Pizzo Cassinello von Zerfreila

Der Pizzo Cassinello ist ein pultförmiger Gipfel südlich des Passo Soreda und Teil des Grenzkamms vom Läntatal zum Valle di Blenio. Er ist von der Valser Seite aus unschwierig zu besteigen und bietet eine wunderschöne Aussicht, insbesondere zur nahen Adula/Rheinwaldhorn und zu den Berner, Walliser und Glarner Alpen. Zur Verkürzung des sonst langen Anmarschwegs einer Tagestour leistet das Bike gute Dienste.

Während meine Frau von Zerfreila aus die schöne Tour zur alten Arve von Ampervreila machte (siehe hier), benötigte ich etwas mehr Bewegungsradius. Mit dem Bike fuhr ich vom Parkplatz bei der Beiz Zerfreila zur Kapelle oberhalb dem Stausee und dann dem fast voll gefüllten Stausee entlang via Canalbrücke zum Oksastafel. Mit einigen Schiebepassagen gings per Bike recht gut weiter zur Lampertschalp, wo die Alpleute soeben ihre Hütte am dicht machen waren. Zehn Minuten hinter der Alp zweigt der recht gut unterhaltene, rotweiss markierte Fussweg zum Passo Soredo ab. Anfangs gehts recht steil hinauf, dann hinein in eine kleine Schlucht, bevor man auf einer Höhe von ca. 2360m zu einer flacheren Wiese gelangt. Hinten im Tal erblickt man die ganze Zeit die formschöne Pyramide der Adula. Über das obere Ende des Cassinelltobels hinauf, bis man auf einer Kuppe von ca. 2600m den ersten namenlosen See passiert. Gemäss dem neuesten Clubführer Bündner Alpen 2 (5. Auflage 1996) würde ab einer Höhenkote 2500m über den Cassinellgletscher die kürzeste Route von der Läntaseite zum Pizzo Cassinello führen, doch vom ehemaligen Gletscher findet sich gar nichts mehr! So stieg ich über Gletscherschutt dem bequemeren Wanderweg weiter bis zum Soredapass, der einen eindrücklichen Tiefblick ins Val Scaradra, einem Seitental des Luzzone-Stausees, eröffnet. 

Der 2759m hohe Passo Soreda ist die tiefste Einsattelung vom Valsertal ins Tessin. Man vermutet, dass der hinterste Teil des Valsertals mit der einstigen Siedlung Zerfreila vom Bleniotal her besiedelt wurde. Über den früheren Saumweg führte man das Vieh aus dem Bleniotal zur Sömmerung auf die Lampertsch Alp, die damals noch "Alpe Soreda"genannt wurde. Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, wie das Vieh damals den teilweise sehr steilen Weg bewältigt hat!

Beim Imbiss auf dem Pass beobachtete ich 2 Berggänger, die soeben vom Pizzo Cassinello abstiegen. Über den breiten Felsrücken stieg ich, geführt von vielen Steinmannli und blauweissen Markierungen in ca. 1 Stunde zum Gipfel hinauf. Der silberne Gneisfels ist sehr griffig und machte den Spaziergang zum Vergnügen. Nachdem ich mit den beiden entgegenkommenden Tessinern einen kurzen Schwatz hielt, umging ich die einzige kurze vereiste Stelle. Ansonsten war der Aufstiegsweg praktisch schnee- und eisfrei (T3+). Oben angelangt genoss ich ganz allein die viel gerühmte Aussicht mit dem fesselnden Blick zur Adula. Der Läntagletscher hat sich sehr weit zurückgezogen. Die Gletscherzunge des Läntagletschers, zu der von der Läntahütte ein Gletscherpfad hinaufführt, besteht eigentlich aus Toteis. Der Abstieg führte mich den Steinmannli entlang zurück zum Soredapass. Auf dem Wegweiser war eine Wanderzeit von 6 Std nach Vals angeschrieben. Dank dem Bike war ich ohne Eile in 2.5 Std wieder in Vals unten und genoss bis zur Beiz in Zerfreila die ganze Zeit eine angenehme Herbstsonne. Eine technisch leichte und landschaftlich sehr schöne Tour!