Drei Schluchten im Schwarzwald


Publiziert von Nik Brückner , 14. Dezember 2021 um 13:07. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum:18 Juni 2021
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 450 m
Abstieg: 450 m
Strecke:19 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Über die B31 nach Löffingen oder Unadingen, und weiter nach Bachheim

Die Wutachschlucht - ein Wanderklassiker im Schwarzwald. Vor vielen Jahren habe ich dort ebenso viele Touren gemacht, jetzt ging es zusammen mit der Waldelfe mal wieder zurück zu diesem landschaftlichen Großod, das sich so tief in das ostwärts flach abfallende Mittelgebirge eingeschnitten hat.

Richtig gelesen, Großod - nicht Kleinod. Denn die 
Wutachschlucht ist ein ganzes Schluchtensystem; die zwischen sechzig und hundertsiebzig Meter tief eingeschnittenen Gräben erstrecken sich über dreiunddreißig Flusskilometer - und die zahlreichen Nebenschluchten sind da noch gar nicht mitgezählt

Die Schluchten beginnen unterhalb von Neustadt, im Tal der Gutach (das ist der Oberlauf der Wutach) sowie unterhalb von Lenzkirch, im Tal der Haslach. Wenn die beiden Bäche sich vereinigt haben, heißen sie zusammen Wutach. Und die Wutach fließt nun gen Osten, knickt bei Blumberg nach Süden ab, und endet bei Stühlingen. Dabei schneidet sie mit ihrem lediglich einen Prozent Gefälle langsam in den Grund ein, und dringt dabei in zahlreiche, verschieden alte Gesteinsschichten ein. So entstand eine durchgehende Abfolge von Aufschlüssen, die vom Grundgebirge (meist Granit) über die Trias bis zum Jura reichen. Durch die sehr verschiedenen Zusammensetzungen dieser Gesteine, die durch Erosion sehr unterschiedliche Formen hervorbringen, ist hier im Schwarzwald eine der abwechslungsreichsten Schluchtlandschaften Mitteleuropas entstanden.

All das an einem Tag zu erwandern, wäre wohl ein bisschen ambitioniert. Darum hatten wir uns für eine kleine Auswahl von "nur" drei Schluchten entschieden: Mit Start in Bachheim wollten wir die Engeschlucht, die Gauchachschlucht und die Wutachschlucht erwandern, und schließlich von Bad Boll aus nach Bachheim zurückkehren.

Unser Startpunkt war also das Örtchen Bachheim (725m). Von hier aus wanderten wir auf dem Engeweg nach Osten.

Nichts zu ahnen ist hier von der tief eingeschnittenen, wilden Schluchtenlandschaft unter uns. Die Schluchten sind oft jäh in die weite Ebene eingeschnitten und dann selbst aus geringer Entfernung kaum zu erahnen.


Über Wiesen und Äcker wanderten wir hinüber zum oberen Ausgang der Engeschlucht. Dann ging's die Engeschlucht hinunter. Und wenn wir zuvor gedacht hatten, diese Schlucht würde allenfalls ein kleiner Auftakt werden, so waren wir doch überrascht: der schmale Pfad führt durch eine enge, dunkle Waldschlucht, von massentouristischer Erschließung ist hier kaum etwas zu sehen, und so entpuppte sich gleich dieser erste Wegabschnitt als der wildeste der gesamten Tour. Zudem war's feucht, der schmale Pfad war rutschig, und an den zahlreichen steilen Stellen musste man ziemlich achtgeben.

Etwa zwei Kilometer ist die Engeschlucht lang. Der Engeweg wechselt mehrfach die Seiten des Tränkebachs, auf schmalen Stegen, verläuft dann in den steilsten Passagen im rechten Hang der Schlucht. Metallltreppen helfen über Steilstufen hinunter, insgesamt ist der Weg gut, aber nicht übermäßig gesichert. Vorsichtiges Gehen ist angezeigt, auch bei Trockenheit.

Irgendwann steht man dann im Bachgrund, wo schön zu sehen ist, wie das Wasser halbrunde, flache Gumpen aus dem Fels gewaschen hat. Am Talausgang der Engeschlucht steigt man dann ganz nah am Tränkebach-Wasserfall hinunter, und steht in der Gauchachschlucht.

Die Gauchachschlucht ist die bedeutendste Nebenschlucht der Wutachschlucht. Die Gauchach fließt über zahllose Stufen aus Muschelkalks kaskadenartig ihre Schlucht hinunter. Ihr Beginn liegt oben im Norden bei der Guggenmühle. Hier wird das Gauchachtal erstmal richtig eng. Zu einer richtigen Schlucht wird das Tal kurz darauf bei der Ruine der Grünburg. Hier schlängelt sich der Bach durch einige enge Schleifen. An einer dieser Schleifen stand einst die Lochmühle, die jedoch durch Hochwasser zerstört wurde. Heute befindet sich an dieser Stelle die Lochmühlekapelle mit dem Votivbild von Hochwasserkatastrophen 1804 und 1895. 

