Schattberg-Ostgrat


Publiziert von Hallodri82 , 31. Mai 2023 um 22:30.

Region: Welt » Schweiz » Basel Land
Tour Datum:31 Mai 2023
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BL 
Zeitbedarf: 2:15
Aufstieg: 700 m
Abstieg: 700 m
Strecke:10

Der Schattberg-Ostgrat steht schon länger auf meiner Pendenzenliste. Ich war schon auf seinem höchsten Punkt und dazu hatte ich auch noch eine Rechnung offen mit einem kleinen Teilstück kurz vor dem Schattberg-Pass. Inspiriert von einem Projekt eines anderen Hikr-Users habe ich mich heute spontan entschieden, diesen Grat mal abzuwandern.

Ich starte bei Wasserfallen-Talstation. Weil ich mir gewissermassen die zwar spassige aber für die Konditionierung wenig zielführende Kraxelpassage "verdienen" wollte, lege ich den Abschnitt via das Jägerweglein zügig zurück. Exakt 32 Minuten ab Start spuckt mich der offizielle gelbe WW ein paar Meter über der Wasserfallen-Bergstation aus. Die Zeit gefällt mir, aber irgendwie werde ich auch nicht schneller. Zum Jägerweglein ist nicht viel zu sagen. Nach wie vor bin ich stolz auf diesen toll angelegten Weg durch das wildromantische von der hinteren Frenke geschaffene Tal. Der Weg ist nicht "absonderlich" steil (abgesehen von ein paar kürzeren Stellen) und führt in guter T2-Manier bergan. Allenfalls die eine Stelle nach der Felspassage in der links-Kurve könnte man vielleicht als T3 bezeichnen. Kindertauglich ist der Weg allemal.  

Ich marschiere, mich verpflegend, die paar Meter runter, passiere Weiher und überdimensionierte Karten-Tafel und Weide und erreiche alsbald den Gratfuss des Schattbergs. T1. Ich verzichte auf den felsigen Einstieg, den ich ich sehe bereits die Schlagzeile vor meinem geistigen Auge:

Der Baselbieter Heiri Zgr. wollte lediglich mit dem Trotti runter zur Talstation Wasserfallen, als ein irrer Hipster-Waldschrat mit Man-Bun, der aus der Redaktion bislang nicht bekanntern Gründen den steilen, unwegsamen Schattberg erklomm, einen fussballgrossen Stein lostrat und ihn damit erheblich verletzte.  

Spass beiseite, aber es wäre dem tollen Wandergebiet Wasserfallen nicht gedient wenn obiges passieren würde. Also stieg ich ein paar Meter weiter südlich auf gut ersichtlicher Spur in den Grat ein. Die ersten Höhenmeter machen nicht wirklich Spass. Steil, verwachsen, Totholz etc. Es ist ein mühseliges Bergan-"Rutschen". Eine erste Kraxelstelle im fortgeschrittenen Ier-Grat erklimme ich direkt (vielleicht 2.5 Meter hoch), könnte sie aber links gut umgehen. Nächstes Mal werde ich das machen, denn die Steine in dieser "Wand" sind alles andere als fest. Der Grat wirkt eher breit an dieser Stelle, links und rechts noch nicht wirklich total-abschüssig. Zudem ist alles enorm intensiv begrünt, verwachsen, es liegen "1000 Sachen herum", schlimmer als im Wohnzimmer bei mir zu Hause mit 2 kleinen Töchtern. Alsbald kommt man an den ersten Felsturm, noch deutlich unter dem Weglein mit dem unmöglichen Namen, nennen wir es mal "Schmugglerweglein". T3.

Den angesprochenen Felsturm könnte ich nie im Leben direkt erklimmen. Ich mache verschiedene Möglichkeiten der Umgehung aus. Links, bzw. südlich sehe ich eine steile Rinne und einen etwas griffigeren Felsaufschwung, welche ich als schwierig einstufe. Am Felsen führt auch ein breites Band entlang, welches auf eine nördliche Umgehung hindeutet. Dieses Band macht sodann eine scharfe Linkskurve und ein schmaleres Bändlein führt sodann nördlich weiter dem Grat entlang. Es ist stark verwachsen, rechts geht es zwar theoretisch schon scharf runter, aber die Ausgesetztzeit setzt sich nicht so ein wegen der Botanik. Ich entscheide mich allerdings direkt nach der Linkskurve den bemoosten, recht gut-griffigen Felsen zu erkraxeln (vielleicht 3.5 Meter, nicht ganz vertikal, aber das ist gewiss Advanced Ier-Klettern hier). Der Felsen wirkt aber deutlich griffiger als noch bei der ersten Kraxelstelle. Ich kann nicht garantieren, dass die Stelle umgangen werden kann, da ich das Band nicht weiter beschritten haben. Im schlimmsten Fall könnte der geneigte Wanderer aber an dieser Stelle locker wieder zurück zum WW absteigen auf dem selben Weg. T4.

Ich meinte erst, dass ich nun bereits beim Schmugglerweglein wäre, aber das war Irrglaube, bis dorthin zog es sich noch ziemlich. 

