Heuberg-Grat zum Walmendingerhorn (1990 m) und weiteren Gratgipfeln


Publiziert von ju_wi , 18. September 2009 um 23:25.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:14 September 2009
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 1480 m
Abstieg: 1480 m
Strecke:17,0 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:P im Schwarzwassertal bei Kletterwand nahe Auenhütte (genauso und wahrscheinlich legaler bei Auenhütte möglich)
Unterkunftmöglichkeiten:Privatzimmer in Mittelberg-Höfle
Kartennummer:BayLV Allgäuer Alpen

Die Überschreitung des sehr ausgesetzten Heuberg-Grats in den Nordwestlichen Walsertaler Bergen ist eine spannende Unternehmung, die höchste Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erfordert – eine Tour, die gut in das hikr-Sortiment passt und uns - bei nassen Bedingungen - ganz schön ins Schwitzen brachte. Da ich die Referenztouren für T5/T6 (noch) nicht kenne, vergebe ich mal vorsichtig eine T5+. Die Kletterei wird je nach Quelle in die Ier oder IIer Kategorie eingeordnet – persönlich denke ich, dass es nicht über I hinausgeht (auch lt AV-Führer), denn es waren immer gute Tritte und Griffe vorhanden. Allerdings war es für uns die anspruchsvollste Kletterei, die wir bisher gemacht haben, da sie auf 50 cm breiten, stellenweise recht vertikalen Gratabbrüchen maximal (zu allen Seiten) ausgesetzt ist. Da muss schon jeder Schritt und Griff passen. Für obere T5-Bewertung spricht m.E. neben der geringen Kletterschwierigkeit auch, dass die schwierigen Passagen der Tour verhältnismäßig kurz sind (wir benötigten 40 Minuten in der heiklen Passage). Offiziell ist der Weg auch „für Bergwanderer wegen Absturzgefahr gesperrt“ – und darf "nur mit Kletterausrüstung" begangen werden (s. Foto), was aber mangels angebrachter Sicherungsmöglichkeiten nur Bäume oder Felsen sein können. Es kann auch sein, dass man die Tour bei trockenen Verhältnissen deutlich einfacher empfindet. Bei uns waren nach komplett verregneter Nacht Steine, Gras und Boden maximal nass. Also insofern, bitte Nachsicht mit der Bewertung; ich wäre interessiert, eine andere Einschätzung zu erhalten – für entsprechend Erfahrene kann ich die Tour wirklich nur empfehlen. Leider habe ich keine einzige der Schlüsselstellen fotografiert, da wir dort einfach zu konzentriert waren.

Kleinwalsertal – wir hatten bei der nassen Sonntags-Tour zum Schüsser schon an eine vorzeitige Heimreise gedacht. Als es nachmittags dann aber etwas schöner wurde, und selbst die feuchte Schüsser-Tour retrospektiv eben doch Spaß gemacht hatte, entschlossen wir uns zu bleiben und den freigenommenen Montag auch auf Bergtour zu gehen. Die Nacht auf Montag war dann aber komplett verregnet. Selbst als wir um 7 Uhr aufstehen, prasselt draußen noch der Regen aufs Dach.

Doch heute haben wir zunächst Glück: Als wir um 8 Uhr nach Frühstück das Haus verlassen, hat sich der Regen komplett gelegt und schnell brechen sogar einige Wolkenlücken auf. Prima! Wir fahren hinüber über Hirschegg ins Schwarzwassertal und parken den Wagen bei einem kleinen Pfad nahe der Auenhütte (an einer Kletterwand). Nun gilt es den Einstieg zu finden – ein GPS-Track soll helfen. Allerdings ist der Track auch nur so gut wie die genutzten Karten mit der Echtsituation zusammenpassen. Daher biegen wir nach Aufstieg zum Gasthof Schöntalhof zunächst in den dort einzig erkennbaren Fahrweg Richtung Heuberg. Als dieser sich mehr und mehr nach links vom Track entfernt, schlagen wir uns einfach querfeldein durch den Wald in Richtung Trackzeichnung. Das Kraut ist kniehoch und pitsch-nass, so dass Wanderhose – und leider auch wenig später Schuhe – sehr schnell durchnässt sind. Nach Überklettern eines Stacheldrahtzauns stoßen wir schließlich auf eine sehr schmale aber erkennbare Trittspur an der erwarteten Stelle, die den Grat hinaufführt. Wir folgen ihr einige Hm hinauf in dem krautig-nassen Gelände.

Vor einer deutlichen, steilen Geländestufe (dem Söller 1557 m) „verwässert“ der Trittpfad sich dann aber ein wenig in mehrere Spuren. Wir folgen der noch deutlichsten Spur zunächst rechts in die Flanke, geraten dabei aber mehr und mehr in die steile Seitenflanke, die bei dem nassen Boden und Gras zunehmend unangenehm wird – zumal die Spur immer undeutlicher wird. Daher kraxeln wir sehr mühsam den sehr steilen Waldhang Richtung Grat hinauf. Wir kommen nahe der Oberkante der Steilstufe zum Grat. Ein paar Meter sind im nassen, schrofigen Steilgelände zuletzt etwas heikel. Wir denken kurz an Umkehr, aber nach ein paar Erkundungsmetern alleine, finde ich wieder eine Trittspur, die auf den Grat emporführt. Margit kommt auf Zuruf vorsichtig nach.

