Die Stiege ohne den Wirt gemacht, oder: Alle Stiegen am Pfaffenstein


Publiziert von Nik Brückner , 13. Dezember 2021 um 14:12.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Elbsandsteingebirge
Tour Datum:11 Juni 2021
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 400 m
Abstieg: 400 m
Strecke:6 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Großer Parkplatz in Pfaffendorf
Unterkunftmöglichkeiten:In Pfaffendorf

Stiegen, Stiegen Stiegen! Ich war ein paar Tage ins Elbsandsteingebirge gekommen, um Stiegen zu gehen, zu viele wie möglich. Stiegen sind Routen, die weder Wanderwege noch Kletterrouten sind. Es handelt sich um teils alte Steiganlagen, mit deren Hilfe auch schwindelfreie und trittsichere Wanderer die teilweise recht großen Höhenunterschiede in den Sandsteinfelsen überwinden können. Der Charakter der Stiegen ist dabei sehr unterschiedlich, und reicht von in den Fels geschlagenen Tritten über steile Treppen und schmale Leitern in engen Klüften bis hin zu klettersteigähnlichen Anlagen mit Metallklammern und Sicherungsseilen. Nach zwei Tagen mit langen Stiegentouren in den Affensteinen und in den Schrammsteinen wollte ich an diesem Tag drei Tafelberge erkunden: Am Lilienstein hatte ich begonnen, nun sollte es am Pfaffenstein weitergehen. Meine dritte und letzte Station an diesem Tag sollte schließlich der Kleinhennersdorfer Stein werden.

Ich sprang also in mein Auto, wo immer noch Magmas "Mekanïk Destruktïw Kommandöh" lief, und fuhr erneut über die Elbe, zunächst hinüber nach Pfaffendorf. Das Ortsbild wird von dem beeindruckenden Pfaffenstein dominiert.

Der Pfaffenstein ist einer der berühmten Tafelberge im Elbsandsteingebirge. Der ca. 100 Meter hohe, zerklüftete, von zahlreichen Schluchten und rund einem Dutzend Höhlen durchzogene Felsklotz war bereits in der Steinzeit und in der Bronzezeit besiedelt (oder doch zumindest besucht), später diente er wegen des schwierigen Aufstiegs als Zufluchtsort der Menschen und ihres Viehs in Krisenzeiten. Im 19. Jahrhundert wurde der Pfaffenstein schließlich vom bzw. für den Tourismus entdeckt: Auf dem Gipfelplateau befinden sich heute ein Gasthaus, ein Aussichtsturm, mehrere Aussichtspunkte und einige weitere Sehenswürdigkeiten. Außerdem ist der Pfaffenstein ein exklusives Ziel vieler Kletterer. 

Mein Plan: Sämtliche Stiegen am Pfaffenstein zu begehen. Das sind - wart - sechs? Sieben? Einigen wir uns auf viele.


Start war am Wanderparkplatz Pfaffenstein (253m) in Pfaffendorf, am Gasthaus Zum Pfaffenstein. Von hier aus wanderte ich den Pfaffensteinweg hinauf, hielt mich am Waldrand links, und wanderte herum auf die Ostseite des Bergs. Dort befindet sich die Talstation der Materialseilbahn (315m). Dahinter stieg ich den steilen Waldhang hinauf, der Seilbahn folgend oder ein bissl rechts davon, bis zur Felswand. Dort, in einer Spalte, befindet sich der Einstieg zur Wirtsstiege.

Die 1924 eingerichtete, sogenannte Wirt(schaft)sstiege an der Ostseite des Felsens besteht aus Stahlbügeln an einer nahezu senkrechten Felswand, und diente früher den Wirtsleuten als schneller Auf- bzw. Abstieg. Sie ist heute ein kleiner Mythos im Elbsandsteingebirge: Vielerorts findet man Anspielungen auf sie, im Netz wie in Büchern, offiziell ist dieser Anstieg jedoch seit Jahren geschlossen. Er wird allerdings hin und wieder begangen. Dabei muss man jedoch in mehrerlei Hinsicht achtgeben: Zum einen hat man im untersten Teil ganze Arbeit geleistet, um den Aufstieg zu verhindern - auf den ersten fünf Metern wurden sämtliche Aufstiegshilfen abmontiert. Auf den nächsten fünf Höhenmetern gibt es dann zwar erste Eisenklammern, aber nur zwei, weshalb man insgesamt rund zehn Meter frei hinaufklettern muss. Zum anderen sind die Metallklammern alt, und nicht alle sind gleichermaßen vertrauenswürdig. Irgendwo auf halber Höhe ist eine auf einer Seite sogar aus dem Fels gebrochen. Da heißt es: Obacht geben, zumal ein durchlaufendes Sicherungsseil, wie man es etwa von Klettersteigen kennt, hier nicht vorhanden ist.

