Sagogn - einst Zentrum der Macht


Publiziert von PStraub , 3. Januar 2024 um 19:20.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Surselva
Tour Datum: 3 Januar 2024
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 250 m

Vor einiger Zeit hatte ich ein paar Burgen oder deren Überbleibsel um Landquart, bei Grüsch und um Waltensburg aufgesucht.

So war heute wieder einmal eine kulturhistorische Wanderung angesagt: Ich war in der Gegend von Sagogn in der Surselva auf der Suche nach Zeugen aus alten Zeiten.

Start war am abgelegenen Bahnhof Sagogn-Valendas.
Erst ging es über die völlig vereiste Brücke, dann äusserst attraktiv auf einem Steig immer auf der Krete des Rückens zwischen der Ruin Aulta und dem Mulinserbach-Tobel. So erreichte ich das Plateau der Burg Schiedberg und dann via Bregl da Haida das Dorf Sagogn.

Sagogn ist ein kleines Dorf, etwas abseits der Strasse zwischen Flims und Ilanz gelegen. Heute kennt man es allenfalls seines luxuriösen Golfplatzes wegen.
Das war einmal anders. In der Merowingerzeit im 6. bis 8. Jd. lag bei Bregl da Haida der Stammsitz der Familie der Viktoriden.
Aus dieser churrätischen Familie kamen über lange Zeit die Bischöfe. Und Bischof hiess in einer Zeit, wo es keine öffentlichen Verwaltungen gab: Sie waren die Staatsmacht.
Die Bauten ihres Herrensitzes sollen über Wasserversorgung und Heizung verfügt haben. Das wäre ein Standard, den selbst Jahrhunderte später nicht alle Kaiserpfalzen hatten.

Auf Bregl da Haida stand auch eine St. Columban geweihte karolingische Saalkirche mit hufeisenförmiger Apsis, deren Vorgängerbau ins 6. Jd. zurückdatiert wird. Ihr Grundriss ist am Boden mit Steinen markiert.

Die (viel später) Schiedberg genannte Wehranlage war Teil des Viktoriden-Herrenhofes; welche Funktion diese Bauten damals hatten, ist unklar. Eine Burg im heutigen Sinn war es nicht, Burgen kamen erst im Hochmittelalter in Mode.

Hingegen nutzten die zeitweise mächtigen Freiherren von Sagogn Schiedberg als Adelssitz.
Da die Anlage auf Schwemmland erbaut war, rutschten immer wieder Teile davon ins  Mulinbach-Tobel hinunter. Bis die Burg nach einem Brand schliesslich aufgegeben wurde.  

Eine weitere Burg war das Casti Aspermont in Vitg Dadò (Sagogn-Ausserdorf).
Auf dem Platz vor dem Casti übten die bischöflichen Beamten die niedere Gerichtsbarkeit über die bischöflichen Untertanen im Bündner Oberland aus.

Bei der Sanierung der Via Casut stiessen die Bauarbeiter am 28.04.2023 auf eine archäologische Sensation: Ein Friedhof von "normalen" Leuten, welcher ab dem 5. Jd. für über 500 Jahre genutzt wurde. Details dazu hier.

Mit der (katholischen, es gibt auch eine reformierte) Kirche Mariä Himmelfahrt hat Sagogn ein weiteres Kulturgut von nationaler Bedeutung. Deren erste Bauetappe geht auf das 6. Jd. zurück.
Erstaunlich: Die heutige Kirche ist praktisch gleich gross und hat den gleichen Grundriss wie vor 1400 Jahren. In der Barockzeit wurde sie - als eine der wenigen Kirchen der Nordalpen - komplett ausgemalt.

Und wenn ich schon alte Steine besuche: Die (ursprüngliche) Platta Pussenta (mächtige Platte) ist eine Steinplatte mit Vertiefungen, die gemacht wurden, um Göttern Opfer darzubringen (Schalenstein). Es steht zwar eine Info-Tafel am Weg, Zeichen oder Schalen habe ich weder bei dieser Platte noch an den Steinen gesehen, welche dort stehen, wo die vier Gemeinden Schluein, Sagogn, Laax und Falera aneinander grenzen.

Da ich schon am Wandern war, habe ich in Falera erst den Muota (P. 1257) bestiegen. Weg hat es keinen, dafür jede Menge Brombeerstauden (knapp T4).

Viele alte Steine sind im Parc La Mutta in Falera zu finden. Es ist die grösste megalithische Kultstätte der nördlichen Alpen. Ich war etwas erstaunt, dass diese Stätte bisher in HIKR noch nie erwähnt wurde.

Am Rande dieser Steinreihungen steht die Remigiuskirche. Im Innern wurde sie "heftig" barockisiert, der Grundriss lässt auf einen uralten Vorgängerbau schliessen. Das Fresko an der nördlichen Seitenwand zeigt ein Abendmahl, die Teilnehmer sind in einzelne Rahmen gemalt.

Nach soviel Kultur fuhr ich oben durch, also via Flims, zurück.

Tourengänger: PStraub
Communities: ÖV Touren


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