Bire - oder eben nicht...


Publiziert von MarcoCello , 31. Mai 2021 um 17:15.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:30 Mai 2021
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 4:00
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Zug bis Kandersteg und dann zu Fuss zur Talstation der Oeschinensee-Gondelbahn oder mit dem Auto direkt zur Station.

Einige Berichte hier auf Hikr haben meine Tage in den Bergen sehr erleichtert und bereichert. Deshalb ist es jetzt Zeit, selber mal einen Bericht zu schreiben. Da es mein erster Bericht ist, und ich mit dem Veröffentlichen von Berichten hier bisher noch keine Erfahrung habe, kommt das ganze wohl nicht ganz so professionell daher wie bei den Hikr-Profis ;-)

Heute hole ich etwas aus. Wer nur kurz die wichtigsten Infos zur Tour und aktuellen Schneesituation möchte, sollte sich auf das Fettgedruckt und den letzten Abschnitt beschränken :)

Und nun zum heutigen Tag: 

Mit dem Winter haben wir im Flachland schon länger abgeschlossen und so juckt es viele von uns Bergbegeisterten schon länger in den Fingern, mal wieder Höhenluft zu atmen. Der Blick in die Berge ist momentan aber vielerorts doch etwas frustrierend - hochalpine Touren scheinen doch irgendwie noch in weiter Ferne. Im Flachland und im Jura habe ich bereits einige sehr schöne Wanderungen hinter mir, doch die tolle Kulisse, die man hoch oben in den Bergen hat, fehlt mir doch sehr. Was kann man also machen, wenn man nicht warten will(/kann)? Es bleibt wohl nichts anderes übrig, als möglicherweise geeignete Ziele zu lokalisieren, von unten anzuschauen und einfach mal einen Versuch zu wagen, im Wissen, dass ein Abbruch der Tour wahrscheinlich ist und nicht allzu zähneknirschend hingenommen werden sollte.

So haben wir es heute also gemacht. Das Ziel: D Bire ;-) Eine ortskundige Freundin wies mich darauf hin, dass es DIE Bire und nicht DER Bire ist. Sonst hätte ich mir hier noch einen Fauxpas geleistet. Von unten konnte man im Vergleich zu den umliegenden Bergen kaum noch Schneefelder erkennen, deshalb fiel die Wahl einige Tage zuvor auf den Hausberg von Kandersteg.

Die letzte Nacht war für uns beide eher kurz und deshalb schenken wir uns die ersten Höhenmeter und fahren mit der Gondelbahn bis zur Station Oeschinen. Es ist Sonntag und gutes Wetter, die Gondelbahn ist also vor 9 Uhr schon bestens besucht und befördert unermüdlich den nicht abbrechenden Menschenstrom nach oben in Seenähe. 

Wir laufen bis zum Werkhof und steigen links neben dem Holzgebäude im Geröllbett auf. Als die in der Luft hängende Wasserleitung(?) über uns verläuft, folgen wir den zuvor gelesenen Tourenberichten, laufen noch ca. 20m weiter und steigen rechts in den Wald ein, wo wir den Weg schnell finden. Erst geht es mässig steil im Wald hinauf, den Schutz vor der Sonne sollte man hier nochmals richtig geniessen, danach heisst es für den Rest der Tour: Sonne pur. Als wir auf das Geröllfeld kommen braucht es manchmal noch etwas mehr Fantasie, die Wegspuren zu erkennen, oft helfen aber rote Markierungen und Steinmännchen. So muss man meistens nicht lange suchen. Das Gelände ist sehr abschüssig und der Untergrund nicht immer 100% stabil. Eine sonst sehr heikle Querung wurde mit einem Drahtseil entschärft. Sonst gilt es, einige Bäche zu überqueren, welche im Spätsommer wohl erheblich weniger Wasser führen. Uns fallen ausserdem ein paar Bohrhaken auf, an denen man seine Gefolgschaft wohl mit dem eigenen Seil sichern könnte.