Und dann gibt es aber Fotos und sogar Videos, die eine(n) schon neugierig machen können. Dieses hier zum Beispiel, vor allem aber das von dem Typen, der mit einer Plastiktüte in der Hand dort hinaufsteigt, als wär' es ein Kinderspiel...

 
Also dann los! Es hilft ja nichts. Unten gibt's also keine Klammern, da ist's ein frei zu kletternder IIer, danach geht's an verrosteten Klammern eine gefühlt senkrechte Felswand hinauf. Eine Klammer ist, wie gesagt, einseitig ausgebrochen, und hängt nur noch an einer Halterung. Von der lässt man also die Finger. Zum Glück wächst hier eine Birke aus einem Felsspalt, die man als Griff und Tritt benutzen kann. Weiter geht's über die nächsten Klammern hinauf zu einer gefühlt überhängenden, tatsächlich aber der einzigen senkrechten Stelle, schon kurz unter dem Ausstieg. Hier über einen Block in eine enge Klamm. Die Klamm nach vorne, und über einen Holzzaun - dann steht man urplötzlich am Hauptweg, der von der Berggaststätte Pfaffenstein (rechts) zur Aussicht auf die Barbarine (links) führt.

Wirtsstiege: Klammersteig ohne Sicherungsseil (daher kein klassischer Klettersteig!) in einer senkrechten, glatten Felswand, T6/II

 
Ich wanderte nun zunächst nach rechts zur Berggaststätte Pfaffenstein, um von dort aus das Gipfelplateau zu erkunden.

1852 errichtete der erste Bergwirt Kliemann eine erste Berggaststätte. Heute steht neben dem Gebäude ein Aussichtsturm. Der erste Aussichtsturm, ein Holzturm, wurde bereits am 2. September 1894 eingeweiht. Als dieser 1904 baufällig geworden war, ließ ihn der Wirtschaftspächter Hermann Keiler abreißen und durch den heute noch erhaltenen Sandsteinturm ersetzen.

Ich wanderte noch ein paar Schritte nach Norden, und bog dann nach links ab.

Hier kann man in zwei Schleifen über Felsköpfe und zwischen ihnen hindurch zahlreiche getaufte Felsen besuchen, die so romantische Namen tragen wie Briefbeschwerer (okay, nicht romantisch), Annenbank, Rittersitz und Opferkessel, Dom, Luftballon und Freistuhl, schließlich den Schwedenkeller und den Nixensee. Viele dieser Namen gehen noch auf Carl Gottlob Jäckel (1803-1882) zurück, der sich sehr für die Erschließung des Pfaffensteins einsetzte, selbst Wege und Steige erschloss und sich auch als Führer für Besucher anbot. Die romantische Runde zu Briefbeschwerer und Opferkessel wurde schließlich 1972 durch Bergsteiger renoviert.

Als erstes passiert man rechts am Weg den Briefbeschwerer. Dort geht's über ein paar Stufen zu einer Brücke, die eine tiefe Kluft überspannt. Dann steigt man hinauf zur Annenbank, einer 1863 aus dem Fels herausgehauenen Sitzgelegenheit. Ein paar Meter weiter oben passiert man den Felspilz "Rittersitz", der auch als "Druidenstuhl" bekannt ist. Weiter vorn befindet sich der Opferkessel, eine natürliche Vertiefung im Fels. Von hier aus hat man eine herrliche Aussicht auf die Umgebung. Angeblich kann man sogar die Frauenkirche in Dresden sehen.

Ein paar Meter zurück, dann kann man zwischen Opferkessel und Rittersitz den Fels nach links verlassen. Hier heißt es ausatmen, denn der nun folgende Spalt ist nur 50 Zentimeter breit. Ein paar Schritte in der nun folgenden Spalte nach rechts, und man steht im Königsgarten, vor den Felsgebilden Dom, Luftballon und Freistuhl.