Nach der vorigen Kraxelstelle wird der Grat nun definitiv "gratiger". Nicht messerscharf, aber links geht es immer wieder mal direkt runter und rechts ist es bisweilen schön steil. Immer wieder ergeben sich fantastische Ausblicke auf die Hinteri Egg. Teilweise tun sich luftige Einschlüsse aus gen Süden, wo sich Lücken auftun im Felsen. Diese Lücken passiert man auf genügend breiten Wegen und man kann sich stets eher nach rechts orientieren. T3+. 

Nach einem letzten Aufschwung erreiche ich dann doch noch das Schmugglerweglein. Dieses ebenfalls toll angelegte Weglein kreuzt gewissermassen den dort schon noch recht steilen Schattberg Ost-Grat. Den Weg habe ich schon mal begangen, er ist vielleicht etwas gar "intensiv" mit Ketten versichert, aber in Summe doch "cool" zu begehen (auch mit kleinen Kids, die sich im Gegensatz über die gestandenen Hikrs nicht über die Ketten beschweren;-)).

Nach dem Schmugglerweglein erreicht man, nach vielleicht 5 Höhenmetern, die zweite echte Felsnase. Diese umgeht man wieder nördlich auf klar ersichtlicher Spur. Ich steige nach ein paar Metern, bei zwei markanten Föhren gleich wieder auf den Grat hoch. Diese Kraxelei ist vielleicht noch einmal etwas einfacher als die zweite Kraxelei. Oben angekommen kann man noch ein paar Meter zurück nach Osten gehen, zumindest in die Nähe des Felsabbruchs. Von dort hat man abermals eine sehr tolle Aussicht zur Hinteren Egg und mittlerweile lugt auch der Bilsteinberg hervor. T3+.

Wenn ich mich richtig erinnere: der Felsen auf den ich hochgekraxelt bin, gewissermassen die Fortsetzung der Felsnase, ist gewissermassen ein "Zwischengipfel" auf dem Grat. Will heissen: er bricht irgendwann jäh ab. Deswegen habe ich ihn nordseits und gewissermassen schräg nach unten laufend, dem Grat folgend, wieder abgekraxelt. Und siehe da bald im Rückblick merke ich: den Gipfel müsste man abklettern an seiner Westseite. ca 3 Meter. Ein Abrutschen könnte schlimme Folgen haben, denn der Sockel ist schmal und südseitig geht es dann durch eine Lücke im Felsen jäh viele Meter runter. Ich bin froh dass ich die Umgehung gewählt habe.

Die Fortsetzung ist nun der schönste Teil des Schattberg-Ostgrates. Der Grat wird deutlich schmaler. Links ist er jäh ausgesetzt, rechts geht er schön steil runter, aber immer genügend "flach", damit man sich psychlogisch in diese Richtung orientieren kann. Immer wieder mal wird der Grat durch Felsplatten "messerscharf", teilweise nur ca 30 cm breit. Diese Stellen kann man gutmütig grad rechts davon umgehen, bleibt aber in unmittelbarer Gratnähe. Immer wieder auch sieht man unglaublich knorrige, dicke, verformte Föhren, die ein spezielles Bild abgeben. Hier merkt man: die Mühsal vorher hat sich absolut gelohnt. Schattberg-Massentouristen können also das Schmugglerweglein hochlaufen und dann dort in den Grat einsteigen. Ich vergebe ein T3+, weil man stets in unmittelbarer Nähe eines jähen Felsabbruches geht.

Alsbald erreicht man einen nächsten Steilaufschwung. Umgehungsmöglichkeiten habe ich nicht sondiert, könnten allenfalls nördlich gefunden werden, ganz sicher nicht südlich, denn man kraxelt relativ nahe am vertikalen Abbruch hoch. Die Hände kommen gewiss zum Einsatz, aber diese Kraxelstelle ist vielleicht noch einmal etwas einfacher als die letzte. T3+.

Weiter geht es auf dem mittlerweile echt tollen Juragrat. Mal direkt auf dem Grat, mal entlang der besprochenen Platten, welche IMMER gutmütig nordseitig umgangen werden können. Ein Felszinnchen verdient besondere Beachtung. Brüchig scheint es, ausserhalb meiner Möglichkeiten und dicke Wurzeln winden sich um seinen Fuss, als würden sie es festhalten wollen. Ich vergebe auch diesem Teil ein T3+, wegen dem weiterhin stets vorherrschenden südseitigen Vertikalabbruch.

So erreiche ich erfrischt die Militärstrasse, welche wie der Schmugglerweglein weiter unten, die Ostflanke quert. Auch dort gibt es eine Felsnase auf der Gratfortsetzung (die dritte) und auch diese übersteigt meine Möglichkeiten. Ich umgehe ca 50 Meter auf der Militärstrasse und finde dann einen Einstieg, wobei ich einen ca "Mensch-hohe" vertikal-Abbruch übersteigen muss. Der Wiederaufstieg auf den Grat dann mühsam. Steil, laubig, rutschig, verwachsen mit viel Totholz. Bald bin ich oben und schreite auf dem nun recht flachen und breiten Grat weiter nach Westen. Der Grat ändert nun seine Beschaffenheit. Von schmal, ausgesetzt, föhrig, grasig wird er nun breit, majestätisch, buchenbestanden und laubig.Immer wieder eröffnen sich südseitig nun Blicke zur formidablen Passwang/Vogelberg-Kette. T2.