Den dritten Bach müsste man überqueren und gleich danach nach links (rechts vom Bach) steil in eine Lücke aufsteigen, auf der anderen Seite sehen wir noch das Drahtseil. In der Lücke oben hat es aber ein grosses (teilweise unterspültes) Schneefeld, welches uns entscheiden liess, links vom Bach aufzusteigen. Von der anderen Seite beobachten wir dann, wie immer wieder kleinere Felsstücke auf den Wanderweg aufschlagen. Nicht ganz ungefährlich. Oben angekommen müsste man das Felsband via Schneefeld rechts umgehen. Da uns das ganze nicht so geheuer ist, kraxeln/klettern wir dann fast senkrecht das Felsband hinauf und bewegen uns damit wohl schon (fast) im T6-Bereicht. Das hat etwas Zeit gekostet und auch an den Nerven gezehrt. Die Frage, wie wir da wieder runter kommen sollen bleibt uns im weiteren Verlauf noch im Hinterkopf. Der weitere Weg ist sehr ausgesetzt aber gut machbar, eine weitere Stelle ist noch mit Seilen entschärft. Nach einer kurzen unfreiwilligen (aber sehr willkommenen) Dusche in einem Wasserfall, der teilweise auf den Wanderweg niederregnet, biegt der Weg zwei Mal nach rechts ab, wo es dann wieder kurz und steil Richtung Osten geht. Von hier oben können wir erstmals den ganzen restlichen Wanderweg überblicken, da man von hier noch die Grasfelder sieht, die man von unten nicht sehen konnte. Der Blick ist ernüchtern. Es liegt doch noch etwas mehr Schnee, der mindestens teilweise den Weg überdeckt. Die Sonne brennt auf uns (und den Schnee) nieder und uns fehlt ehrlich gesagt die Erfahrung, um den Gang über die Schneefelder risikotechnisch richtig abschätzen zu können. Ausserdem wären wir wohl einiges langsamer als vorgesehen und wir hätten doch noch ein bisschen Weg vor uns. Ach ja, und dann ist da ja noch die Schlüsselstelle im Abstieg, die uns nicht so recht in Ruhe lässt. Wir beschliessen, das Ganze damit gut sein zu lassen und verschieben den Rest auf später im Jahr.

Wir gehen den gleichen Weg zurück und entscheiden, statt dem T6-mässigen Kletterabstieg doch über das Schneefeld abzusteigen. zweimal breche ich bis zur Hüfte ein, ein paar Hohlräume hats wohl doch noch unter dem Schnee. Grundsätzlich geht es aber recht gut. Wieder fallen einige Steine von oben und treffen nicht allzu weit entfernt auf, danach purzeln sie ins Tal. Trotzdem überqueren wir diesmal den Bach und gehen auf der anderen Seite dem Weg entlang. Der Rückweg im Geröll geht besser wie im Aufstieg, wir haben uns wohl etwas daran gewöhnt. Im Aufstieg hatte ich da doch noch ein etwas mulmiges Gefühl. Und danach gehts bald auch schon wieder durch den Wald. 

Unten an der Strasse (oder schon fast Autobahn) zum See angekommen fühle ich mich mit der Ausrüstung in der Menschenmenge irgendwie befremdlich. Wir genehmigen uns noch ein Bier und ich blicke auf die vielen Menschen rund um den See, dann noch die Masken überall - das ganze erinnert mich sehr an meine Zeit in Korea und China. 

Grundsätzlich eine tolle, spannende und gut machbare Tour, die ich allen erfahrenen Alpinwanderern empfehle. Einzig Schwindelfreiheit und (Berg)Schuhe mit gutem Grip sehe ich als unentbehrlich für diese Tour. Vermutlich muss man noch 2-3 Wochen warten, bis die Schneefelder dann auch hier ganz verschwunden sind.

Wir werden die Tour dann wohl im Juli wieder in Angriff nehmen.

Tourengänger: nando1988, MarcoCello


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Kommentare (4)


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amphibol hat gesagt: schöne Tour..
Gesendet am 1. Juni 2021 um 07:24
.. auch wenn der Weg nicht bis auf die Bire geführt hat. Es ist eine Stärke, wenn man umkehren kann. In vielleicht 14 Tagen- geht es so weiter - würde es wohl schon ohne Schnee gehen. Im Zweifelsfalle helfen hier Steigeisen. :-)
Gruss, Raphael

MarcoCello hat gesagt: RE:schöne Tour..
Gesendet am 1. Juni 2021 um 15:25
Hoi Raphael, danke! Da gebe ich dir Recht, und manchmal sollte man in den Bergen einfach auf sein Bauchgefühl hören. Nächstes Mal werde ich (wenn die Tour nicht sicher schneefrei ist) auch nochmal die Steigeisen dabei haben :) im Juli sollte das Gipfelerlebnis da oben dann gut machbar sein!
Gruss, Marcel

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 1. Juni 2021 um 13:43
Altschneefelder in Rinnen oder über ev nicht sichtbaren Bachläufen bergen gehörige, zuweilen schwer erkennbare Risiken, einzubrechen - wie das diesjährige Unglück am Feldberg leider zeigen musste.
Umzukehren angesichts von Unwägbarkeiten ist deshalb nie ein Fehler.

MarcoCello hat gesagt: RE:
Gesendet am 1. Juni 2021 um 15:31
Hallo Nyn, danke für den Link. Da hast du absolut Recht, deshalb haben wir uns das ganze auch dreimal überlegt Ein grosses Risiko bei unterspülten Schneefeldern im Frühling besteht vorallem darin, weiter unter das Schneefeld gespühlt zu werden, wo man dann nicht mehr raus kommt. Daher sollte man auch hier immer versuchen, die Gefahr richtig abzuschätzen oder halt umzukehren.
Gruss Marcel


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