Wir wandten uns nach rechts und wanderten die Gauchachschlucht hinunter. Über eine Brücke geht es auf die linke Bachseite, dann führt ein schmaler Pfad zwischen den Felswänden und dem Bachlauf entlang. An manchen Stellen helfen kleine Brücklein über Klüfte im Fels. Wir passierten die Burgmühle (605m), an der um diese Tageszeit noch nicht viel los war, und wechselten danach auf die rechte Bachseite.


Hier, unterhalb der Ruine Neuenburg (die nach einem Erdrutsch fast vollständig zerstört ist), steht das Wanderheim Burgmühle, touristischer Stützpunkt der Naturfreunde.

Die Schlucht wird nun ein wenig breiter, und es geht weniger über Fels als durch schönen Baumbestand weiter flussabwärts. Bald jedoch wechselt der Steig wieder auf die andere Seite, und drüben geht es wieder wild an den Felswänden entlang, und unter umgestürzten Bäumen hindurch.

Im untersten Schluchtteil erläutert ein Naturlehrpfad unter anderem eindrucksvolle Quellkalke und Bestände des Riesenschachtelhalms.

Schließlich erreicht man den Zusammenfluss von Gauchach und Wutach, und überquert die Wutach auf dem Kanadiersteg.

Der gedeckte Kanadiersteg wurde 1976 von kanadischen Pionieren erbaut. Er führt von der Gauchachmündung zum gegenüberliegenden Bergsporn, auf dem sich einst die Spornburg Hörnle erhob.

Auf der anderen Seite wandten wir uns nun nach rechts, schluchtaufwärts.


Es erwartete uns ein cañonartiger Schluchtabschnitt. Er wurde als erster erschlossen, und ist bis heute der touristisch interessanteste (und damit auch der am stärksten frequentierte) Teil der Schlucht. Der Weg, der durch diesen Schluchtabschnitt führt, ist heute eine der aufwändigsten Wegeanlagen des Schwarzwaldvereins und führt teils ausgesetzt, aber gut gesichert meist (in Fließrichtung) rechts des Bachs durch die Felswände.

Die Schlucht ist in diesem Abschnitt verhältnismäßig breit, so dass die Wutach in ihrem weichen Kiesbett von einer Felswand zur anderen pendeln kann. Einige davon hat sie unterspült, so dass überhängende Wände entstanden sind, von denen manche bis zu achtzig Metern hoch sind.

Nur ca. 350 Meter weiter überquert man die Wutach zwei mal, auf schmalen Holzstegen. Dann geht es links des Bachs die flache Schlucht hinauf. Bald wandert man auf einem schmalen Felsband unter hohen Wänden hindurch, oft nur Zentimeter über dem Wasser. Eine grandiose Felsszenerie. Danach überquert man die Wutach auf einem schmalen Steg, und es geht kurz auf der anderen Seite weiter. Bald ist der Rümmelesteg erreicht.

Der neue Rümmelesteg, um genau zu sein. In diesem Abschnitt versickert die Wutach großenteils in Klüften des Muschelkalks, und tritt nach 1,3 Kilometern am Fuß der zuvor passierten Wandflucht kataraktartig wieder aus. 1953 verstürzte die höhlenartige alte Wutachversinkung hier am Rümmelesteg, der heute bis auf einen im Fels verankerten Teil zerstört ist.

Über den Rümmelesteg gelangt man wieder auf die (in Fließrichtung) rechte Seite des Bachs, wo es nun in teils großer Höhe durch die Felswände weitergeht. Brücken, Treppen und Stege helfen über schwierige Passagen. Bald passiert man den heutigen Beginn der Wutachversickerung, schließlich langt man, wieder im Talgrund, an der Schurhammer-Hütte an, die zu einer Pause einlädt.

Der Name "Forellenfelsen" erinnert hier an den frühen mondänen englischen Angeltourismus in der Wutachschlucht. Die Engländer werden uns nun für eine ganze Weile begleiten.

Es geht nun durch die Felsengalerie, vorbei am Engländerkreuz.

Dieses, wie auch der Name der nun folgenden, teils überhängenden Wandflucht "Engländerfels" erinnern an einen 1906 hier abgestürzten Engländer. Hier hat man auch einen schönen Blick auf die andere Talseite, auf den Großen Kanzelfels. Teile seiner rechten Kanzel stürzten 1983 ca. 80 Meter tief in die Wutach.

Der Weg steigt nun noch einmal hoch in die Felswände hinauf. Auf schmalen, teils sandigen Bändern quert man in luftiger Höhe, über kleine Treppchen geht es auf und ab, schmale Klüfte werden mit Hilfe von Stegen überquert. Am kleinen Tannegger Wasserfall gelangt man schließlich wieder in den Talgrund.
 

