Cima Tosa 3134m


Publiziert von Cubemaster , 3. Oktober 2017 um 16:36.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:25 August 2017
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1700 m

Dies ist der zweite Teil meines Berichts zu einer Zweitagestour in der Brentagruppe. Marie und ich waren am Vortag von der Groste-Seilbahn gestartet und über den Sentiero SOSAT zum Rifugio Brentai gewandert, wobei ich auf dem Weg noch die Cima Brenta mitgenommen hatte. Nun stand für mich die Cima Tosa auf dem Programm.

Nach einer erstaunlich erholsamen Nacht in einem kleinen Außenraum der völlig überfüllten Hütte gab es (für meine Begriffe deutlich zu spät) um 6 Uhr 30 Frühstück. Dabei teilte Marie mir mit, dass sie nicht wie ursprünglich geplant zum Rifugio Tosa mitkommen wollte. Also brach ich um 7 Uhr allein in Richtung Bocca di Brenta auf. Der Weg verläuft zuerst sehr flach, später immer steiler und kurz vor der Scharte über einige mit Stahlseilen versicherte Felswände Richtung Scharte. Das letzte Stück ist dann nochmal relativ loser Schutt. Auf der anderen Seite geht es über ein Band etwa 50 Meter hinab zum Rifugio Tosa, welches ich um ca. 8 Uhr 15 erreichte. 

Nun folgte ich den Schildern Richtung Rifugio Agostini. Der Weg führt südlich um die Cima Brenta Bassa herum und ich stellte erfreut fest, dass man hier nur sehr wenig absteigen muss (maximal 20 bis 30 Meter). Von hier aus kann man auch schon die Schlüsselstelle des Normalwegs auf die Cima Tosa sehen und mir war sofort klar, dass es nicht so einfach werden würde, wie es in mancher Literatur rüberkommt. Eine leichte Nervosität konnte ich aber schnell abschütteln. An einer weiteren Abzweigung nahm ich den Weg Richtung Sentiero Brentari, es ist der oberste der drei möglichen Wege.

Nun geht es über Geröllfelder immer weiter aufwärts durch eine wunderschöne Dolomiten-Landschaft. Hier war auch gar nicht so viel Trubel. Ich war zwar durchaus nicht der einzige am Weg, aber es entzerrte sich gut und ich konnte mich auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren. Die erste Schwierigkeit lag überraschenderweise schon vor dem Abzweig zur Cima Tosa. Die Wegmarkierugen leiten durch einen ca. 3 Meter hohen und sehr glatten Einschnitt (II+), der mich durchaus forderte (auch weil ich meine Stöcke noch in einer Hand hatte). Kurz danach verließ ich den markierten Weg und kletterte dem großen Pfeil Richtung Cima Tosa folgend, die ersten Stufen bis zum Beginn des Kamins hinauf, wo ich meine Stöcke deponierte.

Die anschließend folgende Kletterstelle ist die einzige wirkliche Schwierigkeit auf dem Normalweg zur Cima Tosa, aber die hat es dafür richtig in sich! Die Schwachstelle der ca. 15 bis 20 Meter hohen Wandstufe ist ein steiler Kamin. Hier kletterte ich zuerst einmal am Grund des Kamins hinauf, bis ein Überhang den weiteren Weg nach oben versperrt. Jetzt muss man in die rechten Begrenzungsfelsen ausweichen, dort kletterte ich erstmal auf ein kleines Podest (bis hierhin II). Man befindet sich nun ca. 10 Meter fast senkrecht über dem Boden und es kostete mich einige Überwindung, einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich probierte, weiter hinaufzuklettern, fand aber kurz über dem Podest nicht mehr genug Griffe, denen ich mein Leben anvertrauen wollte, und ließ mich vorsichtig auf das Podest zurücksinken.

Ich atmete nochmal tief durch und sondierte die Wand über mir genau. Im zweiten Anlauf ging es besser, ich kletterte die sehr steile und exponierte, ca 2 Meter hohe Stelle (III, Schlüsselstelle) mithilfe von guten Griffen und Tritten hinauf und stemmte mich an einem Klemmblock vorbei auf ein Flachstück im Kamin. (Hier befindet sich auch ein recht neu aussehender, gebohrter Stand.) Nach einer kurzen Pause zwecks Beruhigung des Pulsschlags und Abwischen meiner schweißnassen Hände (hier hätte ich tatsächlich Chalk gebrauchen können) kletterte ich jetzt, nochmal sehr ausgesetzt, etwa auf einer Höhe bleibend rechts aus dem Kamin heraus bis zum Beginn eines breiten Bandes (II). Das beinhaltete auch einen recht anspruchsvollen Spreizschritt über eine Lücke, ca. 15 Meter fast senkrecht über dem Boden!

Der weitere Verlauf der Route ist dann unglaublich einfach. Ich folgte einigen Steinmännchen über ein paar kleine Stufen bis in die wenig geneigte Flanke. Dann geht es immer den Steinmännchen und der flachsten Steigung folgend  aufwärts bis zur Schwachstelle einer weiteren Wandstufe. Im Vergleich zur Schlüsselstelle im Kamin ist diese kaum noch der Rede wert (II, kaum ausgesetzt). Über immer flacher werdendes Gelände erreichte ich daraufhin das riesige Gipfelplateau. Leider sind die Steinmännchen hier nicht besonders geordnet, so dass ich ein bisschen im Zickzack in Richtung des höchsten Punktes ging. Die kleine Gipfelmadonna und das (leider mal wieder völlig durchnässte und verschimmelte) Gipfelbuch befinden sich auf einer Erhebung direkt westlich vom Ende der Eisrinne. Ob dies wirklich der höchste Punkt ist, war für mich nicht eindeutig und ich machte einen Rundgang über das Plateau, wobei ich auch den allerletzten Rest der Eiskappe erstieg, der die nächsten drei Jahre wohl nicht mehr überleben wird.