Nun wandte ich mich nach links und umwanderte auf einer Felsterrasse einen großen Felsen zu meiner Linken, der ausnahmsweise mal keinen Namen trägt. Ich umwanderte auch den Opferkessel und stieg an der Arche hinunter in die Schwedenkeller, wo sich die Bewohner der umliegenden Dörfer im Dreißigjährigen Krieg vor den Schweden und 1813 vor den Befreiungskriegern versteckt haben sollen. Darunter war auch Carl Gottlob Jäckel.

Mehrfach ist hier unten allerdings auch die Jahreszahl 1702 zu lesen. Sie stammt vermutlich von kurfürstlichen Jägern.

Nur wenige Schritte weiter befand sich einst der Nixensee, eine romantisch gelegene Lache, die heute leider nicht mehr existiert. Danach geht's über weitere Stufen zurück zum Hauptweg

Romantische Gipfelrunde: herrliches Felsenlabyrinth, T2


Wieder am Hauptweg, wanderte ich weiter nordwärts. Dort, wo von links die Nasse Schlucht heraufkommt, bog ich rechts ab, und stieg hinunter zur Falkenhöhle und zur Goldschmidthöhle.

Am Pfaffenstein befindet sich rund ein Dutzend Höhlen. Dabei handelt es sich um Schichtfugen-, Kluft- und Trümmerhöhlen. Die Schichtfugenhöhlen befinden sich vor allem auf der Ostseite, in einem etwa 15 Meter unterhalb des Plateaus verlaufenden Schichtfugenband. Darunter sind auch die beiden bekanntesten Höhlen des Pfaffensteins, die Goldschmidthöhle und die Falkenhöhle.

Die fantasievoll angelegte Stiege zweigt etwas versteckt vom Zugang zur Aussicht an der "Albrechtsburg" ab, einem Felsen an der Nordostwand des Pfaffensteins. Durch eine Engstelle geht's hinunter in eine Schlucht. Dort steigt man eine Metallleiter hinab, und dreht dann eine Schleife unter der Leiter hindurch, um in der engen Klamm noch tiefer hinunterzugelangen. Hat man dann den Grund der Klamm erreicht, geht's über Sandsteinstufen weiter. Dann kann man rechter Hand über ein schmales Felsband die Falkenhöhle erreichen.

Hält man sich links, und steigt dort zu einer Brücke hinab, erreicht man auf einem anderen Felsband die Goldschmidthöhle.

Die Goldschmidthöhle ist eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten des Bergs. Sie führt ca. zehn Meter in den Fels hinein. Ihren Namen hat sie von dem Lithographen und Geldfälscher Friedrich Eduard Goldschmidt. Dieser stellte 1854, von seinem Schwager, dem Bergwirt Kliemann, unterstützt, auf dem Pfaffenstein falsche anhalt-dessauische Fünfguldenscheine her. Meist wird angenommen, dass er das in der heute nach ihm benannten Goldschmidthöhle gemacht hat, wahrscheinlicher aber ist, dass sich der Fälscher in der benachbarten, etwas größeren Falkenhöhle versteckte, die deutlich trockener ist. Ende November 1854 wurden Goldschmidt, sein Schwager Kliemann und einige weitere Komplizen verhaftet. Ein Gericht verurteilte die Bande zu Zuchthausstrafen, die Kliemannsche Einkehr wurde daraufhin abgerissen.

Zu Goldschmidts Zeiten gab es hier natürlich noch keine ausgebaute Stiege. Wer damals zu den beiden Höhlen gelangen wollte, hat sich wohl mit Baumstämmen und Aststümpfen oder hölzernen Leitern ausgeholfen. Ende des 19. Jahrhunderts wurden dann einige Stellen künstlich verbreitert. Die heutigen metallenen Einbauten stammen aus dem 20. Jahrhundert.


Nach diesem kleinen Abstecher zu dem Schichtfugenband wanderte ich wieder zurück zum Hauptweg

Zur Goldschmidthöhle: düstere, versteckte Stiege, T2


Bevor ich mich aber an den ersten Abstieg machte, besuchte ich noch die Aussicht am nordöstlich gelegenen Bundesfels und erkundete dort noch einen kleinen Abzweig. Dann stieg ich durchs Nadelöhr vom Pfaffenstein hinunter.
  
