Schönenberg, auf wunderschöner, einsamer Runde im Berner- und "artverwandten" Jura


Publiziert von Hallodri82 , 19. Mai 2023 um 16:30.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Berner Jura
Tour Datum:18 Mai 2023
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SO   CH-BE   CH-JU 
Zeitbedarf: 2:15
Aufstieg: 750 m
Abstieg: 750 m
Strecke:14.7

Wenn man erstens ÖV-Anschlüsse und zweitens # Hikr-Berichte zu Rate zieht, dann dürfte der Schönenberg einer der einsamsten und abgelegensten Gipfel des Jura sein. Auch auf der Karte wird seine Abgeschiedenheit klar ersichtlich. Vom Grand Mont, der hohen Winde oder dem Tannmattegg aus durfte ich ihn schon bewundern. Er lag lange auf meiner Pendenzenliste, aber alle meine geplanten Touren, auf welchen ich den Schönenberg miteinbezogen habe, liegen momentan, in der etwas stressigen Zeit in der ich mich befinde (als Vater, Lohnempfänger, Ehemann, etc), aufgrund Zeitbedarf, nicht drin.

Am Auffahrtsmorgen 2023 habe ich das geändert.


Um 03:45 klingelt der Wecker. Um 4:30 fahre ich bei mir in Frenkendorf ab. Ziel: die Streusiedelung Seehof, im Jura Bérnois. Zeitbedarf 1h. Mein Auto-Navi führt mich über Thal/Gänsbrunnen/Crémines. Gemäss meinem Google-Navi könnte ich so ca das erste Mal bei Matzendorf und kurz vor Welschenrohr das zweite Mal über die zweite Jurakette fahren. Wie? Vermutlich irgendwie durch die tiefen Zerklüftungen der breiten zweiten Jurakette (via obere Tannmatt und Mieschegg). Ich habe es nicht ergründet aber das wäre sicher spannend für Gümmeler;-)

Das erste Highlight der Tour ist noch auf der Autofahrt: Nach Corcelles, so ca bis auf Höhe Pâturage Derrière steigt die schmale Autostrasse an. Auf der "Passhöhe" eröffnet sich dann erst ein fast schon magischer Blick auf weit entfernt liegende Hügel (allenfalls um den Passwang rum), welche von der Morgensonne rot gefärbt sind. Sodann senkt sich die Strasse in ein fast schon unberührt wirkendes, einsames Tal. Nördlich begrenzt durch die steilen Flanken des "Grasbergs", einem Seitenläufer vom Schönenberg, südlich von den Ausläufern der zweiten Jurakette. Vereinzelt finden sich Höfe, ein paar Kühe sind bereits friedlich am Grasen. Ich parkere den PW auf einem Parkplatz grad neben dem Weiher "766".

Die gesamte Tour ist entweder T1 oder T2. Dennoch hatte die Tour, zumindest als ich unterwegs war, ein paar "Schlüsselstellen", aber dazu dann später mehr.

Ich starte auf dem offiziellen gelben WW, östlich vom Schlosshübel. Dort dann bereits die erste Schlüsselstelle: fast meterhohes Gras empfängt mich, von einem WW ist auf den ersten Blick nichts zu sehen. "Grand Zecken Central", meine ich und verweise sogar ob ich grad hier schon abbrechen soll. Dann finde ich eine leicht ausgetretene schmale Spur und folge der mal bergan. Eine erste Rinderherde sieht mich, hinter einem Zaun, erschrickt und galoppiert davon in Richtung des kleinen Wäldchens beim Schlosshübel.

Gleich danach die nächste Schlüsselstelle: ein Stromzaun, unmittelbar gefolgt von einem hohen Stacheldraht-Zaun, auf dem offiziellen WW. Bereits jetzt merke ich: das ist definitiv kein oft frequentiertes Wandergebiet. Also so ca auf der anderen Seite des Spektrums von Mürren/Lauterbrunnen. Ich bewältige auch dieses Hindernis. In Falllinie steige ich bergan, das Gras nach wie vor hoch und erreiche den gestrichelten Pfad, der von Schürli her rüberzieht. Dort dann bereits Schlüsselstelle Nr. 3: ca 10 Kühe, welche alle, wie eine 1 zum Gatter gelangen und mir einen Epic Staredown liefern. Die schauen mich an als hätten sie noch nie einen Menschen gesehen. In Falllinie umgehe ich die Herde westlich  und bin froh als ich auf den nordöstlichsten Ausläufer der Grasberg-Waldflanke stosse. Ich folge weiterhin stur dem WW. Bei Heraustreten auf dem Wald stosse ich auf eine Gemse. Elegant springt das Tier davon.

Am Gehöft Wandgrabe vorbei, mit zwei etwas gar aufdringlichen Hofhunden, gelange ich zum Berggasthof La Grande Schönenberg, welcher aber verlassen und wenig einladend wirkt. Wiederum geht es direkt hinter einem der Gebäude in Falllinie auf den grasigen Schlussanstieg zum Schönenberg. Eine weitere Kuhherde kommt geschlossen auf mich zu. Sie folgt mir und beäugt mich. Statt auf dem eingezeichneten Weg in NE-Richtung steige ich zügig in Fallinie weiter rauf, bis die Herde irgendwie keine Lust mehr hat und stehen bleibt. Trotzdem war das relativ nervtötend.
Ab La Grande Schönenberg wirkt der grasbewachsene, wenig baumbestandene und weit/breit anmutende Schönenberg sehr beeindruckend. 

