Auf stillen Pfaden zum zugefrorenen Wildsee und zum Altsteigerskopf (1092 m)


Publiziert von Schubi , 16. Dezember 2019 um 11:17.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum:12 Dezember 2019
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT3 - Anspruchsvolle Schneeschuhwanderung
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 318 m
Abstieg: 318 m
Strecke:11,4 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Wanderparkplatz an der Schwarzwaldhochstraße unterhalb der Darmstädter Hütte
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.
Unterkunftmöglichkeiten:Darmstädter Hütte, ganzjährig bis auf ein paar Wochen in Nov./Dez.

In der letzten Woche gab es mehrfach Neuschnee im Schwarzwald. Anlass genug für mich, spontan freizunehmen und die Schneeschuhe anzuschnallen. Eigentlich sah mein Plan eine deutlich kürzere Runde vor. Nur wollte ich, nachdem beim ersten Schnee der Saison die Sicht dort so schlecht war, auf jeden Fall nochmal an meiner Lieblings-Fernblick-Stelle ganz oben am Altsteigerskopf vorbeikommen.

Als Soundtrack für Anfahrt, Rückfahrt, zum Betrachten der Bilder hier empfehle ich das gemütlich-beschwingte "Holiday for Bells" des legendären Bert Kaempfert.

Bei einer Temperatur von 3 Grad minus auf 960 m sind vor ein paar Stunden die letzten Flocken dazugekommen und der der Schwarzwald ist frisch eingeschneit. An einem Wanderparkplatz an der Schwarzwaldhochstraße stelle ich den Wagen ab, von hier aus gehen zwei Forstwege nach oben, ich nehme den rechten, südlich führenden. Leicht ansteigend geht es hier entlang des Westhangs des Altsteigerskopf. Auf dem Rückweg bin ich dann "zwei Etagen" höher an diesem Berg, auch an o.g. Panorama-Stelle. Normalerweise hätte ich jetzt schon einen herrlichen Fern- und Tiefblick, aber die Wolken haben sich mal wieder in die höheren Schwarzwald-Lagen gehängt und so stapfe ich durch eine Nebelsuppe. Am Wegkreuz unterhalb der Darmstädter Hütte, wende ich mich nach rechts und treffe hier auf  Wanderer. Man kommt ins Gespräch und bedauert gemeinsam die momentanen Betriebsferien der Hütte. Sie wäre heute bei den frostigen Temperaturen eine ideale Einkehr. Die beiden Herrschaften werden neben vier weiteren fast gleichzeitg auftauchenden Wanderern meine einzige Begegnung heute bleiben, es wird eine stille Tour. Na, und die Loipe ist ja auch noch nicht gespurt. Der recht bekannte Westweg Pforzheim-Basel führt hier durch und in den warmen Monaten ist einiges los, auch wenn die Darmstädter Hütte zum Glück nur fußläufig und nicht mit Pkw erreichbar ist.

Nur 50 Meter geht es rechts nun auf dem "Westweg" weiter und dann an einer Weggabelung links hoch. Der Hauptweg verzweigt sich nun zweimal kurz hintereinander nach links, ich nehme den ersten Weg nach links. Nach ca 250 m kommt ein Funkmast, kurz vor ihm nochmals links in den Hang hoch. Wenige Meter, bis ich wieder auf eine Wegschneise treffe, auf der ich nach rechts weiter gehe. Hier bin ich jetzt am "Gipfel" des Seekopfs (1054 m und eigentlich, wie im Schwarzwald üblich, eher eine flache Kuppe) und umrunde auf einem Pfad sein Hochmoor: Das ist, wie auf ebenfalls so vielen anderen Bergen des Schwarzwalds, durch eine jahrhundertelange Beweidung entstanden. Diese Feuchtheide-Flächen werden als Grinden bezeichnet und sie beherbergen eine erstaunlich große Artenvielfalt mit so einigen seltenen Gewächsen. Hier kann man sich dazu  etwas einlesen. Dieser Naturraum hat jetzt eine ganz andere Charakteristik als die eben durchwanderten Hänge der Berge: Latschenkiefern, Ebereschen, Vogelbeeren und Birken prägen das Bild, sie sind von dem hier oben ständig ziehenden Wind schön eingefrostet und wirken in den Nebelwolken recht gespenstisch.

Ca. 700 Meter in südliche Richtung, dann treffe ich am höchsten Punkt des benachbarten Ruhesteinbergs auf den Hauptwanderweg, der vom Ruhestein-Pass hochkommt. Der Lift steht still und der Wintersport-Betrieb hat noch nicht eingesetzt. Hier scharf links ab und nun wieder in NE-/N-Richtung auf breiter Trasse. Ich bin etwa überrascht, dass hier noch keine Spuren im Schnee sind, normalerweise ist das ein beliebter Wanderweg. Auf einer Sitzbank Veschper und die nebenstehende Infotafel studiert. Jetzt kommt die erwähnte Planänderung in's Spiel: Ursprunglich wollte ich ja am späten Nachmittag auf dem schönen Wegstück ganz oben zwischen Altsteigerskopf und Geißkopf sein, da die Wettervorhersage eine auflockernde Bewölkung für diesen Zeitraum angesagt hat und sich dort immer ein perfekter Fernblick bietet. Aber der Himmel war weiterhin arg verhangen. Ich lag ganz gut in der Zeit und könnte die Tour also etwas erweitern. Der wilde Abstieg zum wildromantisch gelegenen Wildsee (auch: "Wilder See") böte sich hier an. Dieser hat aber auch schon im Sommer T3+-Eigenschaften und dürfte mit Schneeschuhen und dem frischen Schnee jetzt bissel wurschteliger sein. Ich frag mich auch, ob ich mit dieser Verlängerung dann noch rechtzeitig an meinem Lieblings-Fernblick wäre ... sei's drum und was soll's: Versuch macht kluch.