Der 1897 durch den damaligen Bergwirt Hermann Keiler erschlossene Weg durch das Nadelöhr ist der schnellste Zugang zum Gipfelplateau von Norden und eins der Highlights am Pfaffenstein für Wanderer. Die Stiege besteht aus rund 560 Stufen und ist im oberen Abschnitt so eng, dass keine zwei Personen nebeneinander Platz finden. Auch ist die Stiege hier derart steil, dass man auf Eisenleitern hinunter- bzw. hinaufkraxeln muss. Dabei durchsteigt man ein horizontales, enges Felsenloch.

Der Weg schlängelt sich zunächst zwischen einigen Felsbrocken hindurch, dann geht's gleich hinein in das Nadelöhr: Hier steigt man auf einer Metallleiter durch ein Felsenloch steil hinunter. Die Felswände ragen himmelhoch auf, und lassen in der Folge nur eine schmale Spalte offen, in der nur eine einzige Person Platz hat. Nach dem Nadelöhr folgen zwei Metalltreppen, und es geht sehr steil hinunter.

Dann wird die Spalte ein wenig breiter. Eine Steinstufentreppe führt durch wildes Blockwerk, und noch einmal durch eine schmale Felsspalte hinunter. Die hohen Felswände links und rechts des Weges treten nun zurück, und Felsbrocken am Weg, die von einem Felssturz im Jahr 1838 stammen, verwandeln den Wald in eine romantische Felsenlandschaft.

Nadelöhr: spektakuläre Treppenstiege, T2


Unten angekommen, wanderte ich nun auf schmalen Kletterzustiegen an der Felswand entlang zuerst auf die Westseite des Pfaffensteins. Dort, wo der Bequeme Weg auf's Plateau hinaufführt, befindet sich das nächste Highlight: ein vorgeschichtlicher Wall

Etwas oberhalb des Rundwegs sind Reste eines vorgeschichtlichen Forts zu erkennen. Vermutlich befand sich auf dem Berg eine der ältesten Burganlagen der Lausitzer Kultur (Bronzezeit). Einziges heute noch sichtbares vorgeschichtliches Relikt ist der halbkreisförmige Wall an der Westseite des Pfaffensteins beim Bequemen Aufstieg. Das 200 Meter lange Bauwerk diente vermutlich dazu, den damals einzigen Zugang zum Plateau abzusperren. Archäologische Untersuchungen in den Jahren 1959 und 1961 ergaben ein Alter von etwa 3000 Jahren. Innerhalb des Walls wurden Keramikreste gefunden.

Ich drehte meine Runde weiter auf die Südseite des Pfaffensteins. Dort führt zwischen Königsspitze und Vierling die Tauben(loch)schlucht hinauf, ein weiterer, recht anspruchsvoller Zugang zum Gipfelplateau.

Der Aufstieg durch die die Taubenlochschlucht dient weitgehend als Kletterzugang, also als Zugang zu verschiedenen Kletterfelsen, naturbelassen wie er ist, ist er keine richtige Stiege.

Der Beginn ist noch recht einfach. Man wandert in die zu Beginn recht breite Schlucht hinein, wahlweise durch eine schmale Spalte an deren (im Aufstiegssinne) rechter Seite. Weiter drin wird die Schlucht dann enger. Hier sind über Jahrtausende große Felsbrocken herabgestürzt, die - je nach Standpunkt - den Weiterweg erschweren, oder eine Riesentreppe bilden, deren Stufen es nun hinaufzusteigen gilt. Unten ist das noch vergleichsweise einfach, und es macht viel Spaß, die romantischste Route durch das Felsenlabyrinth zu suchen. An einer Stelle stieg ich durch eine schmale Spalte rechts an der Felswand. So kommt man schnell hinauf. 

Schlüsselstelle ist dann ein etwa lieferwagengroßer Boulder, der sich in der Schlucht quer verkantet hat. Wie kommt man hier weiter? Soll ich mich rechts durch eine enge Höhle quetschen? Oder mich links über glatte Wände hochstemmen? Zum Glück gibt's das Internet! Ich habe Netz, google die Lösung, und stemme mich links hinauf. Ist schließlich leichter als gedacht (II).

