Geierköpfe H-Gipfel NW-Grat und O-Gipfel N-Wand - ein Hauch von Pioniergeist


Publiziert von algi , 11. September 2023 um 22:06.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum:11 September 2023
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:sehr kleine Parkmöglichkeit auf der linken Strassenseite ( vor Verbotsschild Forststrasse ), nach der Serpentine in Richtung Plansee, kurz nach dem Abzweig zur Weitalpspitze

Ende Juni ist mir bei Fahrten zum Plansee der NW-Grat der Geierköpfe ins Auge gesprungen. Bei Gelegenheit wollte ich mal zu Zustieg hinauf zum Nordkar auskundschaften und mir evt. den NW-Grat bzw. die N-Wand-Rampe ansehen.  Heute war dieser Tag gekommen, und ich musste mal nicht gar so früh aufstehen.

Ein grundsätzliches Problem war die Zustiegsmöglichkeit zum Kar, da meines Wissens kein bekannter Weg hinaufführt. Ich dachte zunächst an die Wasserrinne bzw. die kleine Schlucht, aber da es in der Nacht  oder am vorherigen Abend heftig geregnet haben muss, war diese Möglichkeit schon nach kurzer Zeit obsolet.

 

Ca. 30 m hinter dem Parkplatz führt  das anfangs noch trockene Bachbett zunächst in südwestlicher Richtung und dann südlich hinauf zum Beginn der kleinen Schlucht, durch die sich das Wasser vom Nordkar des Hauptgipfels und vielen anderen Quellen seinen Weg nach unten bahnt. Was mir sofort auffällt ist, dass die meisten Felsen im Bachbett sehr nass sind. Das kann ich mir nur durch ein Gewitter erklären, da ja seit 1 1/2 Woche ein absolut stabiles Hoch die Wetterlage bestimmt. Dort wo sich ein erster kleiner Wasserfall zeigt, ist mit dem Fortkommen im Bachbett dann auch endgültig Schluss, da auch beidseitig des Bachlaufs alle Felsen komplett nass sind.

 

Rechts davon geht es auf Gams-Spuren steil hinauf in den lichten Wald, und dann bin ich überwältigt, dort gibt es ein perfektes „Wegenetz“ an Gamspfaden welches auch ein Mensch nicht besser hätte anlegen können ( und das kostenlos sowie Klima-neutral ). Die Pfade führen natürlich steil aber auch zielsicher nach Süden in Richtung Nordkar. Irgendwann stehe ich dann vor einem von oben nach unten verlaufenden Latschenfeld. Ich sehe immer mal wieder kleine, von Gämsen angelegte Gassen, die in die Latschen hineinführen, aber mich zieht es am Rande des Latschenfeldes weiter nach oben. 30 - 40 m vor einer Felsbarriere wage ich die nächstliegende Gasse zu durchschreiten, halb so schlimm, nach ein paar Metern kommt eine grasige Rinne, und nach weiteren 10 m Latschengasse stehe ich in latschenfreiem Gelände ca. 60 Hm unter dem Objekt meiner Begierde. Abwechselnd etwas rechts und links der oftmals moosigen und ungangbaren Rinne erreiche ich schließlich den untersten Teil des Nordkares.

 

Die Sicht auf die Nordwand zeigt, zumindest aus dieser Perspektive, auch die verlockend aussehende Nordwand-Rampe, so dass ich kurz hin und her gerissen bin, aber gerade im oberen Teil sieht die Rampe heute sehr feucht aus, so dass ich schließlich bei meinem ursprünglichen Vorhaben bleibe. Über eine steile, aber gut gangbare Schroffenflanke geht es rechtshaltend  empor zu einer kurzen brüchigen Rampe die zur Scharte nördlich der Schulter unterhalb des eigentlichem Grates führt.

 

Der Scheitelpunkt der Schulter wird in leichter Kletterei und über splittrige Schroffen erstiegen, die Latschen am Kamm können problemlos westseitig umgangen werden.

Die schmale Scharte zwischen Schulter und Massiv ist orange-brüchig, man traut sich gar nicht richtig hinschauen, um die Stabilität nicht zu gefährden.
 

Die ersten 10 m auf der Seite des Massivs wären die Schlüsselstelle der Tour, abdrängend und überwiegend negative Griffe ( ca. III+ - IV- ), bis zur Hälfte bin ich hochgeklettert, dann war mir die Angelegenheit wegen der Unzuverlässigkeit des Gesteins doch zu gefährlich. Wenn da ein Griff oder Tritt ausbricht, dann ist nicht nur der Rollstuhl, sondern die Holzkiste sicher, Falls ich nochmal hochkomme, nehme ich ein Seil mit, dann könnte die Passage auf Zuverlässigkeit geprüft, und ggfs. der Bruch entfernt werden.

Glücklicherweise führt etwas unterhalb ein breites Band in die NW-Flanke, nach ca. 20 m weist ein bombenfester Kamin 10 - 12 m nach oben, und nun kann man auf einem weiteren Band wieder zum Grat zurückkehren. Von nun an halte ich mich immer direkt am Grat, bis auf einen ca. 1 m ausladenden Überhang, ein Boulder, der in freier Kletterei eher im VII-er Bereich liegen dürfte. 6 m weiter rechts geht es über einen deutlich kleineren Überhang und entsprechend einfacher ebenfalls zum Grat zurück.

 

Und da wären wir nun auch bei einem Problem / Eigenheit der Geierköpfe-Nordwand, der Kalk ist bankartig übereinander geschichtet. Die Bänke bilden im Kern einen sehr harten Fels, aber die Nahtstellen zwischen den Bänken und evt. auch die Ränder der Bänke sind vmtl. deutlich weicher. Das verwitterte, zerbröselte Gestein „ergießt“ sich über die unterhalb liegenden Felsschichten und zwischen den Bänken können durch diesen Erosionprozess, auch im einfachen Gelände, größere Überhänge entstehen.

 

Bei der Begehung des Grates bewegt man sich meist im I-er und II-er Bereich, die III-er Stellen werden von solchen Überhängen repräsentiert, nicht ungemein schwer, man muss halt seinen A…. und die Hufe über die Überhang-Kante bringen, und da darf man dann auch schon mal ordentlich hinlangen.

 

Ca. 30 m rechts des Grates zieht ein Rinnensystem aufwärts, auf das man notfalls immer ausweichen könnte. Ich denke, dass hier der I-te oder II-te Schwierigkeitsgrad nicht überschritten wird.

 

Nach 3 Stunden stehe ich am Hauptgipfel, völlig unerwartet, da ich ja eigentlich nur eine Erkundungstour geplant hatte.

 

Für den Abstieg wähle ich die Nordwand des Ostgipfels, da mir die „unendliche Geschichte“ des Normalweges voll auf den Senkel geht.

 

Subjektiv eingeschätzt Schwierigkeiten:

 

Vom Parkplatz bis zur Rampe vor der Schulter: T4

Rampe bis zum Beginn der Schulter: T4+

Ersteigung Schulter I+, T5-

NW-Grat: III, T5+

Abstieg über N-Wand Ostgipfel II, T5

 

Fazit: 

ein bisschen Feeling wie zu Erschließer-Zeiten vor über 100 Jahren war schon dabei, und dass man am Ammergauer-Hauptlkamm keine Top-Felsqualität erwarten darf, war auch von vornherein klar.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte war es eine rundum gelungene Tour.

 

VG Albert


Tourengänger: algi


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