Gratkraxeleien am Donnersberg II


Publiziert von Nik Brückner , 20. Februar 2024 um 11:36.

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Pfälzerwald
Tour Datum:18 Februar 2024
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:15
Aufstieg: 680 m
Abstieg: 680 m
Strecke:15 Kilometer

So! Vor ein paar Tagen war ich ja schon im südlichen Donnersberg unterwegs gewesen, um ein paar Ryolithfelsen auszutscheggen. Ja, brüchiger Mist, Ryolith, aber ein paar vergnügliche Kraxeleien sind dabei doch herausgesprungen. Nun gibt es weiter nordöstlich, zwischen Borntal und Wildensteiner Tal, noch mehr Ryolithfelsen. Und um die zu erkunden, sind Luis, der neulich schon am K'Grat mit dabei war, und ich nochmal zum Donnersberg gefahren. Im Player: "Merging Worlds" von Z Machine.


Parkung war diesmal am gelben Gasthaus Wildenstein (348 m). Dann sind wir über die L394 hinüber, in den Wald und hier gleich rechts. Es ging an der Albisheimer Hütte (345 m) vorbei und im Wald hinauf zum ersten Querweg. Auf diesem sind wir dann nach links ins Wildensteiner Tal hineingewandert.

Bald zeigte sich oberhalb des herrlichen Pfades unsere erste Kletterpassage: Der Reißende Fels.

Vielleicht der eindrucksvollste Fels im Donnersberggebiet: ein senkrechter Pfeiler, schätzungsweise dreißig Meter hoch, der über einen schmalen Grat mit dem Berghang weiter oben verbunden ist. Gut, Ryolith. Ryolith ist großer Fist. Brüchiges Zeug, schmierig wenn feucht, moosbewuchert sowieso. Keine Kletterregion, der Donnersberg. Aber der unweit aufragende Rotenfels besteht auch aus Ryolith, und da wird geklettert. Warum also nicht auch hier?

Wir verließen den schmalen Pfad und querten weglos im schotterigen Hang auf Tierspuren hinüber zum Reißenden Fels. Der Grat ist nicht frontal zu erklettern, dafür ist der Fels einfach zu brüchig. Aber man kann ihn von beiden Seiten erreichen. Die dem Taleingang zugewandte Flanke erfordert leichte Kletterei (II), die Rückseite einen weglosen Aufstieg in T4-Steilgelände. Egal, von welcher Seite man hinaufsteigt, der Grat wird möglichst weit vorn erreicht, dort, wo er am ausgesetztesten ist.

Von hier aus folgt man nun immer der Gratkante, ein großer Spreizschritt eingeschlossen, das ist weiterhin eine T6/II. Wer mag, kann stets links ausweichen.

Wo der Grat endet, querten wir im schotterigen Steilhang auf Tierspuren nach links, zum nächsten Felsen. Hier stiegen wir im sandigen Steilgelände zwischen Ginstern in ein Felsenhufeisen hinauf (T5), das wir schließlich nach rechts verließen. Auf der rechten Begrenzungsrippe (I-II) ging es hinauf in freies Gelände und schließlich über weiterhin felsiges Gehgelände hinauf zu einem Aussichtspunkt oben auf dem Reißenden Fels (430 m).

Herrliche Kraxelei! Der Fels ist besser als befürchtet, das hat viel Spaß gemacht. Und wir wurden dabei sowohl von unten als auch von oben beobachtet - aber als wir dann tatsächlich oben ankamen, hatten wir den Aussichtspunkt für uns allein. Wir genossen den Blick nach Süden und wanderten dann auf dem herrlichen Wanderweg taleinwärts zum Wagnerfelsen (470 m).

Auch hier ist eine kurze Klettereinlage möglich: auf der rechten Seite des Felsens über einen moosigen Seitengrat hinunter zu einer Linksquerung, und dann über den Hauptgrat wieder zurück zur Aussichtsbank (T4, T5/I-II)

Und weiter ging's taleinwärts, zur Ruine Wildenstein (486 m).

Sechs Burgen umgaben im Mittelalter den Donnersberg. Eine davon ist Wildenstein. Sie liegt versteckt auf einer steilen Felsrippe ganz hinten im Wildensteiner Tal.

Von der Anlage ist nicht mehr viel erhalten. Ein aus dem Fels gehauener Halsgraben trennt die trapezförmige Anlage vom Berg ab. Ob es eine Unterburg gab, ist unbekannt. Auf dem Fels haben sich zwei Teile der Schildmauer erhalten, die nördlich und südlich an einen natürlichen Felszacken anschließen. Von dem auf dem Fels platzierten Bergfried ist leider nichts mehr erhalten.
 
Auf dem Felsplateau darunter kann man noch eine etwa 2 x 2 Meter große, heute ca. vier Meter tiefe Zisterne entdecken. An der östlichen Schmalseite stand das einzige Wohnhaus. Dort sieht man heute einen etwa 5 x 2,5 Meter messenden, aus dem Fels herausgearbeiteten Raum, der bildete wohl die Nordostecke des Gebäudes. Auch die ursprüngliche Südostecke von Haus und Burg ist teilweise erhalten.
Der Zugang zur Burg lag an der Südwestecke.