Es folgt eine gut gehbare, schöne Passage immer nah am schmalen Grasgrat mit steinigen, stark überkrauteten Stellen, die Trittsicherheit verlangen. Der Grat ist hier recht schmal, aber nicht scharf und besitzt sehr steile Flanken, wo ein Halten kaum möglich wäre (T4). In der O-Flanke sind viele Lawinenverbauungen vorhanden. Partiell weicht die Spur auch etwas in eine der Seitenflanken aus, wo dann aber Erdtritte vorhanden sind. Im Auf und Ab – aber tendentiell steigend – nähern wir uns so dem Heuberg-Gipfel (1794 m), wie die Erhebung in Gratmitte genannt wird. Sein Gipfel ist mit einem weißen Stab markiert; der Grat ist dort sogar verhältnismäßig breit. (Es ist übrigens nicht die höchste Stelle des Heuberg-Grats, wie wir in der Fortsetzung merken.)

Ein Stück hinter dem Heuberg-Gipfel folgt eine erdige Abwärtsstufe, die gut abzusteigen ist. Diese mündet in ein schmales, horizontales Gratstück, mit steilen Schieferplatten links vom Grat hinab. Auf diesem Gratstück taucht dann plötzlich das oben erwähnte Sperr-Schild auf – d.h. hier beginnt der eigentliche Heuberg-Grat mit den Schwierigkeiten. Aber wer geht hier – nach drei Viertel des Weges - noch gerne zurück?

Außerdem bleibt das erste Stück hinter dem Schild zunächst auch gut gangbar. Langsam wird der Grat dann aber merklich schmaler und felsiger. Und dann taucht plötzlich vor uns die erste Schlüsselstelle auf, eine max. 1m (stellenweise eher 50 cm) breite – vielleicht 20-30 m hohe Felskante mit ein paar Grasbüscheln hier und da. Hmm. Herauf kommen wir da wohl schon, aber notfalls auch wieder herunter? Die Tritte und Griffe sind gut – trotz der Nässe. Es gibt lockere Steine, aber nichts dramatisch Brüchiges und so erklettern wir die Kante doch einigermaßen problemlos. Von nun an bleibt es aber für 30 Minuten sehr spannend und anspruchsvoll. Es folgen noch mal ein bis zwei Stufen ähnlicher Art, die von nicht weniger anspruchsvollen schmalen, steinig-krautüberwucherten Horizontalstücken unterbrochen werden. Wir wissen nicht, was uns noch erwartet und haben vor allem etwas Sorge vor einer möglichen schwierigen Abwärtsstufe – aber die kommt glücklicherweise nicht. Bald stoßen wir auf eine Betonplatte mit Seilbahnpfeiler, hinter der der Grat einen Knick nach rechts macht. Eine letzte erdige Rinne (abgerutscht) muss noch gemeistert werden, dann kommt erneut das Sperr-Hinweisschild – sogar in doppelter Ausführung von dieser Seite. Wir hatten insofern noch etwas Glück, als dass ungefähr am höchsten Punkt des Grates die Schneegrenze war. Das merken wir zuletzt, wo wir auf ersten Schneeresten doch zunehmend ins Rutschen geraten – gut dass dies nicht bei den Schlüsselstellen der Fall war!

Vom Ende der Gratpassage gelangen wir auf einer kleinen Trittspur schnell zum Wanderweg, der vom Schwarzwassertal hinauf zum Walmendingerhorn zieht. Mit dem Weg steigen wir im Bogen weiter an auf die S-Seite des Berges und biegen hier wieder ab auf einen sehr breiten Fahrweg (Seilbahn lässt grüßen) und auf dem in wenigen Minuten noch mal sehr steil zur Bergstation der Bahn am Walmendingerhorn (ca. 1900 m). Hier sind wir inzwischen oberhalb der Schneegrenze der Nacht. Die letzten 80-90 Hm zum Gipfel des Walmendingerhorn (1990 m) steigen wir in breiten Serpentinen (T1) mit vielen Seilbahntouris rasch hinauf. Es ist leider praktisch keine Sicht und so verlassen wir den breiten Gipfel auch schnell wieder. An der Bergstation schütten wir zunächst einmal das in den Schuhen stehende Wasser aus. Es ist doch eher frisch (wenige Grad über 0) und so frieren wir schon gehörig in den nassen Schuhen und Sachen.

In der Fortsetzung steigen wir mit dem Seilbahnweg erstmal weiter hinab, biegen an der Verzweigung des Aufstiegs aber diesmal nach W. Der Normalweg hinab vom Walmendingerhorn ist langweilig (vergleichbar mit dem Nebelhornabstieg unter der Bahn), so dass von einem Anstieg hier hinauf abzuraten ist (natürlich T1). Doch wir wollen den Weg auch schnell wieder verlassen und tun dies auf ca. 1800 m auch, indem wir an der Muttelbergscharte (1818 m) rechts abbiegen in den steilen Grasweg. Hier beginnt ein blau-weiß-blau markierter Gratweg – mit „Nur für Geübte“ beschildert – der über 4 weitere Gipfel zur Ochsenhoferscharte führt.

