine Handschuhe verzichtet oder war der Meinung diese wegen der warmen Witterung nicht zu brauchen. Das wurde aber erst am Gletscher gebeichtet und hätte beinahe unseren Aufstieg gefährdet.

Heute wäre der große Tag mit der Besteigung des Großvenedigers (GV), nur hatte es die ganze Nacht starken Wind und morgens war die Wolkendecke fast in Höhe des Defreggerhauses. Frühstück war  schon um 6 Uhr und Start der Tour gleich anschließend gegen 6.45 Uhr. Beim Abmarsch hatten wir zwei Grad  auf dem Thermometer. Das angekündigte Schönwetterfenster hatte sich nicht eingestellt, dafür ist das Genua - Tief bereits am Hauptkamm angekommen. Noch ist es trocken.
 
Nach 10 Min. Aufstieg dürfen wir schon einen Blick zum Inneren Mullwitzkees genießen. Was mir aufgefallen war, die vielen sichtbaren Spalten. Im Inneren hatte ich mich schon darauf eingestellt, dass es irgendwann einen Abbruch der Tour gibt, denn die Böen wurden nicht leichter sondern stärker und die Wolken drückten immer weiter nach unten. Als wir an der Stelle ankommen, wo zum Anseilpunkt abgestiegen wird, dachte ich schon das war´s, aber wir steigen über die seilgesicherte Wand (10 – 15m) ab. Unten schlüpfen wir in die Steigeisen und klicken uns am Seil des Bergführers ein.
 
Der Zustieg zum Gletscher erfolgt kurz danach. Mit der Begehung des Gletschers hatten wir ständig Spalten vor, neben und unter uns. Am Anfang waren verhältnismäßig gute Bedingungen am Gletscher, Blankeis und eine erkennbare Spur.  Der Wind legt nochmals zu und es fallen immer wieder ein paar Regentropfen. Auf stabilen Eis machen wir nach einer guten Stunde eine kleine Trinkpause. Die Sichtverhältnisse werden immer schlechter, aber aus der Gruppe gibt es kein Murren.
 
Teils gehen wir schon über stark unterhöhlte Schneebrücken um die Spalten zu überwinden. Auf Höhe des Rainertörls haben wir Föhnsturm mit angekündigten 80 km/h, für einen sicheren Stand benötigen wir jetzt Hände und Füße und trotzdem wurde jeder mal von einer Böe aus der Spur geworfen. Der Wegweiser liegt auf Blankeis und ist nur noch eine Orientierung dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ohne GPS-Unterstützung und Rupert, unserem Bergführer, wären wir aufgeschmissen gewesen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass wir abbrechen oder ein Ersatzziel wie das Hohe Aderl oder Rainerhorn ansteuern. Da hatte ich mich aber getäuscht.
 
Das Gehen mit den Steigeisen im aufgeweichten Firn ist anstrengend und mühsam. Trotz Regen, Graupelschauer und extremen Windböen kämpfen wir weiter. Irgendwann kam dann von hinten ein starker Zug aufs Seil,  die Gruppe stand und hatte sich für einen Abbruch entschieden. Als Rupert die Zahl der fehlenden Höhenmeter zum Gipfel in die Gruppe (von Mann zu Frau usw.) weiter gab, änderte sich die Stimmung schnell. 30 hm fehlten uns noch zum Gipfel. Das schaffen wir noch war die einstimmige Meinung. Nochmals setzten wir uns in Bewegung und kämpften uns bis fünf Meter unter die Gratkante des Schneegipfels. Dort war dann aber Schluss als auch der Bergführer ins Wanken kam. Ein Begehen des Grates zum Kreuz war mit der großen Gruppe für ihn und uns lebensgefährlich. Schon das Umdrehen in der Gipfelflanke war nicht einfach, aufgeweichter Firn, extreme Windböen und hinter uns hatte sich eine Dreiergruppe angehängt, die wir passieren mussten.  Diese hatte den Übergang zum Gipfel gewagt, wie wir später auf der Hütte erfuhren.
 
Jetzt ging es nur noch darum so schnell wie möglich zur Hütte zu kommen und dabei keinen Spaltensturz zu erleben. Wind, Regen und schlechte Sicht waren immer noch unsere Gegner. Die Spuren im Eis waren auch nicht immer hilfreich, weil sie in die Irre führten und ein neuer Weg gesucht werden musste. Schon weit unterhalb des Rainerhorn´s wieder auf sicherem Eis konnten wir eine kleine Pause einlegen und die Regenhüllen am Rucksack erneut anbringen. Ohne Zwischenfall erreichten wir das Defreggerhaus, wo der Hüttenwirt schon den Holzofen angeheizt hatte, zur Zufriedenheit aller. Jetzt hatten wir uns eine Pause mit Essen und Aufwärmen verdient.
 
