Cima Brenta Alta, Cima Brenta Bassa, Cima Margherita: Drei Gipfel um die Pedrotti-Hütte


Publiziert von rele , 11. August 2022 um 10:15.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:10 Juli 2022
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 

Der AV-Führer zur Brenta-Region aus dem Jahre 1988 ist offenbar immer noch das modernste deutschsprachige Werk zum Thema (naja, zumindest, was die "Gebietsführer" betrifft)! Dort sind viele Gipfelrouten noch mit dem UIAA-Grad II versehen, die heute in der italienischen Literatur oft deutlich schwerer bewertet werden (z.B. Torre di Brenta: III, Sfulmini: IV-). So fragt sich der moderne Free-Solo-Wanderer, an welche dieser Gipfel man sich auch ohne Seil herantrauen könnte: Einfach Ausprobieren scheint die Devise! Auf dem Weg zur Pedrotti-Hütte haben wir die Cima dei Armi, deren Zustieg aus der Bocca dei Armi arg bröckelig aussah (1. Foto), gleich links liegen lassen. Rund um die Pedrotti-Hütte stehen noch vier weitere solche "IIer"- Gipfel zur Auswahl: Das Croz del Rifugio streiche ich schon beim Anblick des ehrfurchtgebietenden Topos wieder aus meiner Liste. So bleiben noch die Cima Brenta AltaCima Brenta Bassa und die Cima Margherita zu erkunden. Wir beginnen unsere Versuche an der Bocca di Brenta mit dem Normal-Anstieg auf die Cima Brenta Bassa, deren Besteigung ich zu diesem Zeitpunkt noch als die leichteste der drei einschätze.

Cima Brenta Bassa, T6, II:
Steinmandln leiten über Geröllserpentinen und leichte Felsen an einer weißen Madonnina vorbei vom Sattel aufwärts bis unter eine schwarz verfärbte Wand. Diese kann offenbar beidseitig umgangen werden. Wir entscheiden uns für die rechte Variante und folgen Spuren zu einem schräg nach links verlaufenden, ca 5m hohen kurzen Kamin (I+), den wir in gutem Fels erklettern. Von hier leiten Spuren und Steinmandln weiter auf das Geröllfeld oberhalb der schwarzen Wand. Hier nun nicht versehentlich den Steinmandln folgend auf der anderen Seite wieder herabsteigen :) Stattdessen weiter hinauf unter einen steilen Felsriegel, dessen erste Stufe am besten über einen kurzen, schräg nach links verlaufenden Riss erklettert werden kann (I). Nun stehen wir unter einem steilen, dunklen Kamin (Abseilstelle oben), rechts davon ein etwas einfacherer Riss (II), beides recht ausgesetzt. Für meine Begleitung ist das für heute zu viel des Guten, ich möchte gerne noch ein bisschen weiter schauen, und so vereinbaren wir, uns innerhalb einer Stunde wieder hier zu treffen. Nachdem ich den Riss glücklich überwunden habe, folge ich den Steinmandln auf ein weiteres Geröllfeld, von welchem eine längere, teils recht luftige Querung (T5+) unterhalb von gelblich verfärbten Felsen nach rechts abgeht. Im Zweifel ist der Hosenboden gefragt :)  Am Ende der Querung, an einem kleinen felsigen Überhang, leiten die Spuren wieder nach links, und ich befinde mich in einem gerölligen Felsenkessel, durch den in Serpentinen bis unter eine 50m hohe Wand aufgestiegen wird (II). Der untere Teil bis auf einen markanten Dorn kann noch gut rechtsseitig in einem Riss überwunden werden, doch dann muss die Wand in luftigem Absturzgelände weiter begangen werden. Oder sollte hier doch rechts gequert werden (geschätzt T6)? Mit Seil könnte man hier im Abstieg offenbar von einem Standplatz, der sich oberhalb der Wand befindet, Gebrauch machen. Das alles ohne Seil wieder abzuklettern, scheint mir jedoch ambitioniert... Zumal jetzt schon eine halbe Stunde seit unserer Trennung vergangen und der Weg zum Gipfel noch recht lang ist! Also heute ohne Gipfel wieder zurück, die Wand wieder hinunter, die Querung zurück und schließlich den etwas heiklen Riss wieder wohlbehalten hinunter zu unserem Treffpunkt. Ab hier ist das Abklettern kein Problem mehr, und bald stehen wir wieder unten in der Scharte.

