Kurzbericht 

Es Zwöierli zum Aschtosse...


Publiziert von lorenzo , 30. April 2022 um 12:07.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Berner Voralpen
Tour Datum:27 April 2022
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Ski Schwierigkeit: SS
Wegpunkte:
Geo-Tags: Brienzergrat   CH-BE   CH-LU 
Zeitbedarf: 8:45
Aufstieg: 1630 m
Abstieg: 1630 m
Strecke:19 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Salwideli, cff logo Sörenberg, Südelhöchi (ca. 30min länger)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Berggasthaus Salwideli, Sörenberg
Kartennummer:LK 1189 Sörenberg, 1209 Brienz

Die gesamte NW-Seite des Brienzergrats zwischen der Roteflue und Chrutere liegt ganzjährig in den Wildschutz- bzw. Jagdbanngebieten Augstmatt- und Tannhorn, die von dieser Seite die Skibesteigung nur von den drei Gipfeln Augstmatthorn, Schnierehireli und Ällgäuwwhoren erlauben, obwohl sich das Gams- und Steinwild während den Schneemonaten von Oktober bis Mai zum Äsen vorzugsweise auf der sogar im Hochwinter oft aperen SW-Seite aufhält. Gegen einen Jagdbann in den jeweils ersten drei Septemberwochen ist an sich ja nichts einzuwenden, aber daraus im Namen des Wildschutzes ein Verbot sämtlicher Schneesportarten für das ganze Jahr abzuleiten, nach dem Motto "wenn wir nicht schiessen, sollt ihr auch nicht schifahren dürfen", scheint mir aber zumindest fragwürdig zu sein. Anlässlich der Herausgabe des Skitourenführers Berner Alpen Ost, SAC 2004, hatte mich indessen Ralph Schnegg - allerdings ohne nähere Angaben - auf eine Skibesteigung des Balmi aufmerksam gemacht, und bei Skitouren auf die Schratteflue und die Haglere war mir schon wiederholt das wie in den Berg gehauene N-Couloir zum Briefehörnli aufgefallen. Seit mehreren Jahren wartete ich auf eine passende Gelegenheit, aber erst am vergangenen Mittwoch schien trotz Neuschnee bis am Vortag bei gleichwohl sicherer Lawinensituation unterhalb 2400m und leichter Bise die Gunst der Stunde gekommen zu sein, nicht nur dem Briefehörnli, sondern auch dem Balmi einen, diesen beiden unscheinbaren Gipfeln des Brienzergrats würdigen Besuch mit Ski abzustatten, wobei ich weniger Bedenken wegen dem Wildschutz hegte, als mit einer mehr oder weniger saftigen Busse rechnete.

Schon die Anfahrt stand unter schlechten Zeichen, denn am Worber Stutz stand ein Lkw mit Pannenlicht am Strassenrand, dessen Chauffeur, der zum Glück nicht verletzt war, einem Fuchs ausgewichen war, und kurz vor Langnau lag ein überfahrenes Reh auf der Mittellinie. Und beim Zustieg von Salwideli, einer an diesem wolkenlosen Frühlingsmorgen anregenden Wanderung, kam mir auf Salwidezopf ein Mann in grünem Wams und mit umgehängtem Feldstecher und Fernrohr - das sich beim Näherkommen allerdings als Teleobjektiv entpuppen sollte - entgegen, der verdächtig nach Parkranger oder Wildhüter aussah. Aber als wir uns grüssten, schien er an meinen aufgeschnallten Ski keinen Anstoss zu nehmen, und schritt talauswärts weiter. Ich atmete auf und setzte meinen Weg ebenfalls fort. Je näher ich dem Briefehörnli kam, desto mehr wuchs es zwar in die Höhe, desto plastischer und konkreter konnte ich mir aber auch den Zustieg über die NNW-Flanke und den Aufstieg durch das N-Couloir und die N-Flanke vorstellen. Als ich nach dreiviertel Stunden kurz hinter Bärsel die Ski anschnallen konnte, war ich deshalb froh, dass es endlich zur Sache ging.

