Durchs Unterholz zu unbekannten Wasserfällen und Tobeln, Kapitel 3: Die Topo-Karte als Schatzkarte


Publiziert von Schubi , 2. November 2020 um 10:10.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum: 8 Oktober 2020
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Aufstieg: 670 m
Abstieg: 670 m
Strecke:10,1 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Einmündung Forstweg an der B 28 zwischen Bad Peterstal-Griesbach und Freudenstadt
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.

In Fortsetzung zu *dieser Tour hier (und auch zu *jener) habe ich mir diesmal eine Ecke des nördlichen Schwarzwalds vorgenommen, die sich auf der topographischen Karte als halbrunder Kessel östlich-oberhalb von Bad Griesbach abzeichnet und evtl. auch mal eines der vielen Kare im Nordschwarzwald war. Denn in dessen weiche Buntsansdstein-Decke hatten sich zu den Eiszeiten Hanggletscher in meist halbkreisiger Form gefressen. Leider gibt es zum hier begangenen Gebiet kaum geologische Infos im Netz, immerhin zwei (antiquarische) Quellen habe ich gefunden. Wieauchimmer: die Karte verzeichnet dort zwei Wasserfälle und mehrere Tobel, von denen ich die Hoffnung hatte, dass sie schön wild wären und ich sie weglos in die Tour würde einbauen können. Vor Ort wurde ich dann einige Male freudig überrascht, weil es sogar mehr zu entdecken gab, als ich erwartete.

Als Soundtrack für Anfahrt, Rückfahrt, oder zum Betrachten der Bilder hier passt mehr als perfekt Matt Pond PA's The Trees And The Wild.

Einen ersten kurzen Sondierungsbesuch gab es bereits im August, aber nur beim Großen Griesbacher Wasserfall. Auf älteren Karten (und sogar bei Google Maps) führt noch ein Pfad zu ihm, aber davon sehe ich nichts mehr, vielleicht kam in der Schlucht mal was ins Rutschen. Umso besser, ich wurschtel mich ja eh gern durchs Unterholz. Natürlich fiel im August nur wenig Wasser über den Fall und so beschloss ich, im Herbst erneut vorbeizuschaun und mir dafür eine Tour anzulegen, die zu weiteren, eventuell interessanten Orte dort oben führen sollte: westlich findet man auf der Karte noch den Kleinen Griesbacher Wasserfall, oberhalb von ihm dann den Rappenschliff sowie südöstlich eine Felsformation namens Teufelskanzel. Dazwischen verteilt liegen wie erwähnt noch einige, womöglich ebenfalls spannende (aber namenlose) Tobel, so jedenfalls deuten es Höhenlinien und Bachläufe auf der Karte an. Dort rein wollte ich also weglose Abstecher machen.

Ich stelle meinen Wagen an einem Forstweg ab, der in einer der zahlreichen Haarnadel-Kurven der B 28 zwischen Bad Griesbach und Alexanderschanze beginnt. Alternativ kann man auch vom etwas höher gelegenen Wanderparkplatz (ebenfalls an der B 28) aus starten, dann hat man aber mehr Forstautobahn zu wandern. Über ein Wege-Zickzack nun erstmal bergab, bis ich auf eine dieser Forstautobahnen treffe. Aber ich bin nur kurz darauf: der Wirtschaftsweg überquert bald in einer Rechtskurve den namenlosen Bachlauf des Großen Griesbacher Wasserfalls und in dieser Kurve steige ich deswegen nun links in die Botanik. Noch wird der Wasserfall von einem überwucherten Felsriegel verdeckt, aber ich höre ihn bereits rauschen. Durch die Vegetation sind es nur ca. 60 Meter bis zur Fallstufe. Nach und nach komplett sich das herrliche Bild: umgeben von urwüchsigem Baumbestand fällt das Bächle hier ca. 14 Meter in fast freiem Sturz über einen Granit-Gang im Gneis (Quelle), eingerahmt von einem kleinen steilwandigen Kessel. Was für ein wunderschöner Ort. Jetzt Anfang Okober führte er nach einem Regentag auch deutlich mehr Wasser als im August. Ebenfalls im August brach ich die weitere Erkundung oberhalb des Wasserfalls ab, ich kam linksseitig/östlich nur schwerlich durch die Vegetation. Wohl aber sah ich dort oben-hinten eine weitere Fallstufe. Grund genug also, an einem wasserreichen Tag wiederzukehren. Nun im Oktober gehe ich eine Schotterrine rechts/westlich des Wasserfalls hoch und dann oben durchs Gehülz dem Hören nach zurück zum Bachlauf. Von hier kann ich den Oberlauf des Wasserfalls besser überblicken und mit ein bisschen Gewurschtel auch runter in den tief eingeschnittenen Tobel absteigen. Denn von dort habe ich jetzt einen prächtigen Blick auf die besagte nächste Fallstufe. Die ist nicht ganz so dramatisch hoch, kippt sich aber ebenfalls sehenswert zwischen Granit und Buntsandstein hindurch. Nochmal höher an diesem namenlosen Bach kommen sogar weitere Aha-Momente, aber ich möchte im Tourenbericht nicht vorgreifen.