Aber bald schon ändert der Grat wieder seinen Charakter: nun wird er buchenbestanden/felsig und bewegt sich in Richtung höchstem Punkt. Die Grat-Fortsetzung ab Punkt 1666 ist dann ähnlich, ich vergebe mal ein "fortgeschrittenes" T2. 

Alsbald verengt sich der Grat wieder und die Föhren nehmen wieder zu. Dies ist kurz vor der Antenne. Und so langsam lugt sie auch zwischen der Botanik hervor, die Schlüsselstelle, vor welcher ich noch im Dez 2021 kapitulieren musste: die vertikale Felsplatte. Links der Platte (südseitig) bricht das Gelände jäh manche Meter ab. Rechts ebenfalls vielleicht 3 Meter, aber der Blick verliert sich in der intensiven Botanik. Ich mache mich an die Arbeit. Ich halte mich an der Platte fest und gehe auch vielleicht 10 cm schmalem Bändchen. Mitunter auf Gras, mitunter auf Fels-Vorsprüngen. Mal muss man sich mehr festhalten am Fels, mal weniger, der Fels wirkt sehr stabil. Nur kurz dauert diese Kraxelei und schon bin ich auf dem betonierten Plätzchen der Antenne. Ich bezeichne diese Stelle als T4. Bei Eis und Schnee oder auch bei Regen würde ich diese Stelle nicht begehen wollen. Ich bin stolz auf mich selbst. Ich habe mit Wandern im September 2021 begonnen, musste wie gesagt dann vor dieser Stelle kapitulieren und habe sie heute eigentlich ziemlich humorlos überwunden. Es ist keine Schlüsselstelle, denn nordseitig kann die Platte entweder am Fuss der Platte oder in der steilen Halde darunter locker umgangen werden.

Alsbald präsentiert sich mir ein steiler Aufschwung, den ich erklimme in Ier-Klettern. Oben dann ein super Ausblick auf den Passwang-Grat, der aber selber so nah und so hoch ist, so dass die Alpen natürlich dahinter verborgen sind. T3+. Danach könnte man weiter auf dem Grat sich bewegen, aber der ist an dieser Stelle derart brutal zugewachsen, dass ich mir das schenke. Die letzten Meter umgehe ich nordseitig und erreiche alsbald den Schattbergpass.

Dann ein wunderschönes Bild: die Bürtenhof-Pferde in versammelter "Pferdestärke" friedlich grasend auf dem stets wunderschönen Grauboden.

Ein Tschöggi bringt mich via Bürtenhof zur Teer-Fahrstrasse. Langweilig? Denkste: die Rosskastanien dort sind in voller Blüte und dahinter tut sich ein fantastischer Ausblick auf die westlichen, knallgrünen Juragüpfe auf. Wundervoll.

Auf dem wunderbar schattigen Jägerweglein sodann zurück zur Wasserfallen Talstation.

Fazit: 
Die Felszäne sind für den nicht Kletterer unüberwindbar. Wenn die Umgehungen gewählt werden, dann ist der Schattberg-Grat gewiss nicht der technisch anspruchsvollste Grat des Jura. Gewiss aber ist er einer der wilderen. Er lässt sich nicht wirklich "etappieren" so wie zB der Balmfluechöpfli E-Grat und er wirkt sehr "unordentlich" und "botanisch". Grat-Sammler steigen natürlich unten ein, aber dem lauschigen Grat-Begeherin:in empfehle ich den Einstieg ob dem Schmugglerweglein. Über die Fortsetzung ab Schattbergpass kann ich nichts sagen, aber in Summe ist der E-Grat für alpine Einsteiger auf jeden Fall machbar, kleine Kinder täte ich zu Hause lassen. Ich vergebe ein T4 aufgrund meiner gewählten Route. Der nächste Schwierigkeitsgrat wäre wohl im T6er-Bereich (direkt Erklimmen der Felsnasen???) und es gäbe wohl andere Routen im T3+-Bereich.



Tourengänger: Hallodri82


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Kommentare (2)


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Gratwanderer hat gesagt: olala...
Gesendet am 1. Juni 2023 um 08:10
tip-top! die nächsten beiden wochenenden sind anderenorts verplant, aber dann werde ich das auch machen und versuchen, weiter bis zum gepunkteten weglein am schlund / dachsflue zu gehen!

Hallodri82 hat gesagt: RE:olala...
Gesendet am 1. Juni 2023 um 10:22
Bin gespannt auf deine Routenwahl. Im Tälchen hinter der Dachsflue (beim gestrichelten Weglein) war ich schon mal, das dürfte so ca der einsamste Ort sein im Baselbiet. glg!


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