Am Felsenweiher, einem Altwasserrest unter einer hohen Felswand, stürzt der Tannegger Wasserfall (benannt nach der Ruine Alt-Tannegg) fünfzehn Meter tief über eine Felsstufe in die Schlucht. An dieser Stelle befindet sich gegenüber das Münzloch, die mit vierundachtzig Metern längste Höhle in der Wutachschlucht.


Schließlich erreichten wir das Gelände von Bad Boll, und damit das Ende unserer Schluchtenfahrt.

Bad Boll ist ein wüstgefallener Weiler im Grund der Wutachschlucht. Hier existiert eine schwefelhaltige Quelle. Die erste urkundliche Erwähnung ist aus dem Jahr 1467 überliefert. Damals wird ein Badhäuschen erwähnt, das zur nahe gelegenen Burg Tannegg gehörte. Später fiel das Gelände an das Kloster St. Blasien, 1806 an das Großherzogtum Baden.

1818 erwarb Jakob Kromer den Badhof. Sein Sohn oder Enkel ließ 1839 die Heilquelle neu fassen und erweiterte das bis dato landwirtschaftliche Anwesen zu einer Gaststätte mit Badeanstalt. Eine chemisch-physikalischen Prüfung hatte ergeben, dass das schwefelhaltige Wasser von heilsamer Wirkung sein könne. Daraufhin soll die Bevölkerung das Boller Wasser kübelweise aus der Schlucht geholt haben, um es als Mittel gegen Hautausschläge einzusetzen. 

 

1854 brannten die alten Gebäude nieder, worauf man Bad Boll ab 1855 als kleine Siedlung neu errichtete. Neben dem Badhaus entstand nun ein Kurhaus, ein Wirtschaftsgebäude, ein Nebengebäude mit Tanzsaal und ein Waschhaus mit Viehtränke. Die Blütezeit begann dann 1887, als Carl Schuster die Gebäude und Anlagen modernisieren ließ, und einen modernen Kurbetrieb einrichtete. Das Kurhaus wurde erweitert und ein eleganter Speisesaal im Jugendstil eingerichtet.1889 entstand eine Trinkgrotte und die heute noch vorhandene Badkapelle, dazu eine Dependance mit 21 Fremdenzimmern und neue Badekabinen im Badhaus. Zudem ließ er Bad Boll mit elektrischem Strom versorgen, das unter anderem einen neu eingerichteten Park beleuchtete, der sich zum Tannegger Wasserfall hin erstreckte.
 
Als Schuster 1894 starb, verkauften seine Erben das Areal Bad Boll an den Fishing Club Limited aus London. Dieser legte einen ersten, noch sehr provisorischen Weg durch die Wutachschlucht an, der allerdings bald durch Hochwasser zerstört wurde. Erst ab 1904 richtete der Schwarzwaldverein unter der Leitung von Karl Rümmele, nach dem der Rümmelesteg benannt ist, einen hochwassersicheren Weg von Bad Boll zur Wutachmühle ein. Der Badebetrieb kam in dieser Zeit allerdings zum Erliegen, da sich der Fishing Club naturgemäß eher für's Fischen interessierte. Spätere Versuche, Bad Boll als Kur- und Genesungsheim, als Ferienheim für französische Soldatenkinder, als Privatklinik, als freier Therapiehof, als  Schullandheim oder als Wanderherberge weiterzubetreiben, scheiterten. Gebäude brannten ab oder verfielen. Heute erinnern nur die immer noch sprudelnde Schwefelquelle, die einstige Badkapelle und einige wenige Ruinen an das einstige Bad Boll.
 
Wir überquerten auf dem Hockenjossteg die Wutach und stiegen auf der Nordseite hinauf zum Rappenfelsen. Oben ging's dann nach rechts, immer am Waldrand entlang, nach Osten zur Kiesgrube Reiselfingen. Diese passierten wir nordseitig, überquerten dann die Zufahrt, und folgten kurz dem Rosenbächle. Dann nahmen wir die erste links (Norden), überquerten die Straße, die von Bachheim zur Kiesgrube führt, und wanderten hier im Wald kurz geradeaus. Dann bogen wir nach rechts ab, zu der nun unvermeidlichen Straße zurück, und wanderten auf dieser weiter nach Bachheim, wo wir unsere Runde beendeten.


Fazit:

Herrliche Tour durch drei wunderbare Schluchten von überraschend unterschiedlichem Charakter. Der Rückweg durch die Kiesgrube ist mäßig spannend, aber als Rundweg geht es so am schnellsten. Macht nichts, denn die Schluchten gleichen das mehr als aus. Sie gehören zu den ganz großen Highlights im Schwarzwald.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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