Wann die Burg errichtet wurde, ist nicht bekannt. Ihre Lage spricht dafür, dass sie im Zusammenhang mit der im Donnersberggebiet betriebenen Eisengewinnung und -verarbeitung stand, Belege dafür gibt es aber nicht. Die Burg wurde erst 1276 erstmals urkundlich erwähnt, damals und später immer im Zusammenhang mit Besitzerwechseln. Die frühsten bekannten Besitzer war die Familie von Bolanden. 1328 wurde die Burg Afterlehen der Grafen von Leiningen. Vermutlich wurde sie im Dreißigjährigen Krieg zerstört, jedenfalls wurde sie 1657 bereits als Ruine bezeichnet.



Der Abstieg von hier ins Wildensteiner Tal wird seit Jahren nicht mehr gepflegt und gehört zu den anspruchsvolleren Pfaden des Donnersberggebiets (T2, T3, je nach Zustand). Von unten ist er kaum zu finden. Über verrutsche Stufen ging's hinunter, unten über den Bach und -

...dann suchten wir zunächste einmal unseren Weiterweg. Denn auch der Aufstieg im gegenüberliegenden Berghang ist nur noch schwer zu entdecken. Wir stiegen zunächst weglos hinauf, dann stießen wir doch schnell auf den Pfad, der nun quer durch den felsigen Hang bis hinauf auf den Bergrücken führt. Unterwegs passiert man noch eine Felskanzel, von der aus man einen schönen Blick hinüber zu Ruine, Wagnerfels und Reißendem Fels hat. Dann geht's hinauf zu einem Querweg, schon fast ganz oben, der - wie der Name schon sagt - gequert wird. Ganz oben auf dem Bergrücken angekommen, verliert sich der Pfad dann im Gelände.

Von hier aus folgten wir dem überraschend felsigen Bergrücken, bis wir in der Nähe einer Lichtung am Grauen Turm (578 m) auf einen vom Donnersberg herunterkommenden Weg stießen. Er macht hier eine Kurve und führt bergab zu einem weiteren vom Donnersberg herunterkommenden Weg. Auf diesem ging's dann nach links, hinunter zum Wegkreuz Hühnerberg (511 m) und weiter zum Reißplatz (479 m).

Der Hauptweg macht hier eine scharfe Rechtskurve. In dieser Kurve sieht man im Wald eine kleine Schneise, die Richtung Westen verläuft. Die ist hier noch nicht, aber schon bald als Pfad zu erkennen. Dieser wieder recht hübsche, und natürlich unmarkierte Pfad umläuft eine waldige Kuppe. Einen schmalen Rechtsabzweig noch vor dem Reipoltskircher Berg ignorierten wir, weil wir zu einer auf der Karte eingezeichneten Felsrippe südlich dieses Bergs wollten. Die existiert jedoch nicht, und so stiegen wir eben ohne Fels einen Rücken des Reipoltskircher Bergs weglos hinunter bis zu einem breiten Querweg (zu dem auch der schmale Rechtsabzweig hinunterführt, den würde ich beim nächsten Mal wählen).

Unterhalb dieses Querwegs wird es dann doch noch ein bisschen felsig, und so ignorierten wir den Zickzackweg, der weiter talwärts führt, und stiegen direkt auf der Felsrippe weglos in den Grund des Borntals ab (T3). Und gleich daneben die moosige Rippe wieder hinauf (T4/I) zurück zu dem Querweg, auf dem wir diesmal nach Osten, also talauswärts wanderten. Auf diesem gelangten wir schnell zu den Zacken des Saufelsens (360 m).

Hier begann nun die nächste Gratkletterei des Tages: Bändern folgend im Zickzack auf den ersten bergseitigen Zacken hinauf, und dann immer der Gratkante folgend weiter (T5/II). Wo der Grat endet, stiegen wir weglos den Waldhang hinauf zu einem Querweg, auf dem wir dann nach Westen zu einem Sattel östlich des Reipoltskircher Bergs wanderten. Hier nahmen wir den Weg, der rechts (nordseitig) um den Reipoltskircher Berg herumführt, und liefen bei der nächsten Möglichkeit rechts hinunter ins Spendeltal.

Wieder ging's talauswärts. Nach einer Lichtung führt dann ein unscheinbarer, und wieder nicht markierter Weg links vom Talweg ab und führt über den Spendelbach. Dort, wo der Weg nach rechts biegt, verließen wir ihn und stiegen weglos die nächsten Felsrippen hinauf. Über mehr oder weniger moosige Stufen (I) ging es hinauf zu einem kleinen Verschlag, der Jägern als Unterstand dient, und über weiterhin felsiges Gehgelände hinauf zu einem breiten Waldweg. Auf diesem wanderten wir dann weiter nach Südosten, machten an einer Stelle noch einen Schlenker nach rechts, zu einem nicht vorhandenen Felsen, und umrundeten schließlich wieder auf dem breiten Weg den Bergsporn bis zur Platte (377 m), (vermutlich) einem ehemaligen Steinbruch.

