Utenwiler Tobel (Lichtensteig): Felsen im feuchten Grün


Publiziert von konschtanz , 20. August 2023 um 20:09.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:19 August 2023
Wegpunkte:

Der Hinweg
Start am Bärenplatz in Kreuzlingen um 10:05 Uhr.

Mit dem Velo über Lengwil – Klarsreuti – Leimbach – Bürglen – Mettlen – Wuppenau – Wil – Bazenheid bis Lichtensteig. Am Ortsende von Dietfurt, kurz vor Lichtensteig, teilt eine Digitalanzeige am Strassenrand mit: 14:29, 40°C.

Also habe ich viereinhalb Stunden für die Strecke gebraucht.

Google Maps sagt für meine Route: 2h 50 min.

Lichtensteig erreicht

Direkt an der Ortseinfahrt Lichtensteig kreuzt die Fahrbahn einen Tobelbach, den Utenwiler Tobel. Hier stelle ich das Velo an geeigneter Stelle ab und steige unmittelbar bei der Brücke, neben dem elektrischen Schafzaun, in den Tobel ab. Ein Abstieg weiter oben ist nicht ratsam, denn schon bald erheben sich rechterhand, also südlich des Bachs, senkrechte Felswände.

Hier, im schattigen Grün, ist es deutlich angenehmer als draußen. Der Bach führt wenig Wasser. Mücken sind – zumindest um die Uhrzeit – erstaunlich selten. Ein Frosch hüpft auf, als ich in einer Böschung aufsteige, um mir die Farne anzuschauen: Hirschzunge, Gelappter Schildfarn, Braunstieliger Streifenfarn, Zerbrechlicher Blasenfarn.

Die Felsen hier sind Nagelfluh, die Wiesen am Tobelrand bilden nur eine dünne Decke über der Nagelfluh. Haus- und Strassenbau in Lichtensteig erfordert Sprengen oder Presslufthammer. Die Nagelfluh ist zerklüftet, immer wieder sieht man Spalten und kleine Höhlen. Ich gehe nur langsam vorwärts, es gibt so viel zu sehen. Das gefilterte Licht. Die Steine. Die Spiegelungen im Wasser. In Strassennähe noch Verpackungsreste, weiter oben auch zerrissene gelb-grüne Säcke von Agro-Chemikalien und ein Pneu, Glasscherben, Tonscherben.

Je weiter ich aufsteige, desto häufiger begegnen mir große Nagelfluhbrocken im Bachbett. Sie sind grün gekleidet, mit Moosen, Storchschnabel und Farnen, und weil das Sonnenlicht nur durch das Laubdach dringt, werden beim Fotografieren selbst die Steine grün.

An einer Stelle ist rechts der Zugang zur Steilwand durch einen Hügel verstellt, der oben mit Eiben bewachsen ist. Ich steige auf. Oben ein schöner Ausblick. Ein Grat führt direkt an die Felswand. Links davon, also tobelaufwärts, entdecke ich eine riesige Höhle. Die Decke aus Nagelfluh, der Boden ausgeschwemmter Mergel. Der Mergel erscheint bei diesem Licht orange wie Wüstensand, aber er klebt an den Bergschuhen. Rechts, wo die Höhle flach wird, sind Wasseraustritte aus der Decke. Vielleicht ist es sauberes Trinkwasser. Ich traue mich nicht, davon zu trinken. Im Winter, wenn keine Kühe auf der Weide sind, könnte ein Versuch sich lohnen, falls das Wasser nicht gefriert. An der Decke entlang verläuft eine Kluft, im mergeligen Boden sind darunter kleine, einschnittartige Vertiefungen zu sehen. Tropft es hier runter, wenn es regnet? Von der anderen Seite der Höhle habe ich einen Blick auf die Wand gegenüber. Dort rauscht ein Wasserfall. Der kommt aus dem Tobelarm, der auf der Landkarte mit Schwandenberg bezeichnet wird.

Als ich mich zwei Felsblöcken nähere, die den Zugang zum Wasserfall säumen, fliegt ein großer Vogel auf. Ich pirsche mich vorsichtig heran. Ein Graureiher, der in der Böschung sitzt, fliegt auf und hinterlässt zuvor noch schnell einen weißen Fleck auf dem Boden.

Von links steige ich so auf, dass ich in der Höhle hinter dem Wasserfall gehen kann. Auch hier mergeliger Boden, über mir Nagelfluh. Der Wasserfall hat einen grünen Kalktuff-Kegel gebildet, auf den er spritzend aufprallt. Darunter ein flascher Teich. Die Spritzer des Wasserfalls befeuchten die Umgebung, es sind bunte Moose zu sehen und vor mir etwas schwarz glänzendes am Boden. Ein gallertartiger Pilz wie Nostoc? Algen? Bakterien? Ich bücke mich und sehe, dass das schwarz Glänzende einen Einschlag ins Violette hat, daneben etwas Ähnliches in Dunkelgrün. Ich greife mit dem Finger rein. Kein Schleim zu fühlen. Es ist eine hauchdünne Schicht, höchstens einen Millimeter dick. Blaualgen (Cyanobakterien)?

Dann steige ich zu der Stelle ab, wo vorhin der Graureiher saß. Der weiße Punkt, den er am Boden hinterließ, markiert den Ort deutlich. Jetzt sehe ich, was ihn wohl beschäftigt hat. Vor mir wuselt es im Teich. Im rasanten Tempo bewegen sich 10 bis 15 Zentimeter lange Fische hin und her. Auf einmal sehe ich sie nicht mehr. Ich bleibe stehen. Als ich mich bewege, wuselt es wieder: Sie sind so gut getarn, dass ich sie nicht sehe, wenn sie an einer Stelle stehen bleiben.

Ich steige weiter aufwärts und ziehe mich an Felsblöcken hoch, die den Weg versperren. Nasses Holz ist glitschig. Ich weiß es, aber trotzdem rutsche ich auf einem Baumstamm aus und stürze, zum Glück nichts passiert. An einer Stelle winken mir fünf junge Kastanienbäume, der Stamm ist noch daumendick. Wie sind die Kastanien hierher gekommen? Durch Krähen, Eichelhäher, den Bach, einen Erdrutsch?

Am Ende werde ich mit einer Wand belohnt. Dazu ein kleiner Wasserfall.

Und auch das ist nicht das Ende. Nach rechts führt ein trockener Tobelarm. Ich gehe nicht in der Talsohle, sondern folge nahe der Felswand mit dem Wasserfall einem Wildwechsel nach rechts. Gegenüber sehe ich eine große Höhle in der Nagelfluh. Der Boden ist mit Steinschotter bedeckt und sieht trocken aus. Ich steige zu einem Grat auf. Auf der anderen Seite des Grats sehe ich den Bach wieder, den ich vorhin am Wasserfall verlassen hatte. Auf dem Grat sind zwei Granitquader, die eine Grenzziehung markieren. Ich steige auf (laut Landkarte von 690 bis 710 m), der Weg, der den Tobelbach quert, ist laut Karte der Utenwilerweg. Ich erreiche die Oberkante, übersteige den Stacheldrahtzaun und erreiche über eine gemähte Wiese ein Gehöft (Obere Platten), von wo eine Straße über Punkt 686 abwärts nach Lichtensteig führt. Zum Glück begrüßt mich kein wütender Hund, sondern nur eine Katze.

Um 19:40 mache ich mich auf den Heimweg. Mit Pausen zwischendrin. Dietfurt 19:45 nur noch 28°C.


Tourengänger: konschtanz


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