Cima Margherita, T6, II:
Am folgenden Tag nehmen wir uns die Cima Margherita vor. Wir wandern auf dem Sentiero dell' Ideale unterhalb den Wänden der Cima Brenta Bassa entlang, bis der Weg unterhalb der Cima Margherita in Richtung Süden abbiegt (Ansammlung von Steinmandln). Hier biegen wir rechts (nordwestlich) in ein Geröllfeld (früher war das einmal die Vedretta di Tosa superior) ab und halten uns dann gemäß einem Internet-Topo direkt an den Felsen zur Cima Margherita, um deren westliches Ende zu erreichen. Dies ist keine gute Idee, das Gelände unter der Felswand ist uneben, nachgiebig und brüchig. Hier ist wohl schon ewig niemand mehr gegangen! Als viel angenehmer erweist sich die Variante, die wir im Abstieg nehmen: Anstatt rechtsseitig des Geröllfelds aufzusteigen, besser linksseitig in relativ ebenen Untergrund auf einen alten großen Plastik-Wasserkanister zu, dann erst (im Aufstieg evtl. etwas mühsam) marginalen Gehspuren folgend rechts hinauf unter die Westseite der Cima Margherita.
Der Einstieg in die Felsen ist mit wenigen Steinmandln markiert (UIAA I), allerdings ist der Fels mit Schotter bedeckt und bringt wenig Freude. Wir erkunden noch kurz den steileren Abschnitt, der hinauf auf den Grat führen soll -- auch hier liegt noch haufenweise loses Gestein herum (T6, II). Oder haben wir den besten Weg wieder nicht gefunden? So trauen wir uns einen sicheren Abstieg seilfrei jedenfalls nicht zu. Also lassen wir auch die bröselige Cima Margherita unbestiegen und machen uns an den Abstieg und zurück zur Hütte.

