Kurzbericht 

Z'Mittag im Lötschetal...


Publiziert von lorenzo , 14. Mai 2023 um 15:53.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum:13 Mai 2023
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Ski Schwierigkeit: ZS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 8:15
Aufstieg: 2125 m
Abstieg: 2125 m
Strecke:25,5 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Vom Mittelland mit dem ersten Autozug 5.24 durch den Lötschberg nach Goppenstein und durch das untere Lötschental über Blatten zur Fafleralp, Parkplatz Sandbletscha (1768m)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Fafleralp
Kartennummer:LK 1268 Lötschental, 1268 Mürren, 1249 Finsteraarhorn, S 264 Jungfrau; Swisstopo Skirouten; www.campotocamp.org; D. Anker, R. Schneeg, Skitouren Berner Alpen Ost, SAC 2004

Das Lauterbrunnen Mittaghorn stand schon seit Ewigkeit auf meiner Wunschliste, und am Samstag vor einer Woche wollte ich bei angekündigt zunehmenden Aufhellungen endlich einen Versuch von der Fafleralp aus über die Lötschenlücke wagen. In Goppenstein dann die erste Enttäuschung, als bei der Losfahrt heftige Schauer auf die Windschutzscheibe niederprasselten, gefolgt von der zweiten auf der Fafleralp, wo es immer noch leicht regnete und nieselte, und die Sicht zur Lötschenlücke durch tieflegende Wolken verhangen war. Drei Waadtländer, die mir irgendwie bekannt vorkamen, zogen trotz "conditions pas optimales" unverdrossen Richtung Mittaghorn los, während ich mich nicht dazu motivieren konnte und demi-tour machte. Die dritte Enttäuschung packte mich dann bei der Ausfahrt in Kandersteg an den Nieren, das unter strahlend blauem Himmel seine nur noch von sich auflösenden Wolkenresten umschwebten und im ersten Licht der Morgensonne strahlenden stolzen Dreitausender Rinderhorn, Doldenhorn und Blüemlisalp zur Schau stellte. Der finale Dolchstoss ereilte mich schliesslich am Sonntagmorgen, als ich in einem Bericht auf www.camptocamp.org von einer erfolgreiche Besteigung des Mittaghorns über den Anungletscher bei alles in allem gar nicht so schlechtem Wetter las. Den Autor hatte ich mit einem seiner beiden Kollegen bereits vor 10 Jahren bei einer Tour zum Tschingelhorn getroffen, wonach wir uns auf der Fafleralp verabschiedeten. 3 Jahre später hatte er sich bei der Suche nach dem verschollenen morphine engagiert, und in all den Jahren habe ich bei ihm immer wieder wertvolle und verlässliche Tourenempfehlungen gefunden.

Die Lehre, die ich aus dem selbstverantworteten Debakel zog, war einfach und klar: bei scheinbaren Widrigkeiten nicht vorzeitig aufgeben, sondern es zuerst einmal zumindest versuchen. Schon eine Woche später war es dann so weit. Trotz rund um Europa um die Wette tanzenden Tiefs, die uns noch bis weit in den Mai launisches Aprilwetter bescherten, wurde für besagten Samstag inneralpin ein Schönwetterfenster bis zum frühen Nachmittag angekündigt. Deshalb, und weil Maurice "glacier bien bouché" notiert hatte, entschied ich mich ebenfalls für die "Abkürzung" über den Anungletscher. Vermutlich vor lauter Aufregung stand ich dann eine Stunde zu früh auf, was ich freilich erst nach dem Losfahren bei den Dreiuhrnachrichten realisierte. Die verpasste Schlafstunde durfte ich dafür bei niedergelassenem Sitz am Autoverlad in Kandersteg nachholen. Nach einer diesmal klaren Nacht startete ich bei 1 Grad auf der Fafleralp, und bereits eine Viertelstunde später konnte in die Ski steigen. Auf gefrorenem (Rest-)Schnee gelangte ich auf einem abwechslungsreichen Mix von Ski- und Wanderroute zügig zur Anenhütte und weiter bis zur Anenlücke. Bei immer noch freundlichem Wetter überquerte ich das Plateau des Anungletschers, wo die alten Spuren unter zunehmendem Pulver langsam verschwanden. Ein offensichtlicher und sicherer Weg durch den tatsächlich gut verschneiten Gletscherbruch liess sich aber zu meiner Erleichterung auch ohne Spuren finden, und beim Schlussaufstieg durch die obere Gletschermulde konnte ich mich im inzwischen dichten Nebel gut am durchschimmernden SW-Grat und an den Felsen des S-Gipfels orientieren. Wie erwartet war die Aussicht vom Gipfel praktisch null und beschränkte sich auf die drei sich bald im Nebel verlierenden Grate. Nur für kurze Augenblicke zeigten sich verschwommene Andeutungen von der Äbeni Flue und von der Jungfrau im NE.

