Bündner Vorab 3028 m - Mit Schneeschuhen über den Westgrat


Publiziert von Cubemaster , 16. Mai 2021 um 13:22.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Surselva
Tour Datum: 1 Dezember 2018
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT5 - Alpine Schneeschuhtour
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   CH-GR   Segnas-Vorabgruppe 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1800 m

Der Vorab ist sicherlich einer der am einfachsten zu erreichenden 3000er der Glarner Alpen, weshalb ich den Bündner Vorab (als höchsten Gipfel des Massivs) als meinen ersten Winter-3000er auserkoren hatte. Allerdings sprach mich der Weg durch das Skigebiet relativ wenig an und da die Bahnen noch nicht fuhren, hätte ich auch dort gewaltig viel Höhenmeter zurücklegen müssen. Die nordseitigen Routen sind im Winter lawinentechnisch aber problematisch, und so fiel meine Wahl auf Pigniu als Startpunkt. Wohl wissend, dass zusätzlich zu den circa 1800hm eine ordentliche Distanz zurückzulegen wäre, wollte ich es trotzdem versuchen, da die Route einerseits objektiv verhältnismäßig sicher sein sollte und mir andererseits der Weg durch die vom Skigebiet unberührte Seite als sehr reizvoll erschien.

Ein erster Versuch am 10.11.18 schlug dann erstmal fehl, da das Wetter sich nicht so recht an die (eigentlich ganz passable) Vorhersage halten wollte. Ich kam bis in den kleinen Sattel "Crena Martin" auf 2726m, wo mir im übelsten Whiteout ein eiskalter Wind um die Ohren pfiff. Zu gefährlich, hier bei strengen Minustemperaturen, Sturmböen und nur wenigen Metern Sicht über die breiten Hochflächen Richtung Vorab zu irren...

Der zweite Versuch am 1.12.18 versprach dann deutlich bessere, aber auch nochmal deutlich kältere Bedingungen. Ich startete wieder um 9 Uhr in Pigniu und wanderte erst noch ohne Schneeschuhe durch eine zauberhafte Winterlandschaft über Stavel Sut und Stavel Sura Richtung Fuorcla da Ranasca. Etwa ab Stavel Sura benötigte ich dann auch wie erwartet die Schneeschuhe. Ich stieg nicht ganz bis zur Fuorcla da Ranasca hinauf, sondern hielt mich weiter nördlich, in Richtung Crap Ner. Ab etwa 2250m bog ich dann in eine nordwestliche Richtung ab, um die Ausläufer des Crap Ner südwestlich zu umrunden. So gelangte ich in das flache Hochtal westlich des Crap Ner.

Von hier aus ging es nun immer geradeaus aufwärts in Richtung der kleinen Lücke Crena Martin. Während dieses Aufstiegs querte ein einzelner Steinbock in aller Seelenruhe den gesamten, breiten Hang oberhalb des Tales von rechts nach links. Die letzten paar Meter vor der Lücke waren recht steil, es ließ sich aber mit Schneeschuhen noch einigermaßen machen. Als ich schließlich auf dem Grat ankam, war es schon 13.40 Uhr. Das Wetter war aber weiterhin fantastisch und der Schnee auf dem Grat war windgepresst und hart und ließ sich dementsprechend super begehen. Also ging es diesmal weiter (hier hatte ich ja beim ersten Versuch umdrehen müssen)!

Von der Lücke muss man nun kurz Richtung Nordosten auf einer Höhe queren, um ein kleines Felswändchen zu umgehen, dann geht es immer unterhalb dieses Wändchens weiter aufwärts und schließlich etwa 30 bis 40 Meter hinunter in die nächste Gratscharte auf 2756m. Von hier aus geht es nun immer in Gratnähe entlang, wobei man natürlich einen Sicherheitsabstand zu den Wächten an der rechten Seite einhalten muss. Es ist aber massig Platz da! Scheinbar endlos ging es über die breiten Hänge hinauf. Mehrmals entpuppte sich ein vermeintlicher Gipfel doch nur als Gratbuckel und so war es bereits 14.45 Uhr als ich den 2998m hohen Westgipfel erreichte.

Was nun? Der Bündner Vorab war zum Greifen nah, ein Weitergehen würde aber bedeuten, beim Abstieg in die Dunkelheit zu kommen. Ich checkte nochmal, ob ich die Stirnlampe und ausreichend Batterien dabei hatte und entschloss mich dann, zum Gipfel zu gehen. Eine wohl folgenschwere Entscheidung (siehe Epilog unten)... Der ostseitige Abstieg vom Westgipfel ist eine der steilsten Passagen der Tour (ca. 25 bis 30 Grad), ließ sich aber bei den herrschenden Bedingungen durchaus noch ganz gut mit Schneeschuhen machen. Vom Sattel aus ist es dann wieder einfach, aber auch nochmal eine nicht zu unterschätzende Strecke. Um 15.15 Uhr war ich dann endlich oben!

Trotz fantastischem Wetter und traumhafter Fernsicht an diesem klaren Wintertag blieb ich nur etwa 5 Minuten am Gipfel, um ein paar Bilder zu machen und einen stahlhart gefrorenen Müsliriegel zu lutschen. Dann machte ich mich in Anbetracht der späten Uhrzeit schon wieder auf den Rückweg. Im beginnenden Abendlicht über den Grat zurückzulaufen war zwar wunderschön, aber die Temperaturen begannen auch schon wieder zu sinken und es wurde bald eisig kalt. Als ich etwa um 16.15 Uhr die Lücke Crena Martin wieder erreichte, waren meine Zehen so eingefroren, dass ich sie auch durch Bewegen nicht mehr warmbekommen konnte.

Unterhalb der Lücke war es aber bald wieder angenehmer, da hier kaum noch Wind war. Ich beeilte mich nun, noch so weit wie möglich bei Tageslicht herunterzukommen. Um etwa 17.15 Uhr (ich hatte gerade den Crap Ner wieder umrundet), war es dann so dunkel, dass ich mit Licht weitergehen musste. Ab Stavel Sura konnte ich wieder ohne Schneeschuhe gehen und mit den höheren Temperaturen in tieferen Lagen tauten dann auch meine Zehen wieder auf (natürlich mit den dazugehörigen Schmerzen). Der linke große Zeh fühlte sich leicht dick an, aber alles halb so schlimm... Als ich um etwa 19 Uhr wieder an meinem Auto war, ging eine fantastische Wintertour zu Ende.

Epilog:
Normalerweise enden meine Brichte ja mit dem Erreichen des Autos. Dieser nicht! Denn als ich am Auto meine Socken auszog, konnte ich einen total blau unterlaufenen Zehnagel bewundern. Vermutlich das Ergebnis von langem Abwärtslaufen in Schneeschuhen mit eingefrorenen Zehen. Anfangs noch kaum schmerzhaft, aber mit der Heizung im Auto wurde es immer schlimmer. So entwickelte sich die fast dreistündige Rückfahrt zu einem wahren Höllentrip, den ich teils fluchend, teils mit zusammengebissenen Zähnen und immer wieder mit der Faust auf den Beifahrersitz schlagend irgendwie bewältigte. Mehrere Wochen Pause, ein halbes Jahr bis der blöde Nagel endlich nachgewachsen war und fast ein Jahr, bis ich wieder komplett beschwerdefrei war, waren letztlich doch ein sehr hoher Preis für diese schöne Tour.

Tourengänger: Cubemaster


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