Großer Happ (3350m) inklusive Nordschulter - Gletscherschwund und falsche Schwierigkeitsangaben


Publiziert von BigE17 , 1. August 2022 um 10:53.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:24 Juli 2022
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 13:00
Aufstieg: 2250 m
Abstieg: 2250 m
Strecke:23 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittersill über den Felbertauern oder von Lienz kommend nach Matrei in Osttirol. Nun ins Virgental hineinfahren und dabei immer auf der "Hauptstraße" bleiben. In Ströden endet diese Straße bei einem großen Parkplatz (eine kleine Parkgebühr).
Unterkunftmöglichkeiten:Essener-Rostocker Hütte, Johannishütte

Der Große Happ ist ein spektakulärer, steiler Gipfel unmittelbar südlich vom Großen Geiger, zwischen dem Maurer- und Dorfertal. Noch dazu ist er lediglich 10 Meter niedriger als der sehr beliebte Große Geiger, und wesentlich einfacher besteigbar. Da würde man vermuten, dass der Große Happ ebenfalls ein populäres Ziel ist. Aber weit gefehlt! Da der Aufstieg lang und großteils weglos ist, steigt kaum jemand auf den Großen Happ. Außerdem wird in der Literatur beschrieben, dass man die volle Gletscherausrüstung braucht. Das ist mittlerweile wegen des Gletscherrückganges nicht mehr der Fall, jedoch wissen das viele nicht. Für mich und einen Tourenpartner war an diesem Wochenende wegen der tollen Wettervorhersage der Große Happ das Ziel. Wir wollten dabei nicht nur den Hauptgipfel besteigen, sondern auch die Nordschulter - wodurch sich die Tour um einiges verlängern sollte...

Wir starteten um 5:30 beim Parkplatz in Ströden. Wir folgten dem Schotterweg in Richtung Essener-Rostocker-Hütte, später wurde daraus ein Steig. Auch wenn der Untergrund zwischendurch kurz sehr schlammig war, und die Schuhe danach dementsprechend aussahen, erreichten wir ohne Probleme die Hütte. Ab nun folgten wir der Markierung in Richtung Türmljoch. Dabei führte der Weg flach weiter in das Tal hinein, nach kurzer Zeit waren auch zum ersten Mal unsere beiden Gipfel zu erkennen. Schließlich macht der Steig eine Rechtskurve, dann gewannen wir wieder deutlich schneller an Höhe. Bis auf knapp über 2400m blieben wir am Weg, dann verließen wir ihn.

Wir stiegen über einen immer steiler werdenden Grashang nach oben, ab einem gewissen Punkt war auch Trittsicherheit erforderlich. Wir trafen nicht ganz den idealen Weg, und mussten so ganz kurz im 45 Grad steilen Gelände aufsteigen. Das war wegen des nassen Grases nicht ganz ungefährlich. Wir hätten diese Stelle aber weiter links deutlich einfacher umgehen können... Nun wurde das Gelände wieder flacher. Weit im Nordosten tauchten auch wieder unsere Gipfel auf. Doch zuvor musste nach einem kurzen Flachstück ein kurzer Schutthang überwunden werden.

Jetzt erreichten wir das große, von Gletscherschliffen übersähte Kar unterhalb des Südlichen und Großen Happ. Auch den Einstieg in die Gipfelflanke konnten wir von hier aus bereits sehen. Doch der Weg dorthin war noch recht weit. Anfangs querten wir flach kurz nach links, dann begannen wir, über die Platten ein wenig anzusteigen. Dabei querten wir jedoch weiterhin stets nach links. Gelegentlich mussten wir dort kurz klettern (I), mit sehr geschickter Routenführung kann man den Gletscherschliff auch ohne Klettern überwinden. Nach einiger Zeit gelangten wir endlich zum Einstieg in die Flanke. Nach einer leicht absteigenden Querung fanden wir plötzlich Steigspuren vor. Entlang dieser überwanden wir mühsam eine schuttige Steilstufe. Schon im unteren Teil wurde dann auch der Blick in die Westflanke der Nordschulter frei. Noch ahnten wir nicht, dass wir dort aufsteigen müssten. Doch zuerst wollten wir den Hauptgipfel besteigen. Dazu folgten wir den Steigspuren weiter nach oben, die Flanke wurde wieder flacher. Der Weg durch die lange Schutt- und Blockflanke war zwar nicht sehr anstrengend zu begehen, zog sich jedoch noch ordentlich in die Länge. Nach insgesamt 5h 30min erreichten wir endlich den Gipfel des Großen Happ.