Oben steige ich aus der Taubenschlucht heraus und halte mich im mittlerweile erwartbaren Klammlabyrinth tendenziell rechts. In der Nähe eines Grenzsteins gelangte ich auf einen Weg.

Tauben(loch)schlucht: vergnügliche Kraxelei mit einer kniffligen Schlüsselstelle, T4/II


Hier wandte ich mich nach rechts, um durch den sogenannten Wilden Pfaffenstein zur Barbarinenaussicht zu gelangen.

Der Zugang zu diesem Fotospot, einem der berühmtesten in der Sächsischen Schweiz, wurde bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begangen. Ab 1895 wurde er vom Bergwirt künstlich verbreitert, und die Passage durch die engen Felsschluchten bequemer zu gestalten.

Zunächst geht es ein paar Stufen hinunter, dann folgt eine Metalltreppe, und gleich darauf noch einmal drei. Dann steht man auf einem geräumigen Felsplateau, von dem aus man eine schöne Aussicht nach Süden hat. Zu weit nach vorne sollte man sich allerdings nicht trauen, denn es hat kein Geländer...

Die berühmte Barbarine kann man von hier aus aber noch nicht sehen. Dazu muss man sich nun durch eine enge Felsspalte zu einem kleinen, geländergesicherten Aussichtspunkt mitten in der Felswand zwischen Amboß und Keilerturm zwängen. Dort kann man dann auch das berühmte Foto der Barbarine schießen.

Die 42,7 m hohe Felsnadel "Barbarine" ist der bekannteste freistehende Felsen in der Sächsischen Schweiz und gilt als eines ihrer Wahrzeichen. Die Barbarine ist am 19. September 1905 erstmals bestiegen worden.

Nach der Beschädigung durch einen Blitzeinschlag 1944 und die dadurch ausgelöste Erosion musste der Kopf der Barbarine mehrmals gesichert werden. 1975 wurde der Felsen schließlich für den Kletterbetrieb gesperrt, 1978 wurde er zum Naturdenkmal erklärt. 

Nach einer Sage ist die Barbarine eine versteinerte Jungfrau: Einst hatte eine Mutter ihre Tochter Barbarine am Sonntag geheißen, in die Kirche zu gehen. Das Töchterlein aber war ein eigenständiger Kopf, und ging lieber zum Pfaffenstein, um dort die Barbarine hinaufzusteigen.

Halt, nee, falsch. Die gibt's in der Geschichte ja noch gar nicht.

Nein, also, das Töchterlein hat auf dem Pfaffenstein Heidelbeeren gesammelt. Auch was Feines. Dumm nur, dass sie dort ihrer Mutter begegnete, offenbar mochte auch sie die Heidelbeeren vom Pfaffenstein. Natürlich wurde Mutti sauer, denn was man selbst dürfen darf, darf das Kind noch lange nicht dürfen. Außerdem ist selbstverständlich immer der Schuld, der andere bei der Tat ertappt. Und so hat die Mutter ihre Tochter im Zorn verwünscht, auf dass sie müsse auf der Stelle zu Stein werden. Worauf selbiges natürlich augenblicklich geschehen ist. Zu einem ziemlich großen sogar: 
42,7 Meter hoch. Ob Mutter und Tochter Riesen gewesen sind?

Aber wie sammeln 40 Meter hohe Riesen Heidelbeeren? Egal. Seither steht die zu Stein gewordene Jungfer auf alle Zeit allhier, allen ungehorsamen Töchtern zur Warnung. Die Moral ist wohl: Wenn die Tochter nicht zur Kirche geht, ist das ganz böse, wenn die Mutter dasselbe tut, ist das okay. Oder auch: Wer zuerst flucht, hat Recht. Denn was wäre wohl geschehen, wenn Barbarinchen der Mutter zuvorgekommen wäre und diese wegen hinterhältigen Heidelbeerensammelns zuerst verflucht hätte...?