Ich traversiere dann gewissermassen auf der Höhe bis zum Pt 1194 (den ich nach ca 35 Minuten ab Start der Tour erreiche), wobei ich aber einen Stacheldraht auf einer "Steintreppe" überwinden muss. Aussicht vom Schönenberg wäre gewiss in alle Himmelsrichtungen Top. Aber leider sehr verhangene Sicht in Richtung der beiden Juraketten 1/2 und der Alpen. Als ich an dem Häuschen vorbei laufe und aus der Baumgruppe heraustrete, dann die Überraschung. Selten habe ich eine so tolle Aussicht erleben dürfen wie heute und zwar in Richtung NE. Vordergründig dominiert die mächtige Hohe Winde die Szenerie in der Ferne. Rechts von ihr und noch weiter entfernt ein spitzzulaufender Gipel (konnte ihn nicht identifizieren), flankiert von ein paar anderen Bergen, alle "hazy" und in gleissendes Sonnenlicht getaucht. Dieses Sonnenlicht bildet sodann eine Art Wasserfall, am Gehöft Vorder Erzberg vorbei und ins Scheltenpass-Tal runter (Zeit: 6:28, am 18. Mai, für den Fall dass ein Profi-Fotograph:in das liest). Rechts von der hohen Winde dann unzählige weitere "rolling hazy hills". Was für ein Schauspiel. Was für eine Pracht.

Ich steige kurz ab und dann gerade wieder auf, um auf den breiten, majestätischen Gras-Grat der "Champagne" zu gelangen. Das erste Mal heute kann ich gemütlich joggen. Vielleicht 100 Meter vor der Bellihütte eröffnet sich dann nochmals das selbe Schauspiel. Wieder dominiert die Hohe Winde. Der Grasgrat ist wirklich sehr schön, es blühen die Narzissen und die Wiese ist von intensivstem Grün. Sinn und Zweck der einsamen Bellihütte erschliesst sich mir nicht, aber sie passt toll in die gesamte Szenerie. Der Grasgrat wirkt windig und luftig und man hat das Gefühl, majestätisch "über allem irdischen" zu schreiten.

Auch der Weiterweg Richtung Rotlach ist sehr schön, immer wieder tolle Blicke in Richtung Dürreberg und Grand Mont. Bei Rotlach werde ich dann von einem sehr unsympatischen Hofhund aufgefordert "weiter zu gehen, hier gibt es nichts zu sehen" und schon bald befinde ich mich auf dem von weit her "hart" aussehenden Aufstieg zum Matzendörfer Stierenberg. In Tat und Wahrheit sind primär die ersten ca 100 Metr in Falllinie ab Rotlach sehr steil, danach wird es flacher, der sehr steilen Nordwest-Flanke des Matz. Stierenberg entlangs. Der Weg ist zuerst ein schöner Mergelweg und wird dann zu einem wunderschönen Singletrack. Im Wald dann ist die Flanke praktisch vertikal steil, der Weg selbst nur moderat, aber eben: fast vertikal ist von der Wahrnehmung und der objektiven Gefahrenlage her absolut ungleich vertikal. Kein Schwindel, und deswegen auf jeden Fall nicht mehr als T2. Bei der Passhöhe dann die Erkenntnis: "aha, deswegen hatte ich noch nicht so viel Sonne. Der massige Matz. Stierenberg hat diese blockiert!" Ich trete also hinaus in gleissendes Sonnenlicht. Grüne Wiesen, gelbe Narzissen und in der Ferne die dunstigen Berge der ersten Solo Jurakette, Roggen etc. geben ein tolles Stimmungsbild.

Schnell bin ich unten, bei Pt 1105. Dieser Pt bildet gewissermassen das obere Ende des eingangs erwähnten tollen einsamen Tals welches ich mit dem Auto befahren habe.

Der Aufstieg dann zum eigentlich namenlosen Berg, den ich mal "Zentner-Kreuz" nenne ist dann einigermassen brutal. Am Hof Zentner vorbei zur kleinen, namenlosen "Passhöhe" beim Strommast östlich von Pt 1220, der zwar keinen Namen hat aber dennoch glaube ich den vierthöchsten Punkt der gesamten zweiten Solo-Jurakette darstellt (neben den beiden ebenfalls namenlosen Pt 1239 sowie dem Matzendörfer Stierenberg mit 1222).

Sobald ich aus dem kleinen, meditteran wirkenden, sonnenverwöhnten Wäldchen heraustrete eröffnet sich mir ein majestätischer Blick dem breiten Grasgrat entlang nach Südwesten. Ich hole mir bei Pt 1150 einen Stromschlag ein weil ich das Mountain Bike-Kuhgatter nicht am Griff stosse sondern auf der Fläche (aus der Dümme heraus) und steige sanft bergan bis Tannmattegg (ein Ort der mir enorm gut gefällt). Mein Blick schweift rüber zum Schönenberg, weit weg wirkt er bereits. Ich mache auch wieder die Bellihütte aus.

Den schönen Weg bis zur Mieschegg, der Hoffhund begrüsst mich heute deutlich freundlicher als das letzte Mal. Sodann abartig kuhtrittig auf dem offiziellen, aber nicht sichtbaren WW Richtung Seehof, und der langen Cholbergflanke entlang zurück bis Seehof. Bei Müliguet eröffnet sich einem noch der Blick in ein wunderbares, wirklich unberührtes Bergtal (Richtung Osten).

Bonus: der Weiher, an welchem mein Auto geparkt war ist ebenfalls sehr schön, mit drei wunderbaren Birken.

Fazit: diese Tour hat alles, was sie versprochen hat, gehalten. Fernab von Touristenströmen der 1. Solo-Jurakette, einsam, unberührt, wunderschön. Dazu technisch völlig unschwierig. Sie hat mich echt berührt. So was von empfehlenswert. Aber so was von.



  

Tourengänger: Hallodri82


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