Zwischen und über alte Lawinenzüge, und auf Geröll einmal die Ski buckelnd, gelangte ich zum Einstieg, wo ich die Felle und unbenutzten Harscheisen deponierte. Das N-Couloir war in der Mitte von harten Lawinenrunsen durchzogen, die einen zügigen Aufstieg erlaubten, W davon war aber zum Glück  ein Streifen griffigen Schnees erhalten geblieben, der für die spätere Abfahrt breit genug zu sein schien. Währenddessen blickten zwei Steinböcke vom W-Grat zuerst neugierig hinunter, bevor sie sich, wohl schon bald gelangweilt von dem lahmarschigen Zwölfzackenhufer bzw. Lattenfüssler, auf und davon machten. Nach der kurzen und etwas steileren Engstelle nahm die Einsinktiefe zu, und in der N-Flanke stieg ich sicherheitshalb bis unter die Felsen hoch, um vor einem allfälligen Anriss geschützt zu sein. Dort querte ich z.T. in anstrengendem Wühlschnee nach rechts unter den W-Grat, den ich durch eine Rinne erreichte, und der mich über mehrere Schneewellen zum Gipfel brachte. Nachdem ich mich vom atemberaubenden Tiefblick  hinunter zum Brienzersee und der packenden Aussicht auf die Berner Alpen und ins Haslital erholt hatte, fuhr ich entlang dem W-Grat  zur übernächsten Gratsenke, wo ich direkt in die N-Flanke einbiegen konnte. Ein paar vorsichtige Probeschwünge brachten mich zur Überzeugung, dass der "poudre tassée"  entgegen meinen Befürchtungen hielt, und schon glitt ich Schwung um Schwung über die N-Flanke und das obere N-Couloir zur Engstelle, über die ich behutsam abschritt. Darunter liess sich auch der breite Streifen W der zentralen Runse wie erhofft gut befahren, trotzdem war ich froh, als ich schliesslich wieder bei meinem Depot anlangte. Über holprige Lockerschneelawinenzüge und immer wieder schönen Sulz landete ich zuletzt wieder beim Fahrweg.

Über Chäsbode, wo sich bei der Alphütte ein aufgeschrecktes Murmeltier verzog, stieg ich auf Sulz zum Rücken der Arnibergegg auf. Um zwölf Uhr oben angekommen, inspizierte ich die Aufstiegs- und Abfahrtsmöglichkeiten am Balmi, und entschied mich, trotz der fortgeschrittenen Zeit und aufkommenden Quellwolken, über den Wannepass aufzusteigen und oben entweder durch die von hier aus nicht einsehbare NW-Mulde oder den NW-Rücken W davon, und unten durch das durchgängig scheinende NW-Couloir Richtung Arnibärgli abzufahren. Entlang dem weiss-blau markierten Bergweg stieg ich auf dem NW-Rücken über nur leicht angesulzte Schneereste zur Steilstufe, trug die Ski über diese hinauf, und schnallte sie auf der NW-Flanke wieder an, bevor ich sie wegen schweren Stollen erneut auf den Rucksack band. Zwar verfestigtem, aber anstrengend zu spurendem Triebschnee ausweichend, erreichte ich über abgeblasene Grasschrofen den Grat etwas NE vom Wannepass, über dem eindrucksvoll, und 
von Nebelschwaden und Quellwolken umgarnt, das nahe Balmi und rechts dahinter das Tannhorn aufragten, links flankiert vom Brienzersee und dem Dreigestirn. Nach einem kurzen Abstieg zum Wannepass gelangte ich über den N-Grat zuerst zu einem Gendarmen, der mir eine kurze Klettereinlage bescherte, und weiter auf gutem Trittschnee zum Gipfel des Balmi. Da sich die Sicht zwischendurch schon eintrübte, machte ich mich rasch bereit für die Abfahrt. Entlang dem SW-Grat fuhr ich zu der, mir schon vom N-Grat aus vorgemerkten Einfahrtstelle in die N-Flanke. Über verschneite Grasschrofen schritt ich einige Meter ab, bevor ich auf griffigem Schnee hinunterschwingen, eine steilere Rinne zwischen Felsschrofen passieren, und es in der flacher werdenden NW-Mulde vorerst auslaufen lassen konnte. Wieder steiler ging es zu einer ausgewaschenen und harten Rinne hinunter, in der ich einige Meter zum NW-Couloir abrutschte. Durch dieses und über die darunter liegende NW-Flanke gelangte ich auf wieder griffigem, zunehmend sulzigem und von Lockerschneelawinen durchzogenen Schnee, zuletzt eine von rechts vorbeihuschende Gemse kreuzend, bis zur Kurve 1533 ob Arnibärgli.

