Schönberg NW-Flanke und Tiefkar-Überschreitung - abseits vom Mainstream
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Die westlichen Ausläufer des Karwendelgebirges sind durch Hütten und Seilbahnen touristisch sehr gut erschlossen. Mit ein bisschen Recherche lassen sich aber doch noch „Ecken“ finden, in die sich nur sehr selten jemand „verirrt“.
Die hohen Tagestemperaturen legen einen sehr frühen Aufbruch nahe, also starte ich heute bereits um 5:45 Uhr am Parkplatz an der Bundesstrasse. Der Weg übers „Bankerl“ in Richtung Hochlandhütte ist zwar etwas weiter als „von den Kasernen“, aber durch den flacheren Zustieg kommt man nicht so schnell ins Schwitzen, was bei der zu erwartenden Hitze durchaus ein Vorteil ist. Nach dem Abzweig des Normalweges zur Tiefkarspitze / des Predigtstuhles unterhalb des Mitterkares, nutze ich wieder den linken Rand des Latschenfeldes um die erste steilere Stufe zu überwinden. Da muss man zwar ein paar Höhenmeter mehr machen, aber dafür ist dieser Steig frei von losem Geröll.
Oben angelangt höre ich Glocken läuten, eine Schafherde weidet weit oberhalb auf den ausgedehnten Wiesenbändern unterhalb des Steinklippengrates. Ich quere mit möglichst geringem Höhenverlust auf Schafspuren in den Grund des hinteren Mitterkares hinab, kurz bevor es in einer sanften Rechtsbiegung ins Anderkar übergeht. Der Untergrund ist relativ fest, so dass ich kraftsparend vorankomme. Auf der Tiefkarseite des Anderkares hat sich ein Gamsrudel eingefunden, nach 2 Warnrufen merken sie sehr schnell, dass von mir keine Gefahr ausgeht. Eine seichte blockige Rinne innerhalb des Geröllfeldes führt schließlich zum Einstieg unterhalb der beeindruckenden Wandfluchten empor.
Hier sollte man nun einen Helm tragen, da Gämsen unterhalb des Schönbergs Steine zu Tale befördern könnten, zumindest sind mir ein paar Geschosse um die Ohren geflogen. Die Beschreibung lt. AVF ist eindeutig, die unterste Wandstufe soll in einer Rechtsschleife über ein Band erstiegen werden. Die eingelagerte Verwerfung, ist bereits von Weitem sichtbar, aber da sie nicht weiter erwähnt wird, gehe ich davon aus, dass es eine einfache Lösung zu ihrer Überwindung gibt. Leider weit gefehlt, das Ding ist steil, brüchig und abwärts geschichtet, mit Abstand die unangenehmste und gefährlichste Passage der gesamten Tour. Zumindest optisch sieht es so aus, als ob man diese unterste Wandstufe auch in einer Linksschleife ( ohne Verwerfung ) ersteigen kann.
Der im Führer erwähnte Riß entpuppt sich als Rinne, der Ausläufer einer oberhalb liegenden kleinen Schlucht. Der Fels ist halbwegs fest und weist deutliche Steinschlagspuren auf. Die Rinne geht in die Schlucht über, und dort wo sie ungangbar wird, kann man nach rechts in felsdurchsetztes Schroffengelände ausweichen. Als Richtpunkt dient ein kleiner auffälliger Zacken, linkerhand daran vorbei, und danach werden die Felsschroffen immer mehr durch Grasschroffen abgelöst. Zuletzt von einem Sattel über die Südseite auf den Schönberg, die Aussicht ist wirklich der Hammer, das sollte man sich nicht entgehen lassen. Anscheinend ist in den beiden Steinhaufen jeweils ein eigenes Gipfelbuch hinterlegt, das zweite Schatulle habe ich jedoch erst gesehen, als ich mich wieder auf den Weiterweg machte.
Der Grat zum Mitterkarkopf gefällt mir sehr gut, ein sanftes Auf und Ab, mal ausgesetzt, dann auch wieder breiter und die Felsqualität ist ebenfalls in Ordnung. Die vorgelagerte Schulter des Mitterkarkopfes ersteigt man am Besten etwas weiter links ( SO-seitig ), hier findet man eine Felsqualität wie an der Schüsselkar vor. Der Übergang zum Gipfel beinhaltet die Schüsselstelle der Überschreitung, die durch eine alte lange Reepschnur entschärft wurde. Ich kann nur jedem empfehlen sich nicht daran hochzuziehen oder abzulassen, der Strick erreicht bald den Aggregatzustand „Mikroplastik“, und der bestimmt 3 cm aus den Fels stehende Haken hat den Wettlauf mit der Korrosion auch irgendwann mal verloren. Im Aufstieg ist die Kletterstelle dann nur halb so wild, und auch im Abstieg gut machbar ( siehe Kommentar von LamsnJojo ). Der Abstieg in die Scharte zwischen Mitterkarturm und Tiefkarspitze ist der brüchigste Abschnitt der Überschreitung, nicht schwer, aber man muss halt einfach aufpassen.
Da mir für den nun folgenden Aufstieg zur Tiefkarspitze keine vernünftige Beschreibung zur Verfügung steht, gehe ich die Schroffenflanken einfach dort hinauf, wo es am Einfachsten aussieht. Das war offenbar nicht verkehrt, da ich auf Anhieb einen gangbaren Weg gefunden habe. Echte Orientierungshilfen in Form von Steinmännern oder farbliche Markierungen gibt es kaum ( habe 2 Steinmänner und 2 orangene Punkte, eher im oberen Abschnitt, gesehen ). Zuletzt quert man zur Scharte wo die rote Rinne den Grat erreicht, und geht die letzten Meter auf dem Normalweg zum Gipfel. Witzigerweise war es bislang immer noch so kühl, dass ich beim Aufstieg kaum geschwitzt habe, das hat sich beim Abstieg zur Dammkarhütte aber ins absolute Gegenteil verkehrt.
Subjektiv eingeschätzte Schwierigkeitsübersicht
Mittenwald - Abzweig ins Mitterkar: T2
Mitterkar - Anderkar : T3
NW-Flanke Schönberg: III, T6-
Schönberg - Mitterkarturm: II+, T5
Aufstieg zur Tiefkarspitze: T4+
Fazit:
die NW-Flanke des Schönbergs ist für sich gesehen eher unlohnend, als „Zubringer“ für Übergänge zur Tiefkarspitze oder zum Wörner aber eine echte Alternative zur Komplettüberschreitung.
Vorzugsweise nach einer Trockenphase einsteigen, da nach Regenfällen vmtl. länger nass
VG Albert
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