Vorher laufe ich aber noch ein Stück auf dem erwähnten Hauptweg nördlich weiter und passiere dabei die Grabstätte des Orient-Forschers und Schwarzwald-Bewunderers Prof. Julius Euting. Ein spannendes Leben hat er, und ihm zu Ehren wird heute noch jährlich zu seinem Geburtstag an seinem Grab, einer testamentarischen Verfügung Eutings gemäß, arabischer Mokka ausgeschenkt ;-) Kurz danach bietet sich rechts ein schöner Tiefblick zum Wildsee. Ausgeschildert zweigt dieser nun nach halbrechts ab (obacht, dann nach ca 150 m nochmal rechts, übersieht man leicht). Ich kenne ihn bisher von sommerlichen Touren: steil, wurzelig, mit ein paar Felsstufen sowie jeder Menge querliegender umgestürzter Bäume. Also ein rechter Spaß :-) Und: Juchheeee – ich bin auch hier der Erste im Schnee und ziehe weiter meine Spur im frischen Weiß. Gutgelaunt abwärts und drauf achten, wo Schneeschuhe platziert, denn die Blöcke in der Pfadspur können Schneeschuh und Fuß schnell schräg stellten :-/ Ich tauche tief in die Vegetation un da der Pfad verschneit kaum auszumachen ist, hat es etwas von weglosem Durchwurschteln. Wie auch immer: umständliche Felsstufen und umgestürzte Bäume werden natürlich durchwegs leichtfüssig und elegant überkraxelt ;-) Die Pfadführung geht im Zickzack steil herab durch die Karwand des Gletscher-Kars, das vor vielen tausend Jahren den Wildsee gebildet hat. Malerisch eingebettet liegt er in der Waldlandschaft. Und ist deswegen auch eine der Haupt-Attraktionen im Nordschwarzwald, aber zum Glück nicht so touristisch überrannt wie sein nördlicher Karsee-Kollege, der Mummelsee.

(Um Verwirrungen bei evtl. Recherchen nach dem Wildsee vorzubeugen: noch weiter nördlich, bei Kaltenbronn, gibt es einen weiteren See gleichen Namens. Der hier besprochene Wildsee beim Ruhestein wird auf manchen Karten wiederum auch als "Wilder See" bezeichnet).

Als ich einen Vogel im Geäst höre, fällt mir auf, dass ich hier ja in wirklich absoluter Stille unterwegs bin. Nur das Geräusch meiner Schneeschuhe, das Kamera-Klicken ... sonst: Nix! Ungewohnt und schön. Am Fuß der Karwand wird der Pfad nun flacher aber es wollen noch ungefähr dreitausend umgestürzte Bäume überstiegen werden, bis endlich rechts das Ufer des Sees sichtbar wird. Dass die Vegetation hier kreuz und quer liegt hat seinen Grund darin, dass das Wildsee-Kar das älteste Schutzgebiet des Nordschwarzwalds ist: seit 1911 Bannwald (sprich: es wird nichts mehr aufgeräumt oder beforstet, Umgefallenes bleibt liegen), und damit sozusagen die Keimzelle des erst 2014 eingerichteten Nationalparks Schwarzwald. Der See liegt auf 910 m Höhe. Durch die Bäume hindurch staune und fotografiere ich, in welch schön geschwungenen Mustern die Oberfläche des Wildsees zugefroren ist. Da, wo der See in einen kleinen Bach entwässert, kann man mittels Trittsteinen über's Wasser abkürzen. Die herrliche Stille wird hier von leisem Plätschern und Gluckern, naja, weniger durchbrochen, denn eher ergänzt. Es ist ein rechtes Wintermärchen. Zeit nun für einen Becher heißen Pfefferminztees am Ostufer des Sees: mit Blick auf die umliegenden Karwände, den verschneiten Wald, und die weißen Schnee-Inseln auf dem zugefrorenen See. Dieser schimmert von unten her bräunlich-beige und zaubert so einen netten Farbkontrast zum Weiß.