Aus dem Tobel heraus nun wieder (etwas ausgesetzt) durch seine steile Flanke hoch. Die Hände kommen zum ersten Mal zum Einsatz, denn die Mischung aus Geröll, feuchtem Waldboden und Laub ist fies. Es hilft, sich mit den Wanderstiefeln kleine Tritte in den losen Untergrund zu raspeln ... nächstes Mal nehme ich Grödel mit. Jetzt südwestlich weiter, kurz Tierspuren folgend dann über einen aufgelösten Weg und schliesslich wieder Forstautobahn. An der Sexauer Hütte Pause mit Veschper. Nach Ausschilderung nun in Richtung Kleiner Griesbacher Wasserfall (auf den Wegweisern nur "Wasserfall"). Oberhalb von ihm, an einem breiten Wegkreuz, mache ich jedoch bereits einen kurzen Abstecher zum, wie sich später herausstellt, unteren Teil des Rappenschliffs. Ihn habe ich zuhause ebenfalls auf der Karte entdeckt und der Höhenlinien-Verlauf versprach eventuell Spannendes.

Schliffe sind im Nordschwarzwald ein Begriff für Rutschungen und Fels-Abbrüche in steilen, wasserreichen Partien des Buntsandstein-Deckgebirges, verursacht durch einen Unterspülungs-Prozess. Den unteren Teil des Rappenschliffs entdecke ich, indem ich auf besagter größeren Wegkreuzung nach Karten-Gefühl erstmal geradeaus statt rechts (weiter zum Kleinen Wasserfall) gehe. Und Volltreffer: dieser Weg ist eigentlich eine Sackgasse, die, holla die Waldfee, bald an der Abbruchkante des hier tief eingekerbten Rappenschliffs endet. Ich stehe oberhalb einer Schlucht, die von ca. 25m-Steilwänden aus Buntsandstein in verschiedenen Rottönen gebildet wird, und an deren Vorsprüngen sich umgestürzte Bäume wie Mikadostäbchen eingehängt haben. So viel Drama hätte ich in diesem Teil des Schwarzwalds gar nicht erwartet. Und es wird noch besser.

"Merkwürdig ist noch die Bildung der Bergschliffe. Sie sind an sehr abschüssigen Halden durch unterirdische Wasser entstanden, welche die leicht verwitterbaren untern Schichten der Sandsteinbänke durchströmen und den Zusammenhang mit den harten obern Lagen gänzlich gelockert haben. Letztere sind manchmal in beträchtlichen Dimensionen von Höhen und Abhängen herabgestürzt, und dadurch haben sich weitklaffende sterile Schluchten gebildet, welche in die Gebirgsmassen schauerlich hineinragen. Solche sind der Rappenschliff im Döttelbacher Gemeindewalde [...]" aus: Die Renchbäder Petersthal und Griesbach im Badischen Schwarzwalde, 1866, S. 62.

