Müllschrott am Bürkelkopf


Publiziert von Bergmax , 14. Juli 2023 um 18:07.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Unterengadin
Tour Datum:10 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   A 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 750 m
Abstieg: 750 m
Strecke:Flimsattel (Ausser Viderjoch) - Versuch Flimspitz - Flimjoch - Bürkelkopf - P. 3029 - P. 2866 - Bei den Seen - Alp Trida
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto nach Samnaun-Ravaisch. Kostenloser Parkplatz. Viel Zeit für die Schweizer Zufahrt einkalkulieren - Baustellen. Luftseilbahn zum Alptrider Sattel. Sessellifte via Alp Trida in den Flimsattel / Ausser Viderjoch.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Sessellift und Luftseilbahn vom der Alp Trida nach Samnaun
Kartennummer:map.geo.admin.ch

Markierung auf Abwegen...

Ein 3000er, der sich im Bereich T5 überschreiten lässt in einer Gegend, die ich noch gar nicht kenne. Starke Argumente für den Bürkelkopf, im übrigen der nördlichste Schweizer Dreitausender.

Die Anreise nach Samnaun ist weit: Zürich, Landquart, Vereina, Martina und zu guter Letzt noch die langwierige Schweizer Zufahrt zu der hoch gelegenen Siedlung. Nirgends Stau, recht schön zu fahren und trotzdem sind vier Stunden im Auto rum, als ich den Parkplatz der Seilbahn (Samnaun Ravaisch) erreiche.

Die Seilbahn fährt halbstündlich, ich habe Glück und muss gar nicht warten. Eigentlich könnte man direkt von der Bergstation im Alptrider Sattel (2486 m) losgehen, wo der Bürkelkop auch schon ausgeschildert ist. Da aber die Sesselliftfahrt via Alp Trida zum Flimjoch (LKS: Ausser Viderjoch, 2730 m) ohnehin inklusive ist, nutze ich das Angebot auch. Zwischen dem Flimjoch und dem Bürkelkopf befindet sich der Flimspitz, welcher sich über einen Klettersteig besteigen lässt. Den möchte ich quasi als "Bonus-Gipfel" auch gleich mitnehmen.

Bis jetzt läuft alles super. Aber irgendwie scheint es damit plötzlich vorbei zu sein. Zuerst fällt mir mein neues Handy aus dem Rucksack. Das Resultatt sind zwei Löcher in der Panzerglasfolie auf dem Display. Zwar nicht schlimm, wurmt aber, weil es die ersten sind...
Duie einhundert Höhenmeter zum Einstieg des eher als leicht eingestuften Klettersteigs sind schnell geschafft. Auf den Steig freue ich mich, denn ich habe kürzlich einen neuen Gurt und ein neues Set erstanden, beides wunderbar leicht und technisch zeitgemäß. Was kann da schon schiefgehen?
Der Einstieg ist schnell erklettert. Dann kommt eine schräge Querung über eine kompakte Platte. Eigentlich cool und genau das, was mir Spaß macht. Aber plötzlich sagt der Kopf "Stopp!". Warum? Also überlegen, was passieren kann. Plattenkletterei, da habe ich nicht allzuviel Erfahrung mit. Also wäre ein Rutscher schon möglich. Aber es gibt ja ein Sicherungsseil. Aber ach - es ist schlapp und so alle 15 Meter mal verankert. Keine schöne Vorstellung, daran abzurutschen.
Wars das also? JA! Der Flimspitz ist bloß Zugabe, kein Hauptziel. Null Motivation, dafür was zu riskieren. Also wieder runter und auf dem Wanderweg in Richtung Bürkelkopf!

Ich verstehs nicht. Es soll doch ein Klettersteig eher für Anfänger sein. Warum nicht einfach mal eine Zwischensicherung mehr in die kompakten Platten setzen...?

Der Wanderweg zum Flimjoch (nicht zu verwechseln mit dem Flimsattel) steigt auf der Westseite des Flimspitz' bis auf ca. 2600 m ab, bevor es wieder bergauf geht. Im Talgrund liegt noch ein größeres Schneefeld. Da rüber? Sicher möglich, aber rutschig und weiter oben vielleicht steil. Also halte ich es für schlau, so 40 Höhenmeter über Blöcke nach Norden aufzusteigen und dann über Gras und Geröll ins Joch rüberzuqueren.
Dumm nur, dass da kein Gras ist, auch kein Geröll, sondern grobes Blockwerk. Natürlich drehe ich jetzt nicht um, sondern kömpfe mich durch, was natürlich eine Zeitverschwendung ist. Und anstrengend obendrein. Überhaupt ist meine Kondition eher unterirdisch oder ich bin die Höhe nicht mehr gewohnt. Nicht gerade zu Tode erschöpoft, aber unnötig verausgabt und außerdem unzufrieden erreiche ich dann endlich das Flimjoch (2756 m) bzw. die blau-weiß markierte Route zum Bürkelkopf etwas oberhalb des Jochs.