Unser Plan war nun, über den Verbindungsgrat zur Nordschulter hinüberzuklettern, und danach wieder zum Hauptgipfel zurückzukehren. Erst dann wollten wir unsere Gipfelrast machen. Dazu mussten wir über den sehr steilen Nordgrat absteigen. Beim Anblick des Grates kamen aber schon erste Zweifel auf. Die ersten Meter waren schon ordentlich ausgesetzt, aber noch einfach (I). Dann kletterten wir kurz entlang des immer steiler werdenden Grates ab (II), wobei es immer luftiger wurde. Auch die Felsqualität war nicht perfekt. Als wir ein Felsköpfchen mit einer Abseilschlinge erreichten, war klar: Hier kommen wir ohne Seil niemals runter! Der Grat bricht überhängend ab. Auch westlich des Grates befinden sich überhängenede Felsen. Die Flanke östlich vom Grat war immerhin nicht überhängend. Aber die Kletterei wäre mindestestens ein 3. Schwierigkeitsgrad gewesen, unten wahrscheinlich noch schwieriger. Der in der Literatur erwähnte 2. Schwierigkeitsgrad ist leider Blödsinn.

Immerhin dauerte es keine 5 Minuten, um zum Gipfel zurückzukehren. Nun holten wir die Gipfelrast nach, wobei das Panorama fantastisch war. In der unmittelbaren Nachbarschaft des Großen Happ befinden sich etliche hohe Gletschergipfel, die mit ihren zerrissenen Gletschern sehr spektakulär aussahen. Leider war in südlicher Richtung der Himmel ziemlich bewölkt. Daher war die Fernsicht doch ordentlich eingeschränkt. Aber trotzdem blieben wir eine Weile am Gipfel. Nach einiger Zeit begannen wir wieder mit dem Abstieg. Den oberen Teil der Flanke konnten wir recht schnell absteigen, dann verließen wir den Weg, um eventuell ohne großen Höhenverlust in die Westflanke der Nordschulter queren zu können. Hier konnten wir erst ein bisschen durch steilen Schutt abrutschen, dann mussten wir kurz durch eine Rinne abklettern (II). Danach wäre eine Querung in die Flanke möglich gewesen - aber nur mit Pickel und Steigeisen. Unsere Schneeketten hätten da nicht ausgereicht. Daher stiegen wir über Schutt und Gletscherschliffe weiter ab (Stellen I), bis wir uns auf ca. 3070m befanden. Dabei standen wir bereits am nördlichen Rand der Flanke, wo eine Felswand zum Maurerkees abbricht.

Hier war offensichtlich ein Anstieg ohne Schnee/Eis mölich. Doch das Gelände war von anfang an recht mühsam zu begehen. Glatte Platten wechselten sich mit wackeligen Blöcken ab. Zwischendurch mussten wir über ein wenig steilere Platten aufsteigen. Dort gab es kurze Kletterstellen (I). Darüber wurde das Gelände schuttiger und noch anstrengender. Schon bald steilte die Flanke ordentlich auf (bis 45 Grad). Dort mussten wir abwechseld leicht klettern (I) und durch steilen Schutt aufsteigen. Ausrutschen war nicht an jeder Stelle erlaubt. Schließlich erreichten wir durch eine Rinne (I) ein Schärtchen südlich des Gipfels der Nordschulter. Von dort querten wir in der westlichen Flanke eine Platte (I). Dann überwanden wir einen plattigen Gratteil (II). Nun standen wir bereits unter dem steilen Gipfelturm. Nach einigem Umsehen erkannten wir an einer Kante genug Griffe und Tritte, um aufzusteigen. Das ganze war jedoch ein wenig ausgesetzt und nicht ganz einfach (II-III), noch dazu waren an einer Stelle die Griffe ein wenig locker. Mit meinen neuen Schuhen fiel mir das Klettern gar nicht so leicht, aber ich konnte die 10 Meter auch noch gut seilfrei überwinden.

Nun rasteten wir wieder eine Weile. Dabei begutachteten wir auch den brutalen, spektakulären Abbruch am Grat zum Hauptgipfel. Kurz überlegten wir auch, direkt am Westgrat der Nordschulter abzusteigen - dürfte ein wenig leichter sein, als der Aufstieg. Doch wir stiegen schließlich über den Aufstiegsweg vom Turm ab. Den plattigen Gratteil umgingen wir nun deutlich einfacher in der Westflanke (I). Dann rutschten wir angenehm durch den Schutt über die Flanke ab, lediglich an den wenigen, kurzen Kletterstellen war Vorsicht geboten. Auch die Platten und das Blockgelände bereiteten keine Probleme. Nun mussten wir wieder auf ca. 3070m durch eine Schuttflanke zurück in die Aufstiegsflanke des Hauptgipfels queren. Dort mussten wir langsam gehen, da unter dem Schutt Eis war. Abgestürzt wären wir nach einem Ausrutscher sicherlich nicht, aber ein paar Steine waren doch ein wenig spitz.

