Auf stillen Pfaden zum Schurmsee, über den Diebaukopf und die Langeck


Publiziert von Schubi , 14. Januar 2021 um 12:41.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum: 9 Januar 2021
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT2 - Schneeschuhwanderung
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 633 m
Abstieg: 633 m
Strecke:15,4 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Skihang/Festplatz in Hundsbach
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.

In Fortsetzung zu meinen anderen stillen Unternehmungen hier, da und dort sollte es diesen Winter ebenfalls auf Schneeschuhen zu einem Karsee gehen, und zwar zum etwas abseits gelegenen Schurmsee. Er hat hinter sich mit ca. 160 Metern die höchste Karwand im Nordschwarzwald. Auf der Karte sieht man westlich von ihm noch zwei weitere Kar-Formen im Hang des zugehörigen Bergrückens Langeck. Im mittleren davon findet man einen verlandeten Karsee („Blindsee“) der mit der Zeit zum Moor wurde. Ich legte mir also eine Rundwanderung als Route an, mit der ich an allen drei Karen wenigstens „vorbeikam“. Aber weil der Nordschwarzwald auch auf den Höhen arg zugewaldet ist, rechnete ich mit nicht allzu vielen Eindrücken. Besonders gespannt war ich jedoch auf die Karwand des Schurmsees, deuteten die Höhenlinien der Topo-Karte in ihr doch felsige Partien und Abbrüche an. Dafür wollte ich den Weg verlassen und die Kante des Kars erkunden. Nicht gerechnet hatte ich mit den doch erstaunlichen Mengen feinsten Pulverschnees (50 - 60 cm) auf den Höhen, und so wurde die Runde etwas langsam.

Brian Eno's Deep Blue Day lautet meine Soundtrack-Empfehlung zur Tour diesmal, denn es passt nicht nur zur Tiefe des Kars, sondern auch zur kühlen Stimmung des Tags.

Vielleicht zu Beginn noch eine kleine wissenschaftliche Exkursion zu den Karen im Schwarzwald: Während der Eiszeiten waren die Schwarzwaldhöhen durchgehend von Schnee und Eis bedeckt. In Firn-Mulden, sogenannten Karen, bildeten sich Hanggletscher. Das Eis drängte abwärts, riss und sprengte dabei Felsbrocken von den Gebirgswänden und schob dieses Geröll vor sich her. Über die Zeit wurden so halb- bis dreiviertelrunde Teile durch den Gletscher vom Bergrücken „weg-gefräst“. Die Schuttmasse blieb am Ende der Gletscherzunge liegen und bildete dort eine sogenannte Endmoräne. In der Vertiefung hinter der Moräne, die der Gletscher bei seinem Rückzug in der beginnenden Warmzeit zurückließ, sammelte sich Schmelz- und Oberflächenwasser und bildete so die Grundlage für die Karseen. Sie haben meist nur wenig  Zufluss (oft nur kleine Bäche) aus dem sie ihr Wasser erhalten. Am Ende der Eiszeiten, vor ca. 10 000 Jahren gab es im Nordschwarzwald rund 35 Karseen. Der überwiegende Teil davon ist zwischenzeitlich wieder verlandet, und auch am Schurmsee schreitet dieser Prozess langsam voran. (Quelle)


Los geht es im vergessenen Örtchen Hundsbach, in seinen umliegenden Bergen war ich bereits *letzten Juno unterwegs. Nun bin ich im Januar hier und es gab gut Schnee, so dass sich das Anschnallen der Schneeschuhe sogar ab der ersten Wegkreuzung lohnt. Wacker stapfe ich am Nordwesthang der Langeck in die Höhe, hier noch nach der Markierung „Blaute Raute“ des Schwarzwaldvereins. Ich erreiche die Schurmseehöhe (950 m), ein Aussichtspunkt mit Bänkle und einem wirklich traumhaften Blick runter auf den See. Ich muss sagen, diese Ansicht kann mit derjenigen auf den wohl berühmtesten (aber auch sehr touristisch überlaufenen) Schwarzwald-Karsee, den Mummelsee, locker mithalten. Weit ab von allen Strassen, Parkplätzen und Hotels liegt der Schurmsee, und so ist es an und um ihm buchstäblich still, einsam und waldromantisch. Ich war an einem Samstag unterwegs und auf der ganzen Runde hatte ich nur zwei Begegnungen mit anderen Leuten. Nach einem Schluck heißen Pfefferminztees will ich nun einen Pfad nordöstlich durch die Karwand herabsteigen. Er ist nicht auf allen Karten verzeichnet, beginnt jedoch gleich am Bänkle. Rustikal und schmal geht es teils steil herab. Alles ist von den frischen Schneefällen weiß verzaubert und auf der Schneeschicht haben sich zusätzlich noch prächtige Frostfahnen aufgepflanzt, wohl durch die zugige Thermik, die in solchen Kesseln oft herrscht. Ich habe zwischen den Bäumen auch mal Tiefblicke und erahne die Steilheit der Karwand. Das hab ich so bisher nur am Feldsee erlebt. Hier und da hängen auch größere Felstrümmer aus Buntsandstein drin, der Gletscher (und die Verwitterungsvorgänge bis heute) haben also einiges an Arbeit geleistet. Unten im Karboden angekommen gehe ich an zwei Hütten vorbei, quere einen Forstweg und auf einem kurzen Pfädchen gelange ich schliesslich ans Ufer des Schurmsees. Auch hier steht ein Bänkle und ich mach darauf das erste Veschper. Die abgesperrte Uferzone des Sees mit einem bis zu 15 m breiten schwimmenden Schwingrasen aus Torfmoosen ist Naturschutzgebiet und darf nicht betreten werden. Aufgrund des stark sauren Seewassers (eine Wirkung des Buntsandsteins) gibt es keine Fische im See. Der Schurmsee wurde wie andere Seen in vergangenen Jahrhunderten als Stausee (Schwallung) genutzt, um das Holzflößen zu ermöglichen. Noch heute ist etwa die Hälfte der Waldfläche hier im Besitz der Murgschifferschaft, diese entstand schon im 15. Jahrhundert als Vereinigung von Waldbesitzern, Sägewerksbesitzern und Flößern. Erst in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden etwas mehr als die Hälfte des Waldes an den badischen Staat verkauft.