Hier war ein Einheimischer, begleitet von seinem Enkelbub, mit einem Traktor damit beschäftigt, die Alpstrasse freizuschaufeln. Als ich die Ski abzog, stellte er den Motor ab und erkundigte sich nach meiner Tour und dem gesichteten Wild, worüber ich ihm erfreut und auch ein bisschen stolz gerne Auskunft gab, bevor er anerkennend den Motor wieder startete und weitermachte. Der Enkelbub hatte Osterferien und plangte auf den Wiederbeginn der Schule, da er seine Kollegen vermisste. Ich verabschiedete mich und stieg zur Arnibergegg hinauf, wo ich eine Rast einlegte, noch einmal zu den beiden Gipfeln hinüberschaute, und einige Fotos machte. Auf faulen Schneeresten glitt ich über den N-Rücken zur Strasse hinunter, auf der ich, zufrieden und wieder mit entspannteren und offeneren Augen für die umgebende Natur und die einmalige Entlebucher Landschaft über Laubersmad zurückwanderte. Das Berggasthaus Salwideli war schon geschlossen und wurde renoviert, und da ich mir den Zweier mit zwei berauschenden Abfahrten schon genehmigt hatte, und ich für die Heimfahrt wach und fit sein wollte, stiess ich  mit einem Energydrink auf
den unvergesslichen Tag an..

Briefehörnli
Aufstieg: von Salwideli (1351m) auf der Alpstrasse gelb bis P. 1369, weiss-rot bis Laubersmad (1346m), und unmarkiert bis Bärsel (1403m). Entlang dem Fahrweg bis ca. 1440m, dann über die NNW-Flanke (35 Grad) zum Einstieg auf ca. 1750m, 1h 45min, WS (Skitourenskala). Zu Fuss durch das N-Couloir (45 Grad, Engstelle auf ca. 1900m kurz 50 Grad) und über die N-Flanke (45 Grad), oben entlang der Gipfelfelsen nach SW, bis zu einer Rinne, die zu einer Scharte im W-Grat führt, und über diesen (ggf. Pfad, N ausgesetzt und Wächten) auf den Gipfel (2165m), 1h 30min, insgesamt 3h 15min, WS (Hochtourenskala).

Abfahrt: vom Gipfel (2165m) S entlang dem W-Grat zur Ausstiegsscharte und leicht ansteigend zur nächsten Gratsenke. Einfahrt nach NW in die N-Flanke (45 Grad) und über diese und entlang der Aufstiegsroute durch das N-Couloir (45 Grad, Engstelle 50 Grad: ggf. Abrutschen, Abschreiten od. zu Fuss) zurück zum Einstieg. Weiter über die darunterliegende NNW-Flanke (35 Grad) hinunter zum Fahrweg bzw. bis Bärsel (1403m), 45min, SS.