Die fehlende Sicht wurde durch Windstille und ein angenehme Temperatur wettgemacht. Die Felle waren rasch verstaut, und nach einem frugalen "Mittagessen" - dem vielversprechenden Namen des Gipfels sei's gedankt - folgte ich in drehfreudigem Pulver meiner Spur zum Gletscherbruch. Besonders hier war ich froh um meine "Nabelschnur", zumal neben der schlechten Sicht inzwischen auch Bruchharsch das Fahren zusätzlich erschwerte. Dafür konnte ich es dann auf dem darunterliegenden Plateau auf (z.T. bereits fauligem) Sulz ziehen lassen, wobei vereinzelte Schneeflocken kaum störten. W von der der Moräne hatte es z.T. noch schönen Sulz, bevor sonnseitig schwerer, z.T. spontan abrutschender Nassschnee das Fahren mühsam machte und entsprechende Vorsicht erheischte. Wegen Schneemangel wählte ich unter der Anenhütte die NW Variante über P. 2108, die aber auch nicht ganze portagefrei zu haben war. Zurück bei der Brücke auf Ganderre machte ich nochmals Pause, und verlor mich im betörenden Rauschen der talauswärts fliessenden Lonza. Aber noch war die Tour nicht zu Ende. In p
lüttrigem Nasschnee gleitend und stöckelnd, dabei froh um alte Spuren von der Lötschenlücke her, musste ich zuerst noch den steinigen Grund queren, wo mächtige Nassschneelawinenkegel von den Lonzahörnern und den Gletscherspitzen zum Ausweichen zwangen. Die Saison für die Lötschenlücke schien definitiv vorbei zu sein, und ausser vereinzelten Wanderern war hier kein Mensch mehr unterwegs. Nach einer ausklingenden Tragpassage ab dem Grundsee schaffte ich es schliesslich aber doch noch wohlbehalten zurück zur frühlingshaften Fafleralp. Kaum war ich ins Auto gestiegen, ploppten erste Regentropfen aufs Dach, und nach Blatten folgte Wolkenbruch um Wolkenbruch, zum Glück heute in umgekehrter Reihenfolge...

Anenhütte
Aufstieg: vom Parkplatz Fafleralp (1768m) auf der Skiroute (blau) über Grund, Brücke 1938 und Wegweiser 2139 zur Anenhütte (2355m), oder bei Schneemangel auf dem Wanderweg (gelb) über Grundsee (1838m), Brücke 1938 und Brücke Ganderre (1978m) zu Wegweiser 1998, und auf dem Bergweg (weiss-rot) über Wegweiser 2139, ab ca. 2180m ev. durch das Couloir NW des Bergwegs und den folgenden SW-Rücken, zur Hütte, 1h 30min-2h, T2, WS. 

Abfahrt bzw. -stieg: auf der gleichen Route, oder abhängig von der Schneelage im oberen Drittel weiss-rot bis Wegweiser 2108 und gelb bis Wegweiser 1998, 1h-1h 30min, T2, WS.

Mittaghorn
Aufstieg Anungletscher-SW-Flanke: von der Anenhütte (2355m) W entlang oder auf der orografisch rechten Moräne bis zur Anenlücke (ca. 2800m, blaue Anschrift und zuoberst Steinmann) und E vom Jegichnubel (3124m) ansteigende Querung zum Anungletscher. Über diesen, Zem Hindri Ligg (3009m) und den Grosshorn S-Rücken E passierend, nach NNE zum Gletscherbruch ab ca. 3250m, der an geeigneten Stellen S-förmig über eine Rampe von SW nach NE bis ca. 3600m durchstiegen wird (30-35 Grad). Dann durch das obere Gletscherbecken nach NE und zuletzt über die SW-Flanke (kurz 40 Grad) auf den obersten S-Grat und über diesen in Kürze zum Gipfel (3893m), 4-5h, ZS+.

Abfahrt: Abfahrt entlang der Aufstiegsroute, wobei der Gletscherbruch W über den Steilhang (ca. 40 Grad) unter dem Mittagjoch (3640m) umfahren, und ab der Anenlücke (ca. 2800m) auch E der Moräne abgefahren werden kann, 45min-1h, ZS+.

Insgesamt 7h 15min-9h 30min.

Verhältnisse: morgens sonnig mit Schleierwolken und kühl, im Tageverlauf Aufwärmung und zunehmend Quellwolken mit Sichtverschlechterung und leichtem Graupeln und Schneefall. Durchgehend Schnee ab ca.  Grundsee, bis Anenlücke gefroren und griffig, dann 5-20cm Pulver auf (an-)gefrorener Unterlage. Bei der Abfahrt ab Mittag oben Pulver, im Gletscherbruch Bruchharsch, bis zur Anenhütte Sulz und faul, darunter faul und Schwimmschnee. Zahlreiche abgegangene z.T. grosse Nasschneelawinenzüge unter der Gletscheralp und dem Grat Jegichnubel-Grosshorn. Alte Aufstiegs- und Abfahrtsspuren unterhalb des Gletscherbruchs. Portage bis und ab Grundsee, sowie kurz auf dem Bergweg oberhalb den Wegweisern 2108 und 1998.

Material: übliche Skihochtourenausrüstung.

Fahrplan: 6.30 Start, 8 Uhr Anenhütte, 8.45 Anenlücke, 9.45 Gletscherbruch, 12.15 Gipfel, 13.15 Anenhütte, 14 Uhr Brücke Ganderre, 14.45 retour.

Tourengänger: lorenzo


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