Ich umrunde den See und gehe auf seiner Südseite zunächst auf Weg, dann auf Pfad, wieder in die Höhe. Nun möchte ich oben von der Kante des Kars noch ein bissel auskundschaften, ob auch hier Felsen in der Karwand herausstehen, die man ggf. im Sommer mal kraxelnd erkunden könnte. Dafür verlassen ich den Wirtschaftsweg und stapfe durch feinsten Pulver recht tief versinkend zur Abbruchkante, der ich soweit möglich ca. 300 Meter nach Norden folge. Die Topo-Karte jedenfalls sagt mir hier unterhalb Hangneigungen bis zu 55° an. Tatsächlich geht es steil und tief herab, mit den Schneeschuhen wage ich mich nur dezent bis nach vorne. Größtenteils ist’s aber recht bewaldet und natürlich alles zugeschneit. Insofern kann ich nur anhand der Steilheit vieler Partien mutmaßen, dass unterm Schnee wohl hier und da Felsstufen liegen. Ich beschließe, auf jeden Fall im Sommer nochmal wieder zu kommen. Passenderweise lugt ab jetzt die Sonne ab und an heraus und lässt den tief verschneiten Wald herrlich aufleuchten.

Nun wieder rüber auf den nahen Forstweg, auf ihm etwas zurück und dann runter über Wege-Zickzack südwestlich zum Nachbar-Kar mit dem erwähnten „Blindsee“ darin. Von einer nahen Wegkreuzung führt ein Pfädlein direkt an ihn heran. Wie sein Name schon andeutet, ist der Blindsee eingentlich gar nicht mehr vorhanden, als erblindet (= verlandet). Ein Geländer und Hinweisschilder weisen den Besucher auf ein Betretungsverbot hin, denn der Blindsee steht unter strengem Naturschutz. Der langsame Verlandungsprozeß von einem Karsee zu einem Moor führte nämlich als Begleiterscheinung mit sich, dass sich hier viele seltene Pflanzen und Tierarten sehr wohl fühlen. Jetzt im Winter sehe ich aber natürlich nur eine offene, verschneite Fläche vor mir und nichts von der raren Vegetation darunter. Deswegen geht es direkt weiter: am Blindsee-Pfad und auf dem folgenden Touren-Abschnitt bergan begleiten mich nun eine zeitlang die frischen Spuren eines Langläufers, der hier selber spurte. Also geniesst an diesem Samstag-Vormittag noch ein weiterer Naturliebhaber die Stille hier. Ich steige nun auf breitem Forstweg eine ganze zeitlang bergan durch die Karwand des Blindees, die aber nicht so steil ist wie die des Schurmsees. Leider bin ich fast durchgehend von gleichförmigen Fichten-Wirtschaftswald umgeben, nur ein paar Blicke zwischen den Bäumen (nach Südwesten in Richtung Hinterlangenbach) kann ich erhaschen. Daher nix mit Tiefblick, auch nicht ins direkt daneben liegende dritte Kar dieser Tour, dasjenige unterhalb des Diebaukopfs. Einen Erkundungs-Versuch über eine Rückegasse gebe ich wieder auf, zu dicht steht die Vegetation. Vielleicht schau ich mir zu einer anderen Jahreszeit mal die dortige Karmulde an, die laut Karte ein wasserreiches Quellgebiet ist.

