Ararat 5137 m


Publiziert von basodino , 21. Juli 2023 um 17:10.

Region: Welt » Türkei
Tour Datum:12 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Geo-Tags: TR 
Zeitbedarf: 4 Tage 16:00
Aufstieg: 2945 m
Abstieg: 2945 m
Strecke:22,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:von Dogubayazit nur mit Touranbietern/Guides bis an den Berg, auf 2200 m auf holpriger Schotterstraße, dort Gepäck umgeladen auf Pferde, für uns ab dort zu Fuß
Unterkunftmöglichkeiten:Boutiquehotel Ertur 3 Sterne in Dogubayazit, Mittelklasse-Hotel, sauber, aber mit landestypischen Schwächen, wie schlechten Matratzen, magerem Frühstück, keine Klimatisierung

Nach einer sehr beeindruckenden Akklimatisierungswoche starteten wir in den zweiten Teil des Urlaubes zu unserem Hauptziel, dem Ararat. Noch am Vorabend plagten mich heftige Zweifel, ob das Projekt gelingen konnte. Die Wettervorhersage gab uns für den geplanten Gipfeltag keine guten Aussichten mit Wind bis 55 km/h, Temperaturen gefühlt von - 22 Grad und absolut keine Sicht. Mit den Überresten einer Erkältung im Körper wäre ich am liebsten unten geblieben und hätte einfach mal 1 oder 2 Tage abgewartet, zumal bereits der Tag später, am Mittwoch, wenigstens wieder Sicht und nicht mehr ganz so viel Wind versprach. 

Man redete mir gut zu, erklärte, dass die Wettervorhersagen sowieso nicht stimmten und ich sollte es einfach auf mich zukommen lassen. Bei einer gebuchten Tour hat man nun auch nicht jede Freiheit und am Freitag ging der Flieger Richtung Istanbul, mit oder ohne vorherige Besteigung, also ging es erst einmal planmäßig los. 

Waren wir bisher nur zu zweit unterwegs, vergrößerte sich die Gruppe nun auf 6 Personen mit 3 Tschechen und einer Slowakin zusätzlich an Bord. So fuhren wir am Sonntag an den Berg, wobei das aufgrund einer recht schlechten Schotterstraße knapp eine Stunde dauerte, bis wir auf 2200 m an das vorläufige Straßenende gelangten. Unsere Duffelbags landeten wieder auf dem Rücken von Pferden und wir stapften mit leichtem Gepäck los. Immer wieder wurde betont, dass am Ararat das Tempo dann ähnlich wie am Kilimanjaro immer langsamer würde. Davon war aber zunächst nichts zu spüren und deshalb lief ich mal wieder hinterher. 

Es gibt am Ararat allein auf der Südwestroute eine ganze Reihe an Basislagern. Unseres lag auf 3350 m auf einem kleinen Rücken, von dem aus wir aber zahlreiche andere Lager sehen konnten. Nach hiesigen Maßstäben waren die Lager noch nicht voll ausgelastet, so dass es eigentlich zunächst noch ganz beschaulich anfing. Der Weg ist für Pferde ausgelegt, so dass man ihn als Mensch doch sehr bequem gehen kann. Wenig steil, oftmals in leichten Kurven steigt man wellenförmig höher, wobei es nur ganz am Anfang und am Schluss ein wenig steiler ist. Die "langsame" erste Etappe mit 1.150 Höhenmeter war dann in 3 h 15 min geschafft, ohne dass man sich übermäßig anstrengen musste. 3 h 15 min, T2 (meist leichter)

Das Basislager hat mich dann positiv überrascht. Für die Zelte sind großzügige Terrassen angelegt, ein festes Aufenthaltszelt ist eingerichtet, wieder mit Campingstühlen und Tischen und es befinden sich an der Peripherie des Lagers 4 WC's und 1 warme Dusche (Solar, solange die Sonne scheint). Alles ist sehr gepflegt und es liegt so gut wie kein Müll rum. Wieder einmal war die Komfortzone erreicht. So lass ich mir Zelten gefallen. 