Schließlich gelangten wir wieder zum Aufstiegsweg auf den Hauptgipfel. Wir kehrten zum Einstieg in die Flanke zurück. Im Abstieg wollten wir eine etwas andere Linie wählen. Dazu stiegen wir von Anfang an über teilweise steilere Platten ab (auch hier Stellen I). Doch wir waren ein wenig zu tief und konnten eine größere Schlucht nicht mehr überqueren. Daher mussten wir weiter über Platten und ein Schneefeld bis auf eine Gras- und Schuttterasse absteigen. Danach erwartete uns eine sehr lange Querung im Auf und Ab über die Terrasse. So erreichten wir den Aufstiegsweg exakt oberhalb des Grashanges. Diesen überwanden wir nun leicht, indem wir das steilste Stück problemlos umgingen. Bald war wieder der Steig erreicht, und wir mussten nur noch den sehr langen Weg an der Hütte vorbei bis zum Parkplatz in Ströden hinter uns bringen. Dort kamen wir um 18:30 an.

Erwähnenswertes:

1. Die Schwierigkeitsangabe T6/WS gilt nur dann, wenn man die Nordschulter ebenfalls besteigt. Falls man nur den Hauptgipfel des Großen Happs besteigt, liegt die Schwierigkeit lediglich bei T4+. Je nach Routenwahl sind am Gletscherschliff Stellen im 1. Schwierigkeitsgrad zu bewältigen (nicht ausgesetzt). Dort ist auch die Orientierung im Abstieg nicht ganz einfach. Und am steilen Grashang ist Trittsicherheit notwendig. Ansonsten ist der Anstieg einfach nur sehr weit. Der Anstieg ist vollkommen gletscherfrei. Anfänger haben wegen des weglosen Geländes am Großen Happ trotzdem nichts zu suchen.

2. Es gibt mehrere alternative Wege, den Einstieg in die Gipfelflanke zu erreichen: Man kann eine Schuttrinne westlich des Kleinen Geigers emporsteigen und dann das große Kar queren (siehe Bild). Man kann auch vom Türmljoch aus den SW-Grat des Südgipfels des Südlichen Happ auf ca. 2950m überschreiten und flach über Platten bis zum Einstieg hinüberqueren. Es ist auch möglich, von der Südwand des Kleinen Maurerkeeskopfes her das gesamte Maurerkees bis zum Einstieg queren. Diese Variante ist deutlich anspruchsvoller. Eine im Winter häufig befahrene Rinne ins Maurertal sollte im Sommer besser gemieden werden.

3. Der Gratübergang vom Großen zum Südlichen Happ ist schwierig (III, heikel). Alternativ kann man die Gipfelflanke bis zum Einstieg absteigen und dann über den Gletscher und eine Schuttflanke aufsteigen (ebenfalls nicht zu empfehlen).

4. Der Gratübergang vom Hauptgipfel zum Nordgipfel ist schwierig. Abseilen ist notwendig, wobei der Abseiler eine ordentliche Höhendifferenz hat (vermutlich gut 40 Meter!). Da ein Aufstieg über diesen Grat nur unter großen Schwierigkeiten möglich sein dürfte, muss man im Anschluss entweder über unseren Weg absteigen - oder über den Nordgrat der Nordschulter zum Maurerkees abseilen.

5. Für einen Übergang zum Großen Geiger muss man entweder über den Nordgrat der Nordschulter abseilen, oder über die gesamte Gipfelflanke absteigen und zum Maurerkees queren.

6. Skitouren zum Großen Happ sind sehr weit und steil. Daher ist eine Sommerbesteigung definitiv viel einfacher.

7. Die Besteigung der Nordschulter dürfte am einfachsten Weg - wahrscheinlich am Westgrat - ein 2. Schwierigkeitsgrad sein. Unser Weg erreicht den Schwierigkeitsgrad II-III, ist aber seilfrei machbar. Falls noch Schnee auf der Aufstiegslinie liegt, sind Pickel und Steigeisen notwendig. Eine Besteigung der Nordschulter kostet ordentlich Zeit (unsere Tour verlängerte sich um 2h).

8. Der Große Happ ist trotz seiner Höhe und des leichten Aufstieges ein sehr einsamer Dreitausender. Bergeinsamkeit ist fast garantiert.

9. Das Panorama am Gipfel wird von den wunderschönen Gletschergipfeln der Venedigergruppe geprägt. Da ist es kein Problem, dass durch die höheren Gipfel die Fernsicht nach Westen und Nordosten sehr eingeschränkt ist. Bei gutem Wetter ist die Aussicht nach Süden und Nordwesten durch keinen höheren Gipfel mehr blockiert und dementsprechend weitläufig. Während des gesamten Aufstieges sind die anderen Gipfel im Maurertal definitiv der Blickfang. Unter anderem deswegen ist eine Besteigung des Großen Happs sehr empfehlenswert. Die Nordschulter ist wohl nur für Gipfelsammler interessant.

Tourengänger: BigE17


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Kommentare (1)


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Heidelberger Gipfelsammler Ötzi II hat gesagt: Großer Geiger
Gesendet am 22. April 2024 um 11:10
Interessanter Bericht! Bei meiner Skihochtour zum Großen Geiger werde ich versuchen, den Großen Happy mitzunehmen!


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