Weiter geht es durch die Stille, zunächst ein paar Meter zurück zur Weggabelung am See: hier nun auf dem Pfad rechts in östlicher Richtung weiter (Wegweiser: Hinterlangenbach). Nach zwei weiteren kleinen Bachlauf-Qerungen wird der Pfad zum Weg und der trifft schliesslich auf einen weiteren Forstweg. Hier folgen ich der Beschilderung links gen Darmstädter Hütte. In ein paar Bögen und Kehren geht es nun wieder in die Höhe und die Vegetation lichtet sich. Ich bin jetzt erneut auf ca 1000 m Höhe und die typische Hochflächen-Vegetation mit Latschenkiefern und Konsorten tritt erneut ins Bild. Der Himmel westlich zeigt nun Färbung in gelb, die Wolkendecke hat also aufgerissen. Leider habe ich hier noch keinen Fernblick. Ich hadere kurz mit meinem Timing. Aber was soll's: wär ja langweilig, wenn im Leben alles takt- und planbar wäre ...

Die gemütliche Darmstädter Hütte muss ich leider passieren, da Betriebsferien sind. Sie ist aber den Großteil des Jahres offen und immer eine Einkehr wert. Am Gebäude entlang rüber zum Weg bergab auf der anderen Seite. An der folgenden Wegkreuzung unten nehme ich keinen der breiten Forstwege, sondern einen kleinen Pfad, den man etwas suchen muss: er beginnt am Pistenrand, etwas rechts oberhalb eines Holzschuppens. Der nun folgende Abschnitt auf den Höhen des Altssteigerskopfs und des Geißkopfs ist in meinen Augen einer der aussichtsreichsten und ursprünglichsten Passagen im Nordschwarzwald. Leicht ansteigend geht es zunächst durch einen lichten Wald. Hinten im Westen wird der Himmel orangener. Der ersehnte Fernblick vom Altsteigerskopf rückt langsam näher, aber die verdammten Schneeschuhe lassen halt kein schnelleres Tempo zu. Die Vegetation wird jetzt nochmal niedriger und offener, erste Blicke rüber zur Skisprungschanze am Ruhestein und zu den Hängen des Melkereikopfs tun sich auf. Die Wolken haben sich netterweise tatsächlich ganz schön gelichtet. Jetzt laufe ich, fast an seinem höchsten Punkt, um den Altsteigerskopf (1092 m) herum, der mir hier nochmals eine wilde Winterlandschaft präsentiert. Er hat nach Westen eine lange, tiefe Flanke und bekommt von dort immer die volle Ladung Wetter ab. Bäume liegen kreuz und quer oder sind auf halber Höhe vom Sturm weggebochen worden. Wer dem Wind standhalten kann, sieht recht zerzaust und schief aus. Nur den hier wieder zahlreich vertretenen Latschenkiefern ist mal wieder alles wurscht, sie halten wahrscheinlich auch den Weltuntergang ganz gut aus. Ausserdem haben sie offenbar Freude daran, mir immer wieder den Weg zu versperren. Auch große umgestürzte Baumstämme wollen wieder überkraxelt oder umgangen werden.

Links runter habe ich zwischen den licht stehenden Bäumen hindurch einen interessanten Tiefblick auf die Schwarzwaldhochstraße und im Norden schiebt sich immer mal das hell erleuchtete Mummelsee-Hotel am Südhang der Hornisgrinde (1164 m) ins Bild. Ihr Gipfel bleibt heute aber komplett in den Wolken, an deren Untergrenze ich mich ungefähr gerade aufhalte. Schliesslich stehe ich auf dem offenen Stück, wo der Altsteigerskopf (1092 m) schon in den Geißkopf (1086 m) übergeht, und habe endlich nun meinen ersehnten Tief- und Fernblick: unter mir die Lichter von Seebach und Ottenhöfen, vor mir die weite Ebene des Oberrheins, dahinter ist hier und da der Höhenzug der Vogesen im nahen Frankreich zu erkennen. Magnifique. Zwischen den Wolkenstreifen schimmert warm noch etwas Abendlicht hindurch. Très romantique, wenn nur nicht die eisige Kälte wäre. Der Wind pfeift hier ordentlich und hat die ersten Schneeverwehungen geformt. Meine Finger formt er leider zu gefühllosen Werkzeugen, die bei versuchten Änderungen der Kamera-Einstellungen ständig auf die falschen Knöpfe kommen ... Das Tageslicht ist nun fast schon weg und ich muss mich mit dem Fotografieren beeilen. Ich produziere reichlich Ausschuss, kann aber das Wesentliche festhalten. Der Pfad senkt sich nördlich führend wieder herab. Ich ziehe die Stirnlampe über, rasch wird es dunkel. An der Wegspinne wischen Geißkopf und dem nächsten Berg, dem Schwarzkopf weiter bergab, halblinks. Nicht weit und erneut eine Wegkreuzung, da wende ich mich steil nach links (südwestlich) und runter. Eine weitere Wegkreuzung passiere ich geradeaus abwärts und erreiche meinen Wagen an der Schwarzwaldhochstraße.

Fazit: die Entscheidung, spontan frei zu nehmen und den frisch gefallenen Schnee im Nordschwarzwald auf Schneeschuhen zu durchwandern, hat sich als richtig erwiesen. Und erst recht die Touren-Erweiterung runter zum stillen Wildsee. Trotz der durchfrorenen Finger: die Tour wird mir sehr in Erinnerung bleiben.

Tourengänger: Schubi


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