Cima Brenta Alta, T6, II:
Etwas demoralisiert von unseren bisherigen Fehlschlägen hat meine Begleitung keine große Lust mehr auf die Cima Brenta Alta. Ich mache mich also nach einem vorgezogenen Mittagessen allein auf den Weg, zurück zur Bocca di Brenta. Von der Scharte kann man entweder auf schmalen Fußspuren nach rechts (Norden) queren oder wenige Meter unterhalb durch eine Rinne auf die rechte Seite aufsteigen (8m, I+). Es folgt eine hübsche Querung auf einem Band in die Ostseite -- unterbrochen von einem kleinen IIer-Boulder auf einen Block -- zu zwei schräg ansteigenden Kaminen. Im rechten der beiden 12m (II+) nur wenig ausgesetzt hinauf (Bandschlinge mit Karabiner zum Abseilen), und auf ein Schuttfeld (Steinmann). Nun beginnt der etwas zähe Teil des Anstiegs über Gehspuren, welche über das teilweise weiche Schuttfeld in einem weiten Linksbogen zuerst nach rechts und dann zum linken oberen Ende des Feldes leiten -- dorthin, wo die darüber stehende Felswand am niedrigsten ist. Ein Steinmann markiert hier den Einstieg in die nächste Kletterpassage: Ein schwarz gefärbter, leicht links geneigter Kamin (II, oben Bandschlinge) führt direkt in einen weiteren, leicht rechts geneigten, an dessen Ende ein Standplatz eingebohrt ist (II). Hier nicht zu weit aufsteigen! Es leiten Steinmandln in eine kurze waagerechte Querung, die dann in aufwärts führende Stufen übergeht. Die letzte Stufe (II-, T6) ist ausgesetzt und markiert für meinen Free-Solo-Anstieg die eigentliche mentale Herausforderung: Wird das Abklettern hier sicher funktionieren? Ich muss mir auf jeden Fall gut den Einstieg von oben einprägen (Steinmann)! Wahrscheinlich habe ich hier nicht die Ideallinie gefunden, denn ein italienisches Topo markiert kurz vorm Ausstieg aus dieser zweiten Wandstufe eine leichte Linkskurve mit vier Haken im Ausstieg, die ich ebenfalls nicht gesehen habe. Eventuell ist also diese T6-Schlüsselstelle umgehbar! Dann sind die wesentlichen technischen Hürden des Anstiegs genommen. Es folgt wieder Gehgelände in Geröll, ich folge den Steinmandln gerade aufwärts zu einer breiten Rinne mit weißem Fels im unteren Abschnitt und einem markanten Turm auf der rechten Seite. Am besten in Mitte der Rinne in gutem Fels (I+) höher bis zum Ende der Rinne, wo sie sich zu einem Trichter verbreitert (Bandschlinge mit Karabiner). Nun rechtshaltend auf Spuren an dem Turm vorbei. Ab hier wird die Markierung mit Steinmandln weniger eindeutig -- mehrere Wege durch den Trichter sind möglich (T3 - T4). Ziel ist ein letzter Turm halbrechts über dem Ende des Trichters, der, nun wieder mit eindeutiger Routenführung, links umgangen wird. Die letzten Meter zum Gipfel lege ich, Steinmandln folgend, einfach und in direkter Gipfel-Fallinie zurück. Der Blick oben ist bei meinem Besuch leider etwas eingeschränkt, es sind Nebel aufgezogen und verdecken einen Großteil der grandiosen umgebenden Bergwelt. Dennoch öffnen sich zeitweise eindrucksvolle Blicke zur Cima Tosa oder dem Campanile Basso. Dem Gipfelbuch nach waren dieses Jahr erst zwei Bergsteiger vor mir hier! Das ist für diesen majestätischen Brenta-Gipfel direkt an der Hauptwegekreuzung, dazu mit einer solch abwechslungsreichen und relativ gut begehbaren Route, dann doch überraschend...
Der Abstieg schließlich verläuft unproblematisch entlang der Aufstiegsroute, alle Einstiege in die Kamine sind von oben mit Steinmann markiert. Die obere IIer-Psychoschlüsselstelle ist freilich so luftig, dass ich meinen Rucksack mit der Reepschnur vor mir herunterlasse und dann erst nachklettere. Abseilen wäre angenehm! Das Abfahren über das große Schotterfeld ist schließlich die Belohnung fürs mühsame Hochstapfen, und das Abklettern des unteren, wenig ausgesetzten Kamins keine große Herausforderung mehr. Auf dem unteren Band geht es dann gemütlich zur Bocca und in wenigen Schritten zum verdienten, liebevoll und schmackhaft zubereiteten Abendessen auf der Pedrotti-Hütte: Gegenwärtig das kulinarische Brenta-Highlight!

Fazit: Hochalpine, einsame, teils sehr lohnende (Brenta Alta), teils auch weniger erfreuliche Liebhaber-Touren (Margherita) für kletteraffine Wanderer. Nur bei sicherem Wetter! Seil wäre sicher hilfreich... ansonsten nur da hochklettern, wo man auch sicher wieder hinunter kommt!
Meine hohen Schwierigkeitsbewertungen sind mit Vorsicht zu genießen, da ich evtl. einfach nur den richtigen Weg nicht gefunden habe ;) Hoffe, jemand kann demnächst Ergänzungen zu den unfertig beschriebenen Touren liefern!
Die Pedrotti-Hütte lohnt
 einen längeren Aufenthalt nicht nur für Kletterer, sondern auch für kraxelbegeisterte Wanderer: Das Essen ist hervorragend, und neben den hier beschriebenen Gipfeln befinden sich mit Cima Tosa, den Cime di Ceda oder vielleicht ja auch der Punta Iolanda weitere Kraxel-Leckerbissen in unmittelbarer Nähe!

Tourengänger: rele


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Kommentare (2)


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Andy84 hat gesagt: Glückwunsch
Gesendet am 11. August 2022 um 13:21
... zur Cima Brenta Alta.
Da wird es bei mir demnächst auch hochgehen, auch die anderen beiden Gipfel möchte ich versuchen. Einfach eine tolle Ecke :-)
VG Andy

rele hat gesagt: RE:Glückwunsch
Gesendet am 11. August 2022 um 20:20
Danke Dir! Sehr cool, freu mich schon drauf zu lesen, wie's bei den beiden Routen evtl. weitergehen könnte... Wird Zeit, dass diese tolle Ecke ein bisschen mehr hikr-Literatur bekommt ;) Viel Spaß dort! LG rele


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