Nach einer guten Nacht ging es am nächsten Tag eher spät los, da man im Highcamp nicht viel machen kann und es keine Rolle spielt, ob man da eine Stunde früher oder später eintrifft. Der Weg führt erst einmal den Hang entlang nach rechts zu einem großen Geröllfeld, durch das sich der Weg in vielen Kehren zum gut sichtbaren Highcamp hochzieht. Auch das ist nicht schwierig, wird aber immer gerölliger, sandiger, staubiger. Von Westen zogen dunkle Wolken auf, die auch etwas Musik mitbrachten, bedrohlich, aber noch nicht nahe. So zog die erste Welle knapp südlich an uns vorbei und wir kamen trocken und ohne Blitz und mit nur wenig Donner im Highcamp an. T3, 2 h 20 min

Es gibt zwar an sich nur ein Highcamp, aber die Zelte der Anbieter verteilen sich von 4050 m bis 4130 m auf verschiedene Standorte, die alle am gleichen Weg liegen. Die vorbereiteten Standorte sind viel kleiner und auch abschüssiger, der Untergrund ist erdig mit einigen Steinen, die man dann durch die Isomatte oder Matratzen auch fühlen kann. Wir waren auf Schmutz vorbereitet und den gab es auch reichlich, vor allem rechts des Weges, aber nicht nur dort. Unser Lager lag links unterhalb und war noch vergleichsweise friedlich. Allerdings gibt es hier kein fließend Wasser mehr, also natürlich keine Dusche und auch kein WC. Jeder suche sich seinen Stein und hoffe, dass dort noch nicht allzu viele andere sassen.

Wenn die Sonne nicht scheint, ist es überall kalt. Auch im Aufenthaltszelt kann man nicht lange bleiben, ohne zu frieren. Glücklicherweise kam am Nachmittag die Sonne heraus, so dass Tourinette und ich wie auch zwei Tschechen etwas später noch bis ca. 4200 m aufstiegen, ganz nach dem Motto "go high - sleep low". Ob die 150 Höhenmeter wirklich was gebracht haben, weiß ich nicht, aber in der Sonne stieg unsere Stimmung wieder etwas an, denn der Wetterbericht an sich hatte sich für den morgigen Gipfeltag überhaupt nicht geändert. 

Die 4 anderen Mitglieder unseres Teams (auch weil ihr Rückflug schon am Donnerstag ging) und unsere Guides blieben beim Zeitplan und versuchten den Gipfel am Dienstag früh. 0.50 Uhr Wecken, ab 1 Uhr Frühstück, 2 Uhr loslaufen. Wir standen kurz auf, sahen gar nichts, und entschieden uns für Abwarten. Es gab eine zweite Chance am Mittwoch mit drei weiteren Touristen, die erst am Dienstag zu uns aufsteigen würden. Und wenn es bedeuten würde, am Mittwoch dann die gesamten 2945 m absteigen zu müssen. 

Die 4 Wagemutigen kamen im Whiteout bis ca. 4950 m und drehten dann wegen zu großer Kälte um. So hatte ich es auch für uns vorhergesehen und das brauche ich im Urlaub nicht. Heroische Geschichten von gescheiterten Unternehmungen lese ich auch mal gerne als Literatur, aber selbst erleben will ich das nicht (zu oft). 

