Marokko Teil 3: Akioud (4.035 m) & Afella Süd / Nord (4.043 / 4.025 m) - Direkte Traverse SW-Grat


Publiziert von boerscht , 9. Oktober 2022 um 21:45.

Region: Welt » Marokko » Hoher Atlas
Tour Datum:19 Juni 2022
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: MA 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 1250 m
Strecke:9,3 km

Auch heute gibts wieder gegen 5 Uhr Frühstück. Alex hat leider sehr schlecht geschlafen und bei ihm zollt das marokkanische Essen seinen Tribut. Am Fürhstück entscheided er daher schweren Herzens heute auf eine Tour zu verzichten, das macht keinen Sinn. Auf Tour kann man schließlich nicht alle 10 minuten auf die Toilette rennen und das ganze sollte nach einem Tag wieder in Ordnung sein, sodass er dann morgen fit ist.
Meine Tourenwahl fällt daher auf die wohl längste und anspruchsvollste Tour der Gegend, bei der wir nicht ganz sicher sind ob sie so möglich sein wird. Die Traverse von Akioud und der beiden Afella Gipfel.


Brahim hat dies am Vorabend schon eifrig mit anderen Guides diskutiert. Diese kamen zu dem Entschluss und der Ansicht, dass die drei Gipfel anscheinend besstimt in den letzten 20 Jahren nicht zu einer Tour kombiniert wurden und das ganze lang und anspruchsvoll ist. Am Afella Sud gibt es wohl einen direkten Aufsteig über den Südwestgrat, wurde aber wohl auch in den letzten 20 Jahren nicht begangen. Brahim recherchiert noch bei einigen Guides etwas und meint dann wir versuchen es einfach mal. Yeah das wird also spannend heute!

Refuge du Mouflon - Tizi Afella - Akioud T5, I; 2 h:

So starten wir wieder um kurz nach 5 leider nur zu zweit ins Dunkle. Brahim ist irgendwie im Tunnel und so zweigen wir direkt nach der Hütte versehentlich in Richtung Toubkal ab. Oh man das ist wohl schon selbstverständlich bei ihm. Nach kurzer Zeit fällt es uns jedoch beiden auf, dass hier die Richtung nicht so gant stimmt und so gehts wieder zurück und auf den richtigen Weg, welchen wir gestern schon zur Tizi n´Ouagene ins Tal hinein gelaufen sind. Wir folgen dem Pfad jedoch nicht bis zu dieser sonder zweigen auf etwa halber Strecke an Steinmännern und leichten Wegspuren nach rechts in Richtung Tizi Afella ab.
Über einige Plattenkraxelei welche gut mit Steinmännern markiert ist gehts nun direkt steil links neben einer Markanten Schlucht hinauf. Schon jetzt ist das Gelände wilder und ich merke, dass die Tour heute was anderes wird als die gestrige. Leider grummelt auch mir es plötzlich ordentlich im Magen und im Aufstieg fällt meine Leistung merklich ab. Brahim geht ohnehin wieder ein sehr strammes Tempo.
Apropos Tempo, bei mir haut das Essen nun leider auch rein und ich muss von Brahims Toilettenrolle im Aufstieg leider mehrmals gebrauch machen und hinter die Steine gehen. Ich bin am überlegen ob das heute bei mir noch Sinn macht weiterzugehen. Nach viel Trinken und einem Riegel gehts aber schon wieder etwas besser und ich will zumindest auf den Akioud gehen.
Über große Blockfelder und viel Schutt gehts in einer wenig ausgeprägten Wegspur im Hochtal unter dem Akioud in Richtung Tizi Afella hinauf. Der Weg ist mühsam und anstrengend zu gehen. Wir gehen dann nicht in die Tizi Afella sondern queren unterhalb dieser über steile Schneefelder nach links in eine weitere Lücke. Die Lücke ist markant und die nächste zum Gipfel des Akioud. Zu dieser geht es im unteren Teil über ein steiles Schneefeld auf dem ich mit meinen stabileren Schuhen vorgehe und Tritte hacke hianuf. Weiter in sehr steilem Schutt und dann nach rechts in Fels ausweichend hinauf bis in die Lücke (I).
Hier deponieren wir die Rucksäcke und gehen auf erkennbarem Pfad in der Westflanke des Akiouds in einigen Serpentinen weiter hinauf. Unterm Gipfel folgt ein kurzer Grat und einfache Blockkraxelei, jedoch nicht wirklich ausgesetzt oder schwierig.
Yeah der 3. 4000er ist geschafft, auch wenn dieser ordentlich erkämpft werden wollte und ich wirklich nicht fit bin heute.

Akioud - SW Grat Afella Sud T5+, IV; 1,5 h:

Vom Gipfel des Akioud hat man tolle Aussicht auf die umliegenden 4000er und auf das was wir heute eigentlich noch vor hatten. Die beiden Gipfel des Afella. Puh auf der Karte sah dies deutlich näher und einfacher aus als es nun von hier den Anschein macht. Ich beratschlage mich mit Brahim und nach einem Riegel packt mich dann doch die Abenteuerlust und wir entscheiden am Afella die direkteste Variante der Überschreitung über den SW Grat zu versuchen. Brahim ist nun auch Feuer und Flamme. Er will schließlich bei seinen Guide Kollegen etwas zu erzählen haben und für ihn ergibt sich wohl auch nicht so bald nochmal die Chance hier eine Tour zu gehen die seit Ewigkeiten oder vllt überhaupt noch niemand gemacht hat.
Also wider vom Gipfel des Akiouds hinab zu unseren Rucksäcken. Hier brauch ich erstmal noch einen weiteren Riegel und viel Wasser bevor es weitergehen kann.
Vom Rucksackdepot entscheiden wir uns nicht wieder die Rinne hinabzzusteigen und auf der Ostseite zur Tizi Afella zu queren. Dies würde viel Höhenmeterverlust bedeuten. Wir versuchen uns an einem Weg über die Westseite. Der Abstieg ist zunächst sehr steil und unübersichtlich. Wir folgen einem markanten Band welches uns schräg hinabführt. Hier ist Vorsicht angebracht, da es nebendran über steile Klippen abwärts geht (Bild siehe hier). Weiter dann nun wieder einfacher aber nicht weniger anstrengend ein Schuttgeld unter der Tizi Afella queren zum auf der Karte eingezeichneten Weg, welcher westseitig um den Afella herumführt.
Der Weg ist jedoch kaum zu erkennen. So queren wir in mehrheitlich Schutt bis unter die Wand des Afella Süd und dem Ausläufer des SW Grates. Auch hier brauch ich erstmal wieder eine verschnauf und Toiletten Pause. Jetzt sind wir schon so weit, die Kletterei wird schon noch hinhauen.
Brahim führt mit super Routengespür an die Wand heran. Auf einem schmalen, abdrängenden, ausgesetztem und schuttbedecktem Band queren wir in der Wand an den SW Grat (siehe Bild mit Route hier). Ein Skizze der Aufsteigsroute und Abstiegsroute habe ich versucht so genau wie es mir in Erinnerung ist hier zu zeigen.
Nach dem Band folgt steile aber gut gestufte Kletterei (II+), welche linkerhand in einem Kamin mündet. Dieser ist sehr schmal und in der Mitte befindet sich ein Klemmblock unter welchem man sich hindurchquetschen muss. Es folgen ca. 3 m Kaminkletterei bei der es eine gute Spreiztechnik braucht. Der Ausstieg erfolgt oberhalb des Klemmblocks nach rechts auf ein wiederum schmales Felsband. Die klettertechnische Schlüsselstelle welche gute Technik und beherztes zupacken erfordert (IV). Zudem gehts im Kamin ordentlich runter. Leider kein Foto an dieser Stelle gemacht. So ungesichert und fertig wie ich war musste ich mich hier ganz schön zusammenreissen. Noch etwas Kraxelei bis II auf den Grat, dann geht es in weiterhin festem Fels diesen entlang bis wir wieder auf Schuttbänder treffen.
Nun rechtshaltend weiter über diese Bänder und kurze Felsstufen hinauf. Eine Kletterstelle (II+) ist hier nochmals zu überwinden, dann gehts einfacher bis auf den Gipfel und das weite Gipfelplateau.

Geil, geschafft! Da umarmen wir uns erstmal und freuen uns riesig dass diese Route aufging. Ohne Brahim hätte ich mir die Wand und den Grat in mir unbekannten Bergen definitiv nicht zugetraut. Er hatte hier ein super Routensinn, wirkich übersichtlich ist die Wand wenn man mal drin ist nicht, da braucht es Erfahrung.

Afella Sud - Afella Nord - Afella Sud  T2; 0,5 h:

Mittlerweile gehts mir wirklich nicht mehr sonderlich gut, aber der Ehrgeiz ist nun größer als die Vernunft und so mache ich noch den Abstecher zum Nordgipfel, welcher einfach über das weite Gipfelplateau zu erreichen ist. Brahim ist nun auch platt und wartet solange am Südgipfel auf mich. Am Nordgipfel liegt fälschlicherweise das Schild mit Afella Sud Beschriftung. Ist mir vor Ort gar nicht so bewusst geworden und erst jetzt im Nachhinein. Nach dortiger kurzer Pause wieder zurück zu Brahim auf den Südgipfel.
Hier erzählt er mir noch über Kletterrouten und Mixed Routen in der Ostwand des Afella und über diverse Unglücke die es hier bereits leider gab. Na super.

Afella Sud - Tizi Afella - Refuge du Mouflon T5, II; 2 h

Im Abstieg wählen wir nun eine vermeintlich etwas leichtere Route, im Topo grün dargestellt. Die Kletterei im Kamin und am Grat bleibt uns somit erspart und es geht über ausgesetzte Schuttbänder, verbunden mit kurzen Felsstufen hinab (II). Auch hier ist nochmals volle konzentration gefordert. Die Routenfindung erscheint von oben gesehen jedoch deutlich einfacher als im Aufstieg. Wieder am Wandfuß angelangt surfen wir über Schuttfelder auf die Pfadspur zur Tizi Afella ab.
Brahim weiß dass ich nicht mehr wirklich fit bin und gibt mir für den folgenden Abstieg dankenderweise seine Stöcke. Hier wird mir mal wieder bewusst wie viel Kraft in den Beinen die einem bei richtigem Einsatz gerade in Schuttgelände sparen können.
Der Abstieg zieht sich noch gefühlt ewig hin und ich bin froh als die Hütte langsam in Sichtweite kommt.

Eine wirklich geniale Bergfahrt im Hohen Atlas welche von spanennender Kaminkletterei, abenteuerlicher Routenfindung, Schneefeldern, toller Aussicht und zermürbenden Schuttfeldern alles dabei hatte. Vielen Dank an Brahim ohne den die Runde so nicht möglich gewesen wäre! Auf der Hütte musste er die Runde natürlich erstmal allen Guides erzählen, welche sichtlich erstaunt waren, dass wir die Tour so geschafft haben. Ich falle tot ins Bett und schlafe bis zum Abendessen durch, bei dem ich leider jedoch kaum einen Bissen runterbekomme. Mal schauen wie das morgen früh aussieht, da ist die Toubkal Traverse geplant.

Tourengänger: boerscht


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