Weil man irgendwann merkte, dass das nicht viel Sinn ergab, wurden Mutter und Tochter in einer Variante der Sage umfunktioniert: Danach handelte es sich bei der Mutter um eine böse Hexe - damit das Fluchen Sinn ergibt - und das Barbarinchen traf auf dem Pfaffenstein ihren Geliebten, einen Förster. Damit ging's in dieser Variante um Sex - und das ist dann gleich ein ganz anderes Kaliber (um im Bilde zu bleiben) als harmloses Heidelbeerensammeln. Und schon klappt's auch mit dem Plot. Und der Nachbargipfel heißt prompt nach dem geliebten Förster: Förster.

Zur Barbarinenaussicht: wunderbarer, abwechslungsreicher Weg, T2


Ich kehrte wieder um, und wanderte zurück Richtung Berggaststätte. Bis zum Grenzstein kannte ich den Weg ja schon, ein Highlight folgt dann aber erst danach: Die Hohle Gasse, ein derart enger Durchgang, dass man ihn einst künstlich erweitern musste. Gegenverkehr ist hier problematisch. Dann gelangte ich an die Stelle, an der ich zuvor über die Wirtsstiege heraufgekommen war. 

Kurz nachdem ich das Ende der Wirtsstiege passiert hatte, wandte ich mich an einem Wegweiser nach links, zum Abstieg auf dem imposanten Bequemen Weg.

Der Bequeme Weg ist der wohl älteste Auf- bzw. Abstieg am Pfaffenstein. Die Jahreszahl 1714, die wohl auf Jäger zurückgeht, beweist, dass der Weg damals genutzt wurde,  die Menschen der Lausitzer Kultur kannten ihn ohnehin schon längst.

Holzstufen führen hinunter in einen kleinen, romantischen Felskessel. Dort wendet sich der Weg nach rechts, und es folgt das Highlight dieser Route: das "Felsentor", eine schmale, künstlich erweiterte Felsspalte bei einem tiefen Strudelloch. Hier wird der Bequeme Weg kurzzeitig so eng, dass gerade mal eine Person durch die Klamm passt

Danach wird es ein wenig breiter, und man steigt auf Steinstufen weiter hinunter. Bald wendet sich der Weg nach rechts, und man steht inmitten einer romantischen Felsszenerie. Links vom Weg befindet sich die Kuhstallhöhle.

Der Kleine Kuhstall, eine nach zwei Seiten offene Trümmerhöhle, ist eine weitere besuchbare Höhle am Pfaffenstein. Ein paar Meter geht es hier zwischen den Felsen hindurch.

Ganz in der Nähe befindet sich auch die größte Höhle am Pfaffenstein, die um 1910 entdeckte Bellohöhle. Sie wurde nach dem Hund des damaligen Bergwirts Richard Keiler benannt. Der Hund war in die Höhle gestürzt und ist somit ihr eigentlicher Entdecker. Diese über 20 Meter lange Trümmerhöhle hat ihr Mundloch unterhalb des Jäckelfelsens, sie ist allerdings wegen der teilweise sehr engen Kriechgänge nicht touristisch erschlossen.


Der Bequeme Weg führt rechts daran vorbei, einige Stufen hinauf und dann hinunter zum Jäckelfels.

Der Jäckelfels ist nach dem bereits erwähnten Carl Gottlob Jäckel benannt, der heute als der große Erschließer des Pfaffensteins gilt.

Bequemer Weg: bequemer Weg, T2


Der Wiederaufstieg zum Gasthaus führte mich nun durch den engen Klammweg. Dieser wurde kühn in eine gerade mannsbreite Schlucht geklemmt.

Der 1913 unter der Leitung des damaligen Bergwirts Richard Keiler erschlossene Klammweg führt hinter dem Jäckelfels vorbei. 

Der Klammweg führt zunächst auf Sandsteinstufen in eine enge Spalte hinter dem Jäckelfels hinein. Am Ende dieser Spalte knickt er rechtwinklig nach rechts, und führt unter zwei Klemmblöcken hindurch. Besonders der zweite ist berühmt, eine schmale Felsscheibe, die den gruseligen Namen "Fallbeil" trägt. Auf einer recht abenteuerlichen Brückenkonstruktion geht es danach nach links. Schließlich verlässt man die Klamm über zwei Metalltreppen. Dahinter führen Holzstufen hinauf zur Bergwirtschaft Pfaffenstein.