Die Nacht, der Tag, die Nacht wurden lang. Der Wind zerrte stundenlang am Zelt mit 25, 30, 35 km/h, es gab Schnee- oder Graupelschauer, es war einfach nur kalt und wir lagen auf schrägen schmalen Matten im Zelt, wobei an Schlaf immer nur kurzzeitig zu denken war. Als die anderen drei ankamen, machte ich mich mal für eine Stunde ins Aufenthaltszelt auf, bevor es mir wieder zu kalt wurde. Es waren zwei Schweden (davon einer gebürtiger Österreicher) und ein Deutscher, alle deutschsprachig. Und es waren nette Leute, mit denen man sich gut unterhalten konnte. Trotzdem verbrachte ich die meiste Zeit wie Tourinette im Zelt. Nur zu einem kürzeren Spaziergang bis auf 4.120 m reichte es am späten Vormittag, um den Wagemutigen entgegen zu gehen. Die Slowakin meinte nur "we survived". Joo, da hatte sie recht. Ein Glück, dass wir nicht gegangen waren. 

Viele Stunden später präsentierte sich für uns ein kaum verändertes Bild. Um 2 Uhr loslaufen, wenig Sicht, viel Wind, aber (!!!!) eine bessere Wettervorhersage. Von der allein kann man sich nichts kaufen, aber Hoffnung ist schon sehr wichtig, wenn man eine Kraftanstrengung vorhat, zumindest ist es für mich so. 
Jetzt kommt also das langsame Tempo. Pustekuchen! Es ging wieder recht flott los. Nach 1 Stunde hatten wir 320 Höhenmeter geschafft (immerhin flott oberhalb 4000 m). Das ist so gar nicht "pole, pole".
Auf 4500 m musste der eine Deutsche aufgeben. Die Höhe war zu viel für ihn. Im Gegensatz zum Kilimanjaro ist der Weg zum Ararat insofern unangenehmer, da er viel weniger flach zu gehen ist. Es gibt viele größere Schritte, die notwendig sind, weil die Felsen und niedriges Blockgeröll dies einfach erzwingen. Insofern ist das hier nicht der monotone Hatsch, wo man Schrittchen für Schrittchen höher kommt. Dazu kommt, dass auch hier noch relativ viel Schnee lag. Das ist in den Schneefeldern zwar eine Erleichterung, bei den Felsen im kombinierten Gelände aber nicht, denn da rutscht man gelegentlich einfach ein bisschen weg und das kostet zusätzlich Kraft. 
Auf ca. 4700 m wurde es dann deutlich heller und wir traten über die Wolkendecke. Den tollen Schattenwurf hatten wir zwar so gut wie verpasst, aber von nun wird alles viel einfacher, wenn da nicht der ständige, starke Wind gewesen wäre. Geschätzt bei - 15 Grad (Wind bis 35 km/h) konnte ich jetzt aber meine geliebten kleinen Schritte machen und den anderen hinterherdackeln. Eine eigentliche Krise gab es im Aufstieg nicht, aber je höher desto anstrengender wurde das Ganze schon und ich musste etwas kämpfen. Auf 5000 m machten wir eine kurze Pause und ich zog kurz den linken Handschuh aus. Es dauerte danach 15 Minuten bevor die Hand zu schmerzen wieder aufhörte, so kalt war es. 
Zwischen 4700 m und 5050 m befindet sich eine einfache Spur über Schnee (später im Jahr teilweise sicher im Schutt), die im Gipfelhang verloren geht. Hier fanden wir eine komische Art von Eis vor, die man im Aufstieg aber gut ohne Steigeisen gehen konnte. Zum Glück bildet der Gipfel selbst eine Art Windschneide, hinter der man sich im Windschatten befindet. So taute ich nach geschafftem Gipfelgang sofort wieder auf und war voll des Glückes, genauso wie meine tapfere Tourinette, die den gesamten Aufstieg scheinbar mühelos vor mir hergelaufen war. Bei solchen Bergbesteigungen wird man schon sehr auf sich selbst zurückgeworfen und erlebt den anderen nicht wirklich. Ich bin mir sicher, es war für sie nicht ganz so leicht, wie es für mich aussah. T4, L (ohne Schnee später wahrscheinlich leichter), 4 h 30 min inkl. aller kurzen Pausen

Vom Gipfel hatten wir eine umfassenden, traumhafte Aussicht. Leider blieb nur wenig Zeit, da wir aufgrund der Kälte und des noch langen Abstieges bald wieder runter mussten. Ich wäre gerne noch ein wenig länger geblieben. 