An der nächsten Wegkreuzung gehe ich rechts auf einem aufgelassenen Forstweg über die höchste Stelle des Diebaukopfs: Er misst 999 m, aber mit mir drauf (und mit all seinem Bewuchs sowieso) knackt er die 1000-Meter-Marke dann locker ;o) Eigentlich ist er nur einer von einigen „Höhepunkten“ des langgestreckten Bergrückens, der von der Hornisgrinde ausgehend sich über Obergrind, Philippenkopf, Langengrinde weit nach Osten zieht und deren Endpunkt dann die Vordere Langeck bildet (letzteres ist zugleich die nördliche Verlängerung der Karwand des Schurmsees). Hier oben wende ich mich wieder nach Osten und folge der zart erahnbaren Schneise eines Pfads, der wohl auch im Sommer nur recht versteckt durchs Gehülz führt, immer entlang der Kammlinie dieses Höhenzugs. Es geht über viele umgestürzte Bäume rüber und zwischen nachschiessenden Jungfichten hindurch, das Ganze in 60 cm tiefem, allerfeinstem Pulverschnee :-/ Geduld-und kraftraubend ist das, immerhin öffnet sich nachher mal der Bewuchs etwas, aber größtenteils bleibe ich ohne Fernblicke. Netterweise kommt die Sonne immer öfter zwischen der leichten Bewölkung hindurch und verzaubert den verschneiten Wald golden. Ich erreiche den höchsten Punkt der Langeck (994 m) und beschliesse, hier etwas abzukürzen. Nahebei zeigt die Karte einen Pfad westlich herab zu den nächsten Rückegassen/Forstwegen. Unter dem ganzen Schnee ist er aber net auszumachen. Aber ob ich ihn nehme oder einfach weglos durch den tief verschneiten Wald stapfe, ist hier iwie auch wurscht. Anschliessend komme ich über Forstweg-Zickzack den Nordhang der Langeck herunter und dabei auch nochmal an einer Stelle vorbei, wo ich im Juni einen schönen Tobel weglos erkundete. So wie damals ist auch heute das laute Rauschens des kleinen Bachs eine Wohltat für die Ohren und ein interessanter Kontrast zu dieser über ihren kompletten Verlauf sehr stillen Tour. Einige Forstweg-Stockwerke geht es nun noch herab und schliesslich stehe ich wieder am Parkplatz des kleinen Skihangs in Hundsbach.

Fazit: der Schurmsee und seine hohe Karwand sind wirklich sehens- und erlebenswert. Es wurde, wie auch bei meinen anderen „Schneeschuh-Karseen“, eine herrlich stille Runde. Wie gut, dass der See weit ab von jeglichem Touristen-Rummel liegt. Für den Steig durch die Karwand ca. WT3 sonst 2. Die zweite Hälfte der Wanderung war an Sensationen eher arm, aber ich erwarte nicht bei jeder Tour ein Feuerwerk an Naturwundern und mag auch das beharrlich-meditative Vor-mich-hin-Stapfen. Ausserdem war ich neugierig auf die Topographie dort und konnte schaun, ob sich eine Sommer-Kraxel-Erkundung der Schurmsee-Karwand lohnen würde. Das tut sie.

Tourengänger: Schubi


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Kommentare (6)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 14. Januar 2021 um 15:51
Natur pur. Bestechenden Eindrücke
Klasse!

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. Januar 2021 um 17:07
Danke dir, Markus!

F3ttmull hat gesagt:
Gesendet am 15. Januar 2021 um 10:02
Der Hochschwarzwald ist einfach ein Traum im Winter, der Bayrische Wald ist aber auch ein Besuch wert, v.a. rund um Deggendorf die untersch. Riegele auf etwa 1.000 müNN :)

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Januar 2021 um 20:40
Danke, aber ich befürchte, da verwechselst du was: der Hochschwarzwald ist ein Teil des Südschwarzwals, ich war hier jedoch in der höheren Lagen des Nordschwarzwalds unterwegs ;-)
Der Beayrische ist bestimmt auch immer eine Tour wert, hab bis jetzt aber nur eine Kindheitserinnerung daran.
Viele Grüße!

WolfgangM hat gesagt:
Gesendet am 26. Januar 2021 um 12:19
Schade, dass ich Deinen Bericht erst jetzt lese, nachdem ich zwei Wochen später auch auf Schneeschuhtour am Schurmsee und auf der Schurmseehöhe war (*Bericht). Ich habe mich nämlich nicht auf den verfallen steilen Pfad zwischen Schurmseehöhe und Schurmsee getraut, den Du erfolgreich begangen hast. Wenn ich gewusst hätte, dass du dort lebend durchgekommen bist :-), hätte ich es vielleicht auch versucht. Viele Grüße!

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Januar 2021 um 13:08
Haha, nö, so schlimm ist der Pfad gar nicht. VG!


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