Klammweg: Spektakulärer - nun ja, Klammweg, T1


Hier wandte ich mich nun wieder nach links, und wanderte nach Norden, bis zu der Stelle, an der der Zugang zur Aussicht an der "Albrechtsburg" und die Stiege zur Goldschmidthöhle und zur Falkenhöhle rechts abzweigen. Von links kommt hier die Nasse Schlucht herauf.

Der Aufstieg wurde seit etwa 1900 nach Fertigstellung des Nadelöhrs nicht mehr unterhalten und wird heute vor allem als Kletterzugang, d. h. als Zugang zu verschiedenen Kletterfelsen genutzt. In den Stein gehauene Stufen und eine Mauer zeugen noch von dem einstigen Aufstieg durch die Nasse Schlucht.

Er ist bis heute eine der schönsten Routen am Pfaffenstein. Weitgehend naturbelassen, helfen lediglich zwei, drei Klammern über kurze, nasse Felsstufen. Der Rest ist herrliches Wandern durch eine stille, romantische Felsenschlucht.

Es geht hinunter in die im oberen Teil noch recht breite Schlucht. Dann rücken die Felsen schnell eng zusammen, so dass kaum ein Sonnenstrahl hier je den Boden treffen dürfte. Kein Wunder, dass diese Klamm den Namen "Nasse Schlucht" trägt. 

Dann steht man unvermittelt vor einer senkrechten Stufe. Hier helfen Metallklammern hinunter. Unten angekommen, wandert man auf alten, schmalen Treppenstufen weiter in einen Felskessel, wo ein kleiner, aber markanter Block links umgangen wird. Der Weg führt dann zu einer alten Mauer hinunter, die vermutlich einst das Ausspülen der Schlucht verhindern sollte. Ein letzter schmaler Durchgang, dann wird die Schlucht weiter, und man steht an ihrem Ende. 

Nasse Schlucht: wunderbare Route durch eine nasse Schlucht, T3


Hier überquerte ich den Kletterzugang, der direkt an der Felswand um den Pfaffenstein herumführt, und wanderte daraufhin in mehreren Kehren hinunter zum Waldrand. Dort unten gelangte ich auf den Pfaffensteinrundweg, auf dem ich nach rechts und wieder zurück nach Pfaffendorf wanderte. Dann ging's mit dem Auto weiter zum Kleinhennersdorfer Stein.


Fazit:

Der Pfaffenstein ist von null auf hundert zu einem meiner Lieblingsorte im Elbsandsteingebirge avanciert. Nicht umsonst gilt er als Sächsische Schweiz im Kleinen: Fantastische Weganlagen, äußerst abwechslungsreiche An- und Abstiege, wildromantische Klammen - dieser Berg hat alles, was man sich von dieser Gegend nur wünschen kann. Großartig.


Ich empfehle als Literatur für das Elbsandsteingebirge:
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1. den "Stiegen-Wanderführer Sächsische Schweiz" von Peter Rölke
2. die Bände "Klettersteigführer. Steige und Stiegen in der Sächischen Schweiz" von Michael Bellmann
3. und für die ganz Genauen die Stiegenbücher aus dem Stiegenbuchverlag. Insbesondere Stiegenbuch I-III, Bergpfade I-III und Geheimnisvolle Wege I-III.

Die besten Karten, die ich kenne, sind die Wander- und Radwanderkarten 1: 15 000 von Sachsen Kartographie.1

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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F3ttmull hat gesagt: Taubenwirt
Gesendet am 30. August 2022 um 19:27
Den Aufstieg durch die Taubenschlucht und die Wirtschaftsstiege haben wir bereits 2015 gemacht, da hatte ich noch keine Ahnung von T-Skalen oder UIAA-Bewertungen, einfach einen Pfad auf OSM gesehen und beschlossen, den "nachzulaufen". Wird schon passen^^
Eine Beschreibung der Wirtsstiege hatte ich damals hier entnommen: https://reisen-wandern.com/deutschland/saechsische-schweiz-wirtsstiege/

Nik Brückner hat gesagt: RE:Taubenwirt
Gesendet am 31. August 2022 um 09:14
Hi Mull! Und danke für den Link. Die Seite hatte ich vor ein paar Jahren auch schon entdeckt. Gibt offenbar viele Stiegensammler im Netz.

Herzlichen Gruß,

Nik


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