Balmi
Aufstieg: vom Fahrweg über Chäsbode (1562m) oder von Bärsel (1403m) nach SW zum Wegweiser 1594. Über den NW-Rücken z.T. entlang dem weiss-blau markierten Bergweg (bis 35 Grad) zur Steilstufe auf ca. 1800m, die zu Fuss überwunden wird (45 Grad). Dann wieder mit Ski oder zu Fuss über die NW-Flanke (40 Grad) Richtung SSE zum Wannepass (2070m). Nun über den N-Grat (ggf. Pfad), einen Gendarmen überkletternd (I), auf den Gipfel (2141m), 2h, WS, T4.

Abfahrt: entlang dem SW-Grat, bis an geeigneter Stelle in die NW- oder N-Flanke eingefahren werden kann. Über eine von beiden (45 Grad), ggf. zwischen Schrofen hindurch in die NW-Mulde, und durch diese, zuletzt flach auslaufend, dann wieder steiler nach NW hinunter bis ca. 1920m. Weiter nach N und durch eine kurze Rinne (50 Grad) in das SW (linke) von 2 NW-Couloirs, und durch dieses (45 Grad) und die darunterliegende NW-Flanke (30 Grad) zur Kurve 1533, 30min, SS-.

Arnibergegg
Aufstieg: von der Kurve 1533 auf der weiss-rot markierten Alpstrasse zurück zum Wegweiser 1594 und über den SSE-Rücken auf den Gipfel (1604m, grosses Kreuz), 15min, L.

Abfahrt: über den N-Rücken bzw. entlang der weiss-rot markierten Alpstrasse bis zur Schneegrenze bzw. bis Laubersmad (1346m), und entlang der Zustiegsroute grösstenteils leicht ansteigend zurück, 1h, L.

Verhältnisse: bei leichter Bise morgens wolkenlos und kühl, ab Mittag Quellwolken und mild. Durchgehende Schneedecke oberhalb ca. 1500m, 5-30cm Neuschnee auf durchfeuchteter z.T. angefrorener Unterlage, unten morgens überfroren, später angesulzt, oben gesetzter Pulver und z.T. gefestigter Triebschnee. Mehrere ältere, z.T. grössere Locker- und Nassschneelawinen. Briefehörnli N-Couloir bis Engstelle (bei der Abfahrt ca. 10 Hm abgeschritten) in der Mitte ausgewaschen und hart, am W Rand griffig, N-Flanke  entlang der Felsen z.T. grundloser Pulver (Wühlschnee). Wannepass NW-Flanke abwechselnd abgeblasen und gefestigter Triebschnee. Balmi N-Flanke und NW-Mulde griffig, NW-Couloir griffig, Engstelle ausgewaschen und hart (ca. 10 Hm abgerutscht). An der Arnibergegg faule Schneereste. Portage bis Kurve ca. 1440m ob Bärsel, ca. 30 Hm in der NNW-Flanke auf ca. 1600m (aper), im Briefehörnli N-Couloir, über die N-Flanke und den W-Grat, kurz auf Chäsbode, unter dem Wannepass ca. 100Hm über die Steilstufe und die obere NW-Flanke (Stollenbildung), über den Balmi N-Grat, grösstenteils ab Kurve 1533 bis Arnibergegg, und ab Kurve ca. 1440m ob Laubersmad zurück.

Material: Helm, Pickel und Steigeisen zusätzlich zu üblicher Skitourenausrüstung.

Fahrplan: 6.45 Start, 8.30 Einstieg N-Couloir, 10.15 Briefehörnli, 11.30 Wiederaufstieg ab Kurve ca. 1440m ob Bärsel, 13.30 Balmi, 14.15 Wiederaufstieg ab Kurve 1533 ob Arnibärgli, 14.30 Arnibergegg, 15.30 retour.

Hinweis: ab Laubersmad (1346m) bis zum Brienzergrat bewegt man sich im Jagdbanngebiet Nr. 5 Tannhorn (rechtsverbindlicher Schutzstatuts), in dem Schneesportarten ausserhalb markierter Pisten, Routen und Loipen vom 1.1. bis am 31.12. verboten sind.

Tourengänger: lorenzo


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