Tessiner Hüttentrek 2: Der Campo Tencia – Die Überschreitung des Dreitausenders
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In der Soveltra-Hütte gut genächtigt und bestens gefrühstückt packe ich meine Siebensachen und starte 08 00 Uhr zur strengsten Etappe meines 5 Tage dauernden Tessiner Hüttentreks. Die 1580 m hohe Wand des Campo Tencia-Massivs, unten grün und oben grau bis graubraun, türmt sich vor mir auf. Traumhaftes Wetter. Die Sonnenstrahlen kitzeln die Gipfel und teilweise ostorientierten Flanken. Mein Aufstieg liegt im morgendlichen Schatten.
Ein letztes „Auf Wiedersehen“ und „Danke vielmals“ in bestem St. Galler Dialekt. Abmarsch zur Brücke und jenseits des Baches auf herausgeputzten und blau/weiss markierten Weg in den eher rechtsliegenden Teil des Talbodens der Alpe Soveltra bis zum Bach, diesen ein zweites Mal querend, jedoch ohne Brücke. Der Weg folgt der orografisch rechten Seite des Ri della Gerra hinauf, im Zick-Zack-Kurs durch den ersten Felsriegel hindurch und später über liebliche Alpen mit dem Blick zum Pizzo Barone, 2864m – dem Tagesziel des Tessiner Hüttentreks 4. Nun steige ich gegen Pradoi hinauf und geniesse die Balkonlage über dem zweiten Felsriegel. Hier befindet sich eine einfache immer geöffnete Unterkunft mit Gasrechaud und „Camino“, Liegestätten ohne Wolldecken.
Jetzt wird es steil. Und wie. Zum Glück im Schatten. Jenseits der Hütten von Pradoi folgt der Weg etwa fünfhundert Höhenmeter quasi in Direttissima begrasten Runsen bis unterhalb den Felsen. Trotz der Anstrengung fröstelt es mich allmählich und so geniesse ich die ersten Sonnenstrahlen! „Good morning sunshine – the day says hello!“. Auf drei Seiten Felswände wie in einem Römischen Amphitheater und unter mir die tiefgrüne und im Schatten liegende Alpe Soveltra, in der Ferne grüssen der Basodino, das riesige Monte-Rosa-Massiv, nach rechts wie „im Bilderbüechli“ Viertausender und Dreitausender mit Eis oder drohenden Felswänden vom Wallis bis zum Berner Oberland. Jedes Mal von neuem ein Erlebnis. Könnte man dies Freiheit nennen?
Die blau/weissen Wegmarkierungen sind im folgenden Wirrwarr von Steinklötzen, Geröllhalden und abweisen Wänden sehr nützlich. Unschwierig können alle diese Passagen unter Ausholen nach rechts überwunden werden. (T4).Und schon bald ist der Sattel Pt 2974 zwischen dem Campo Tencia und dem Pizzo Pencia zum Greifen nah. Einige Schweisstropfen und ich stehe auf dem Grat. Ohne Pause – ich kann den Gipfel nicht erwarten – kraxle ich über den Ostgrat zum Gipfel hinauf. „Guten Morgen, bin wieder hier“, wir sind alte Bekannte.
Ich hatte einen Goegrafielehrer –Jacky Lanker - der die trockene Materie, welche viele zur Messlatte des Auswendiglernens degradieren, zum Erleben erweckt hat. Auch jetzt denke ich an ihn. Es sind die grösseren Zusammenhänge welche wichtig sind und nicht ob jetzt dieser Berg „Giüsla veng“ heisst: Hier die Leventina, dort das Bedretto, hinter mir das Val Maggia und hinter dem Barone das Verzasca. Dies ist wichtig. Und dazu einmalig. Glücksgefühle. Mittagessen Menü 1, als Dessert Toggenburger Rolle. Eintrag ins Gipfelbuch. Sönnele – gnüüsse ….und die Walliserberge, dann – genau dort – das „Finschti“ und das Rheinwaldhorn. Sieht man die Berninagruppe? Könnte sein…
Abstieg. Der ist happig. Zum Ersten denke ich an Chaeppi und packe beim Einstieg zum Gletscher im Sattel Pt 2974 auch tatsächlich die Steigeisen aus und schnalle den Pickel ab, die Stöcke auf. Trotz warmen Wetters ziehe ich die Windjacke über und die Handschuhe an. Etwas grotesk. Aber die Story von Chaeppi ging mir unter die Haut. Sehr steil fällt der obere Abschnitt des Ghiacciaio Grande ab. Neuschnee kann trügerisch sein. Vorsichtig steige ich in Zick-Zack linkshaltend ab und erreiche die ebene Eisfläche unterhalb der Bocchetta di Croslina. Der Pizzo Croslina türmt sich imposant in Form einer Pyramide gegen Westen auf. Scheint ein schwieriger Dreitausender zu sein.
Gut sichtbar, logisch und markiert führt der Weg vom Gletscher weg ins Geröll entlang der Flanke unterhalb des Grates mit der Bezeichnung Pt 2857. Hier konnte man vor hundert Jahren bequem in den unteren Kessel des Gletschers auf dem Eis hinuntersteigen. Jetzt muss ich wegen dem Klimawandel in nicht leichten Kletterpartien (T5) die Höhe abbauen, werde jedoch von einem blassblauen Seelein an dessen unterem Ende für die Mühe entschädigt. Der auf der LK fragmentiert angezeigte Weg – in Realität weniger gut sichtbar und von oben her knapp markiert – führt über eine Rippe und ganz am Schluss durch ein Couloir auf Schutthalde und Weide der Flanke „Löita delle Giubine“ und horizontal zur Capanna Campo Tencia CAS, 2140m, hinüber.
„Ich bin Beatrice, redet sie doch Schwyzerdütsch!“, werde ich begrüsst. Die Hütte ist gut besetzt. Zum Glück. So nette Hüttenwart-Crew, Jean-Pierre inclus, verdienen besucht zu werden. Die Hütte ist den heutigen Anforderungen entsprechend grosszügig ausgebaut worden. Super Nachtessen – offenes Bier – Tourentee organisiert – Super Betten mit Düvet. Mein Herz, was begehrst Du noch mehr…
Bald gehe ich zu Bett, auch wenn meine Tischnachbarn - urchige Luzerner der besten Sorte – einen unterhaltsamen Abend garantiert hätten. Sie gehen morgen auf den Campo Tencia. Meinerseits bereite mich innerlich für den nächsten Tag vor. Tessiner Hüttentrek 3: Cap Campo Tencia – Pizzo Forno – Cap Sponda.Bettruhe. Komaschlaf.
Kommst Du morgen mit mir auf die Sponda-Hütte? Würde mich freuen.
http://www.hikr.org/tour/post16971.html
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Tourengänger:
Seeger

Communities: Ticino Selvaggio, Die 44 - 3000er des Tessin
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