Für den Abstieg zur Johannishütte musste der Rucksack nochmals neu gepackt werden und nach einer guten Stunde schien der Regen etwas leichter zu werden. Die Gletscherausrüstung konnten wir auf der Hütte zurück lassen. Im weiteren Abstieg zum Nachtlager in der Johannishütte legte sich der Regen komplett und es wurde etwas heller. Trotz Verfehlen des Gipfelzieles war jeder in der Truppe mit der Leistung zufrieden und der Rupert hatte uns auch bestätigt, dass er mit einer schwächeren Gruppe nicht so weit gegangen wäre. Am nächsten Tag sind  wir dann mit dem Hüttentaxi zum Parkplatz in Bichl gefahren.
 
Schlusswort:
Rupert, unser Bergführer, mit reichlich 8000er Erfahrung meinte am Abend in der Hütte, dass er die vielen Tourenberichte zum Großvenediger nicht verstehen kann, die die Besteigung als leichte Hochtour abtun. Der Großvenediger sei inzwischen einer der schwierigsten Gletscheranstiege der Ostalpen geworden und nicht so einfach wie oft beschrieben. Auch ich dachte immer, in einer Zweier Seilschaft kannst du da locker hoch gehen. Die heutige Tour hat mir gezeigt wie viele Gefahren da vorhanden sind. Wenn dann geht das nur  im Spätwinter oder Frühsommer bei ganz stabilem Wetter und guter Schneelage.

Gehzeiten:

Defreggerhaus - fast Großvenediger und zurück zur Hütte: 5 h 10 min.
Defreggerhaus - Johannishütte 1 h 30 min.

insg. unterwegs mit Pausen 7 h 45 min.


*Tag 1
*Tag 2
*Tag 3

Tourengänger: jagawirtha


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Kommentare (4)


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Uli_CH hat gesagt: Föhnsturm
Gesendet am 22. September 2024 um 16:30
Servus Gerhard

Da habt ihr aber etwas mitgemacht! Danke für den ausführlichen Bericht und auch für den Einblick in die gruppendynamischen Prozesse. Es tut mir leid, dass dein grosser Wunsch dem schlechten Wetter zum Opfer gefallen ist. Zum Glück ist es gut ausgegangen. Die Sicht auf dem Gletscher war ja schon grenzwertig. Aber auch trotz fehlendem Gipfelerfolg war es ein Erlebnis und du hast etwas zum Erzählen. Zum Glück sind wir da nicht zu zweit hochgestiefelt ;-)

Bin mittlerweile auch wieder gut aus dem Sarntal zurück. Der Vorteil dort ist, dass die Berge nicht so hoch sind ;-)

Ab 2000 m gab es die ersten Schneeflecken, bis 2500 m hat der Schnee den Gipfelerfolg nicht gross behindert. Aber bereits bei den letzten beiden Touren bis auf 2700 m gab es heikle Schneefelder, die den Schwierigkeitsgrad erhöhten. An 3000er ist bei der Schneelage für den normalen Alpinwanderer nicht zu denken.

Auf der Rückfahrt habe ich noch in meinem Lieblingsort Partschins einen Zwischenstopp gemacht. Dort waren die Gipfel der 3000er in den Wolken, aber unterhalb habe ich keinen Schnee gesehen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es dort oben Schneefelder gibt, die einen Gipfelaufstieg erschweren oder gar verunmöglichen. Ich habe jedenfalls der Versuchung nicht stattgegeben, den südexponierten Aufstieg zur Lahnbachspitze zu versuchen.

Liebe Grüsse aus Zürich
Uli

jagawirtha hat gesagt: RE:Föhnsturm
Gesendet am 25. September 2024 um 09:20
Hallo Uli,

danke für deinen "Schneebericht". Weiter im Süden und im Westen war der Schnee weniger. Auf einem deiner Fotos mit Hochfeiler, war dieser komplett weiß. Das wäre nicht gut gewesen da rauf zu gehen. Schön dass du so schnell Ersatz gefunden hast. Im Martelltal habe ich auf der Webcam vom Ebenen Jöchl gesehen, dass fast kein Schnee mehr liegt, aber da hast du ja eh schon alles gemacht und der Urlaub ist auch vorbei oder?

Liebe Grüße

Gerhard

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 23. September 2024 um 19:52
Hallo jagawirtha, schade, dass es mit dem Großvenediger nicht geklappt hat. Aber bei dem Wetter hättest du eh nichts davon gehabt. Vielleicht riskierst du lieber einen zweiten Anlauf, dann kannst du mit etwas Glück den tollen Ausblick genießen. Vor knapp 15 Jahren war ich mal oben, die letzten Meter am Grat waren schon etwas ausgesetzt und wären im Sturm sicherlich nicht so toll gewesen. Viele Grüße!

jagawirtha hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. September 2024 um 09:30
Hallo Stefan,

ja da haben wir Pech gehabt. Einen Tag früher oder zwei Tage später wäre das Wetter ganz gut gewesen. Gefühlt war ich ja fast oben und irgend wann mach ich nochmal einen Angriff bei Schönwetter.

Viele Grfüße

Gerhard


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