Der Abstieg ist dann schnell erzählt. Unser Guide führte uns ab 4700 m rechts der Route durch ein zunächst sehr schmales, später weites Schneefeld, welches wir mit Steigeisen super bequem bis 4300 m absteigen konnten. Die kurzzeitig bis 30 Grad Neigung waren herausfordernd, aber aufgrund der Verhältnisse sehr gut zu gehen. Das sparte uns viel Kraft, denn die blöden Felsen/Blockgeröllstufen im Bereich zwischen 4300 und 4600 m konnten wir so umgehen. T4, L, 2 h 15 min inkl. Pausen

Spontan entschieden wir uns für den Komplettabstieg, den wir hätten vermeiden können, wenn wir auf den letzten Reise- und Sightseeingtag verzichtet hätten. Und es war dann wie ein Wunder, dass trotz der 2945 Höhenmeter runter keinerlei Nachwirkungen zu spüren waren. Meine Knie hielten, was ich ihnen ehrlich gesagt nicht zugetraut hätten. Vielleicht (ähnlich wie am Kilimanjaro) machen Glücksgefühle immun gegen Knieschmerzen. Wäre schön, wenn das so wäre. 

Im Abstieg kamen uns mit der nun besseren Wettervorhersage für die nächsten Tage unzählige zum Teil riesige Gruppen entgegen und ich möchte mir das Highcamp nicht mit so vielen Menschen vorstellen. Da war es bei uns mit dem schlechteren Wetter richtig beschaulich. 

Im Basecamp gab es ein kleines Mittagessen und weil es einen der Schweden am Knie erwischt hatte (soweit zu meiner Theorie mit den Glücksgefühlen) war einmal nicht ich der langsamste im Abstieg, was für mich eine Wohltat war, denn ich konnte so langsam wie ich wollte absteigen, was den Knien sicher auch geholfen hat. T3, 3 h 55 min (geht auch deutlich schneller)

Nach einer warmen Dusche, einem guten Abendessen und einer Nacht in einem sauberen Bett waren wir gerüstet für unseren letzten Tag in der Osttürkei. Wir besuchten noch die zwei obligatorisch zu sein scheinenden Sightseeeing-Orte Ishak Pasha Palast in Dogubayazit und die Akdamar-Insel mit armenischer Kirche hinter Van. Beide Orte darf ich wärmstens empfehlen, denn hier sieht man aus zwei verschiedenen Epochen schönste Architektur mit einer Menge Geschichte. Normalerweise macht man das am Beginn der Reise, für uns war es ein gelungener Abschluss. Am letzten Abend warfen wir uns dann noch in das Getümmel der "Großstadt" Van, was aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf unsere letzte Station Istanbul sein sollte. 

Die Tour wurde organisiert und durchgeführt von Caria Pan Travel. Vielen Dank an unseren Führer Yüksel. 

Tourengänger: basodino, tourinette


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Kommentare (3)


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mb4 hat gesagt: Träume werden wahr
Gesendet am 21. Juli 2023 um 21:39
Interessante Reise.
Spannend erzählt!
Gratulation zum grossen Abenteuer.

Sputnik Pro hat gesagt: Gratuliere Euch !
Gesendet am 25. Juli 2023 um 16:56
Die Fotos muss und den Bericht werde ich mir zu Hause noch genauer anschauen. Bin heute auch gerade vom Gipfel zurück gekommen. Wir waren knapp nach Sonnenaufgang oben mit viel Wind aber trotz einigen Wolkenfetzen mit guter Aussicht.

Gruss aus Doğubayazit

Andrej

basodino hat gesagt: RE:Gratuliere Euch !
Gesendet am 25. Juli 2023 um 17:25
Gratulation zurück. Freue mich auf Deine Erfahrungen und den zu erwartenden Bericht.

Viele Grüße
Marcel


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