Wir querten unterhalb der Felswand hinüber zu einem benachbarten Weg, verließen diesen aber gleich wieder, um zum letzten Felsen des Tages hinunterzugelangen, zum Waltarifels (365 m).

Der schmale Durchschlupf zwischen dem Felszacken und der Felswand an der Wergseite könnte der Schauplatz im Waltharilied beschriebener Kämpfe sein: Das "Walthari-Lied" (auch einfach "Waltharius" genannt), ist eine lateinische Heldendichtung, die vermutlich aus dem 10. Jahrhundert stammt. Der unbekannte Dichter erzählt die germanische Walther-Sage: Sie berichtet vom Kampf des Walther von Aquitanien mit den zwölf Rittern des Königs Gunther (das ist derselbe Gunther wie im Nibelungenlied. Unter seinen Rittern ist natürlich auch der bekannte Sympath Hagen).

Also kurz: Walther von Aquitanien ruhte sich mit seiner geliebten Hildegunde bei der Burg aus. Als sich Gunther mit seinen Mannen näherte, stellte sich Walther taktisch geschickt in den engen Felsspalt (eigentlich ist der zum Kämpfen viel zu eng, wir haben's ausprobiert) und tötete allein elf Ritter Gunthers. Am nächsten Morgen kam es auf einer Lichtung weiter unten im Tal zum Showdown Walthers gegen Hagen und Gunther: Gunther verlor einen Schenkel (und damit ist nicht der seines halben Hahns gemeint), Hagen ein Auge (seines) und Walther seine rechte Hand (und das meint nicht seinen engsten Vertrauten). Hildegunde wusch die Wunden mit leckerem Rotwein aus und stiftete Frieden (hach, die Frauen!).Walther und Hildegunde zogen nach Aquitanien, heirateten und lebten dort glücklich bis ans Ende ihrer Tage.

Die entsprechende Stelle lautet:


Venerat in saltum iam tum Vosagum vocitatum.
Nam nemus est ingens, spatiosum, lustra ferarum
Plurima habens, suetum canibus resonare tubisque.
Sunt in secessu bini montesque propinqui,
Inter quos licet angustum specus extat amoenum,
Non tellure cava factum, sed vertice rupum:
Apta quidem statio latronibus illa cruentis.


Bei Viktor von Scheffel klingt das, nun ja, weniger lateinisch. Romantischer:

Walthari ritt indessen landeinwärts von dem Rhein,
In einem schattig finstern Forste ritt er ein.
Das war des Weidmanns Freude, der alte Wasichenwald,
Wo zu der Hunde Bellen das Jagdhorn lustig schallt.
Dort ragen dicht beisammen zwei Berge in die Luft,
Es spaltet sich dazwischen anmutig eine Schluft,
Umwölbt von zackigen Felsen, umschlungen von Geäst
Und grünem Strauch und Grase, ein rechtes Räubernest.


Soweit die Geschichte. So richtig wahrscheinlich ist es aber nicht, dass das hier der Schauplatz war. Denn die Burg, bei der sich Walther und Hildegunde ausruhten, war die Burg Wasigenstein, und die steht - heute noch - an der Grenze zwischen Pfälzerwald und Nordvogesen, nämlich hier.


Trotzdem schön hier. Der Felszacken wäre sogar zu besteigen gewesen (II), ist aber komplett mit Moos überzogen, das an diesem Tag nass war und wenig Halt versprach. Und so begnügten wir uns damit, den dunklen Felsspalt zu erkunden, und stiegen dann ins Wildensteiner Tal ab. Am Talausgang überquerten wir den Bach und liefen dann parallel dazu auf einem nochmal recht hübschen Weg zurück zum Gasthaus Wildenstein (348 m).



Fazit:

Erneut ein großer Kraxelspaß am Donnersberg! Wie gesagt, ich bin da gern. Der Ryolith bringt eine ganz eigene, besondere Landschaft und Vegetation hervor. Die Kraxeleien sind immer ein bissl haarig, der Fels war meist aber besser als erwartet. Und so hatten wir beide viel Spaß, insbesondere weil es diesmal fast ausschließlich Grate waren, die sind ja immer besonders spektakulär. Danke Luis, für's Mitkommen! Das nächste Mal gibt's Granit, versprochen.


Ausrüstung:

Ein Helm ist im brüchigen Ryolith nicht verkehrt.


P. S.:

Hier sind ein paar aufschlussreiche Drohnenaufnahmen vom Reißenden Fels.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Schubi hat gesagt:
Gesendet am 21. Februar 2024 um 16:16
Eine sehr schöne Tour, Gratulation!
Wenn das Ryolith-Zeugs so bröselig ist, habt ihr alles brav gerüttelt und angetreten? Es schaut auf manchen Bildern auch bissel scharkantig aus?

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Februar 2024 um 10:31
Na klar, wir waren vorsichtig. Alles andere wäre im Ryolith auch Harakiri.


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