Die Motivation steigt wieder, weil schon vom Joch aus das Gipfelkreuz zu sehen ist und der Aufstieg durch die immer steiler werdende Flanke beginnt mir Spaß zu machen. Geschickt weisen die Markierungen einen Weg, welcher die Steilrinnen meist vermeidet und nur wenig Kraxelei erfordert (T4). Kurz vor dem Gipfel versperrt eine Felswand den direkten Zugang. Dort wird nach links (Westen) ausgewichen und es kommen ein paar recht hübsche Kletterstellen, welche aber mit Ketten gesichert sind. Ein richtiges T5 sehe ich hier nicht mehr, vielleicht noch ein T5- ähnlich wie am Glogghüs. Die letzten Meter am Grat sind dann weider einfach und schon stehe ich auf dem Bürkelkopf (3030 m). Obwohl etwas diesig, ist die Aussicht erstaunlich weit und offenbart einige ziemlich ungewohnte Perspektiven, zum Beispiel zu den Dreitausendern im Verwall. Super spitzig präsentiert sich die Vesulspitze (3089 m) gleich gegenüber.

Meijn nächstes Ziel ist der nur um einen Meter niedrigere Nordostgipfel. Je nachdem, was man noch alles als Gipfel zählt, gebührt diesem nämlich die Ehre, nördlichster 3000er der Schweiz zu sein ;-).
In die Scharte kommt man leicht, danach geht es über ein etwas abschüssiges Felsband (T4+) auf den Nordrücken und ohne Probleme zu P. 3029 hinauf.

Natürlich fasziniert eine Gipfelüberschreitung mehr als einfach wieder zurückzugehen. Sollte ja auch gut möglich sein, denn schließlich ist eine Art Runde blau-weiß markiert. Diese folgt aber nicht dem Ostgrat, sondern weicht nach Norden aus und durchquert zwei Scharten. Klingt kreativ...!

Zuerst steigt man etwa 100 Höhenmeter in die erste Scharte im Nordgrat von P. 3029 ab. Das geht sehr leicht - weicher Schieferschutt. Weniger hübsch sieht denn der Abstieg aus der Scharte nach Osten aus.
Ich folge den Markierungen, welche neben dem anfangs steilen Schneefeld über ungutes, loses Zeugs nach unten leiten (T5). Es sind ja sicher nur die ersten Meter so blöd - oder...?
Die Hoffnung erfüllt sich nicht. Zwar ist der "Weg" entlang der Markierungen immer irgendwie gangbar (ich glaube deshalb auch nicht, dass sie nur die grobe Richtung vorgeben sollen), aber das Gewurstel über losen Schutt und glattgeschliffene Felsbänke ist langwierig und unschön (T5, I).
Müllschrott!
Sobald das Schneefeld flach genug ist, suche ich mir eine Stelle, wo man leidlich gut drauf kommt und rutsche kontrolliert mit dem Pickel ab.

Dier weitere Routenverlauf zur Scharte P. 2866 im Bürkelkopf-Ostgrat ist klar zu erkennen und schaut einladender aus als der Abstieg. Zuerst über flachen Firn, weiter oben über Blockwerk. Das Zeug ist aber nicht so lose und lässt sich passabel begehen bzw. erkraxeln (T4). Die Scharte ist landschaftlich recht cool - eine scharfe Kerbe zwischen ansehlichen Steilwänden.
Der Abstieg zu den Seen rund um P. 2545 scheint kurz zu sein. Aber ach und oh weh - was für ein Steilhang dorthin führt... Der Untergrund: festgebackene Erde. Darauf: Steine und Blöcke jeder Größe - natürlich alle lose.
Müllschrott, verdammter!
Mit dem Pickel stochere ich mich Schritt für Schritt hinunter (T5). Und tatsächlich gibt es alle zehn Meter eine neu aussehende blau-weiße Wegmarkierung. Merken die Leute, die das anbringen, denn nicht, dass da kein Alpinist gerne langgehen wird...?

Naja, zumindest komme ich am Ende wohlbehalten bei P. 2545 an. Das war anstrengend und meine Kondition ist weg. Egal, ich muss ja nur noch runter. Und so gehe ich rüber zu P. 2457. Die Seen in diesem Bereich sind wirklich ganz hübsch, müffeln aber etwas, was die Murmler nicht zu stören scheint. Habe zwei gesehen, die etwas weniger scheu waren als sonst meistens. Von P. 2457 führt eine Piste runter zur Alp Trida mit dem Sessellift.  Man kann aber auch einfach übers Gras daneben laufen - es fühlt sich besser an.

Auf der Rückreise habe ich wieder Glück. Kaum Wartezeit an den Bergbahnen und eine staufreie Heimreise. Und genügend Zeit für ein Bierchen daheim nach all den Abenteuer... :-).

Schwierigkeiten & Gehzeiten

(Fehlversuch am Flimspitz-Klettersteig: 45 min)
Flimsattel / Ausser Viderjoch - Flimjoch: T3; 1 h (ungünstige Routenwahl)
Flimjoch - Bürkelkopf - P. 3029: T5- / I; 1 h 15 min (bis P. 3029)
P. 3029 - P. 2866 - P. 2545: T5 (oder auch WS-) / I; 2 h
P. 2545 - Alp Trida: T1; 45 min

Fazit - nun ja - vom Flimjoch zum Bürkelkopf wars gar nicht mal so schlecht. Die Überschreitung: Müllschrott!

Das Stichwort Müllschrott habe nicht ich erfunden. Es stammt aus dem Spiel "Advance Wars" für Nintendo Switch. Ein trotteliger gegnerischer Kommandant benutzt es, wenn er am Verlieren ist :-).

Tourengänger: Bergmax


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