Da das Wetter langsam schlechter wurde, machte ich mich auf den Rückweg. Nach kurzem Suchen fand ich das Band wieder, das in den Kamin hineinführt. Das Abklettern der Schlüsselstelle war genauso gruselig, wie ich es mir vorgestellt hatte und ich atmete erleichtert auf, als ich den Grund des Kamins erreichte. Mein weiterer Weg nach unten wurde erstmal noch aufgehalten, weil zwei Personen aus einer sechsköpfigen Gruppe in dem oben erwähnten Einschnitt steckten und sich nicht trauten weiter abzuklettern. Aber ich hatte keine Eile mehr und wartete geduldig, bis ich an der Reihe war. Um ca. 14 Uhr kam ich wieder am Rifugio Brentai an. Nach einer kurzen Stärkung machten Marie und ich uns an den Abstieg über die Galleria Bogani und das Rifugio Casinei zum Parkplatz am Rifugio Vallesinella. Diese eigentlich sehr schöne Wanderung wurde etwas getrübt durch eine eingeschränkte Aussicht, den langsam einsetzenden Nieselregen und die unglaublichen Menschenmassen am Weg.

Etwa um 16 Uhr 15 erreichten wir den Parkplatz und ich war der Meinung, dass die zwei langen Wandertage nun vorbei wären. Aber da hatte ich die Rechnung ohne meine liebe Freundin gemacht, die partout das letzte Stück bis zum Parkplatz an der Seilbahnstation laufen wollte. Oh je, ich hatte doch gar keine Kraft mehr... Aber da war natürlich gar nichts zu machen und ich fügte mich meinen Schicksal. Nachdem etwa 15 Minuten später der Regen aufhörte und die Sonne wieder herauskam war es durchaus eine schöne Wanderung. Der Gegenanstieg von Madonna di Campiglio zur Passhöhe war allerdings eine heftige (weil eben auch nicht eingeplante) Anstrengung und ich fiel wie tot ins Auto, als wir um 18 Uhr am Parkplatz ankamen. Insgesamt waren es aber zwei wunderschöne Tage in der Brentagruppe, natürlich besonders deshalb, weil Marie dabei war. 

Bemerkungen:
Ausrüstung: Ein Helm für die Kletterstelle schadet nicht, ein Seil wäre zum Abseilen beim Abstieg auch sehr zu empfehlen (gebohrter Stand)! Beim Durchklettern der Schlüsselstelle im Vorstieg gäbe es wohl schon Möglichkeiten für Schlingen: Mindestens eine Sanduhr habe ich als Griff genutzt und um das kleine Podest könnte man vermutlich auch eine Köpfelschlinge legen.
Schwierigkeitsbewertung: Entgegen der üblichen Einschätzung möchte ich aufgrund der Steilheit der Wand die Schlüsselstelle mit III bewerten, für mich war dies auch keine III- mehr. Die II+, die man in der Literatur häufig findet, ist meiner Ansicht nach der strengen Dolomiten-Bewertung geschuldet und ist im Vergleich zur ansonsten üblichen Bewertung zu niedrig. Falls man ungesichert klettert, muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein Absturz aus der Schlüsselstelle mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tod zur Folge hätte! Es ist natürlich durchaus möglich, dass dies ungewollt in meine Bewertung der Schwierigkeit mit eingeflossen ist...
Hauptgipfel der Brentagruppe: Auf der deutschsprachigen Wikipedia wird nun die Cima Brenta als höchster Berg der Brentagruppe angegeben. Demnach soll die Cima Tosa durch das Abschmelzen ihrer Eiskappe knapp 40 Meter an Höhe verloren haben, was meiner Ansicht nach plausibel ist. Das Plateau könnte aufgrund seiner Größe locker eine 40 Meter dicke Eiskappe getragen haben, was auch auf alten Karten so aussieht. Mein Vorschlag: Vorsichtshalber beide Gipfel besteigen, es lohnt sich!

Die Cima Tosa war Gipfel Nr. 133 / 163 meines großen Projekts "Alle 3000er der Ostalpen mit mindestens 400m Schartenhöhe". Mehr Infos auf meiner Homepage.

Tourengänger: Cubemaster


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

L
30 Jul 06
Tosa · danicomo
S- WI2
22 Jun 10
Cima Tosa Nordwand - Canalone Neri · Bergfrosch
T5- II K1
18 Jul 15
Cima Tosa (Dolomiti di Brenta) · Andrea!
12 Jul 09
Klettersteige in der Brenta · monte_rosa
T3+ K1
T4+ I K2+
26 Jul 17
Brenta-Durchquerung · Kottan
T5+ II
2 Sep 11
Cima Tosa (3.173m) Normalweg · Felsnase
K1
1 Sep 07
Brenta · Bergneger

Kommentar hinzufügen»