Der recht einfache Gratweg (nirgends über T3+) führt zunächst knapp 150 m durch Gras und zuletzt ein paar felsige Stellen aufwärts zum wenig ausgeprägten Gipfel des Muttelbergkopf (1942 m). Von ihm senkt sich der Steig wieder ein wenig, bevor der nächste Aufstieg beginnt, der uns auf den Lüchlekopf (1989 m) hinaufführt - mit nur 1 m niedriger als das Walmendinger Horn der höchste Gipfel auf dem Gratstück zwischen Muttelberg- und Ochsenhoferscharte. Hier oben beginnt es im düsteren Nebelgrau zu schneeregnen. Der dichte und sehr feuchte Schneeregen - nass sind wir eh schon seit Stunden - hält sicher eine gute halbe Stunde an.

Über den herbstlich braunen Grasgrat wandern wir nahe der Gratschneide - ein paar schrofige und bei der Nässe erdig-rutschige Stellen sind zu meistern - im Bogen erst ab, dann wieder hinauf auf den Östlichen (und höheren) Ochsenhoferkopf (1965 m). Von seinem Gipfel - leider völlig ohne Sicht - steigen wir dann ein ganzes Stück hinab bis in die Litzescharte (1875 m). So allmählich werden die Beine schwer - wir  sind schon 1400 Hm auf dem Grat fast ohne Pause aufgestiegen. Nochmals aufwärt führt uns dann aber der Pfad aus der Scharte auf unseren letzten Gipfel des heutigen Tages, den Westlichen Ochsenhoferkopf (1950 m). Von ihm erreichen wir schließlich schnell die Ochsenhoferscharte (1850 m) , die von einem Wanderweg gekreuzt wird. Man kann auch noch weiter geradeaus auf das nahe Grünhorn steigen. Aber wir haben unser Tagespensum für den heutigen Heimfahrtag gehabt und biegen rechts auf den Weg zur Schwarzwasserhütte (1620 m), zu der es knapp 30 Minuten und 230 Hm von der Scharte hinabgeht.

Endlich können wir uns in der Hütte ein wenig aufwärmen und tun dies mit einem Obstler, einem riesigen Kaiserschmarrn und Russenmaß bzw. Rotwein. Schließlich steigen wir von der Schwarzwasserhütte ab ins Schwarzwassertal. An der Alp Melköde (1346 m) halten wir uns aber - gemäß unserem vorgezeichneten Track rechts und verlassen den markierten Weg. Durch feuchte Wiesen und mehrfacher Querung von Wasserläufen (auch hier war die Karte nicht mehr sehr genau ...) erreichen wir ein Stück tiefer wieder den Hauptweg. Bei einer Wegverzweigung weiter unten gehen wir nochmals rechts und bleiben am Schwarzwasserbach. Der linke Zweig führt zur Auenhütte. Wir stoßen unterhalb der Auenhütte schließlich auf den Fahrweg, von wo wir schon den Kletterfelsen (in Benutzung von einer Übungsgruppe) sowie unser geparktes Auto vor uns sehen.

Wir ziehen uns um und treten leider wieder die Heimfahrt an.

Tourengänger: ju_wi


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Geodaten
 1247.gpx Heuberggrat - Walmendingerhorn - Ochsenhoferköpfe

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Kommentare (1)


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gero hat gesagt: ja, die kleinen ...
Gesendet am 19. September 2009 um 16:04
... aber gemeinen Touren können ganz schön an die Substanz gehen - vor allem bei schlechten Verhältnissen!
Da ist es dann immer wieder schön, wenn hinterher die psychische Anspannung abfällt, die sich während des Gangs über Messers Schneide aufgebaut hat.
Vielen Dank für Deinen eindrucksvollen Bericht dieser Tour, bei dem ich mich gut in Euch hineinversetzen kann. Schade, daß Fotos der Schlüsselstellen fehlen - aber ich habe volles Verständnis, wenn Ihr da anderes zu tun hattet als zu fotografieren.
Vor allem der Gedanke "Geht es nach diesen Schwierigkeiten hoffentlich harmlos weiter, oder wird's noch heikler und müssen wir deshalb alles auch wieder zurrück? Können wir das notfalls überhaupt?" kommt unausweichlich und liegt umso schwerer auf dem Gemüt, je länger die Anspannungen dauern - siehe mein Bericht über den Monte Camicia in den Abruzzen.
Respekt auch für Margit, die derartige Anforderungen ja offenbar ziemlich cool and easy meistert.
Eine echte Kandidatin für die Mieminger Hochwand ... (Du weißt ja: die Hochwand hat für ein wenig den Nimbus meiner psychischen Leistungsgrenze)

Schönen Tag noch, Georg


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