Im weiteren Wegverlauf stellt sich übrigens seltsamerweise heraus, dass der offizielle, markierte "Renchtalsteig" in Richtung Marienruhe/Glaswaldsee diesen beeindruckend anzublickenden Teil des Schliffs gar nicht berührt (wie gesagt: ich war auf einem unmarkierten Sackgassen-Weg), lediglich von einer Wegkurve weiter oben hat man mal einen Blick zu einer weiteren, hinter Bäumen halb-versteckt liegenden Felsformation im Hang oberhalb, und dieser Blick ist später Anlass, mir auch ebendiese Ecke mal genauer anzuschauen. Aber eins nach dem anderen. Auch wenn es mich gerade reizen tät, nun vorsichtig in den Tobel des (unteren) Rappenschliffs abzusteigen (auf meiner Seite ist er nicht ganz so steil wie auf der westlichen), beschliesse ich, mir erstmal den Kleinen Griesbacher Wasserfall anzuschauen. Also zurück zum markierten Pfädlein und weiter bergab. Kurz vor dem Wasserfall sehe ich noch links hinter den Bäumen eine hoch aufragende, breite Betonwand: aha, hier hat man den offenbar Steinschlag-beschleunigendenKräften des Rappenschliffs künstlichen Einhalt geboten. Sicher nicht ohne Anlass, wie ich aus diesem Fundstück von 1913 erfahre (s. 27):

"In den Schlipfen lösen sich alljährlich große Felsen los, besonders zwischen späterem März und Anfang Mai, wenn die Stärke der Quellen am größten ist. Manchmal sind es ganz gewaltige Blöcke, die in den Schlipfen herunterkommen. So löste sich am 9. März 1896 im Rappenschliff über Griesbach ein 133 cbm großer Block los und rutschte zu Tal, wo ihn der Maurer des Orts als willkommene Beute betrachtete und in Bausteine zerlegte."

Ein Wirtschaftsweg wird gequert und nur noch kurz auf dem markiertem Pfad jetzt also hinab zum Kleinen Griesbacher Wasserfall (auf manchen Karten auch "Südlicher Griesbacher Wasserfall"), der sozusagen die Fortsetzung des Schliffs ist. Er hat drei schöne Fallstufen und der Pfad führt romantisch, teils über Fels-Trepplein, in ihrer Nähe herab. Über und unter der mittleren Fallstufe steige ich mal neugierdeweise in den Tobel herunter. Anschliessend über den treppigen Pfad zur unteren Fallstufe. Die ist dann sogar nochmal höher und sehr eindrucksvoll. Der Steg an der untersten Stufe ist ein Wendepunkt meiner Wanderung, denn jetzt geht es auf gleichem Pfad wieder zurück und am Wirtschaftsweg, wo man die Betonschutzmauer sieht, nun bergan wegweiser-geführt in Richtung Marienruhe/Glaswaldsee. Schönerweise ist dieser Wegabschnitt teils ein wurzeliger Pfad. An einer Kurve dann ein offener Blick übers Tal von Griesbach. Als ich mich hier zum Weitergehen wende, entdecke ich die vorhin erwähnte Felsformation im Hang über mir. Ein Blick auf die Topo-Karte sagt mir, dass es sich hierbei wohl um den Beginn/das obere Ende des Rappenschliffs handeln könnte.

Meine Neugierde ist geweckt und ich will mich dorthin weglos dorthin durchzuschlagen.Nach etwas Unterholz finde ich die westliche Abbruchkante: das schaut auch hier größer als, als gedacht :-) An der Kante entlang wieder etwas bergab, bis ich eine Stelle zum Absteigen finde. Zwischen den Bäumen glänzen bereits die Felsen hindurch. Supergut. Mein Fokus ist jetzt allerdings auf die Füße und das steile Terrain gerichtet, wieder wären Grödel hilfreich gewesen. Aber gerade dadurch, und wegen der dichten Bäume, erschliesst sich mir der Anblick nur nach und nach und das steigert die Vorfreude. Unten komme ich schliesslich in einem Art felsigen Kesselrund an, voll mit wild-wuchernder Vegetation. Jetzt erst sehe ich die ganzen Ausmasse des gesuchten Ortes und habe den nächsten Staun-Moment des Tages. Die Wände dieses Kessels bildet zerklüfteter Buntsandstein. Das ist also der Beginn des Rappenschliffs – ich bin beeindruckt. Viel Geröll und vom Frost abgesprengter Fels liegt herum, es ist recht dschungelig zugewuchert, ich höre das Gluckern eines nicht sichtbaren Wasserlaufs. Die Abgeschiedenheit des Ortes macht ihn noch, ja, irgendwie märchenhafter. Wie gesagt: Schatzkarte :o)

Ich schaue mich um, soweit Geröll und Uhrzeit es erlauben. Gern wär ich noch ein bissel mehr herumgestiegen. Die hintere Wand des Schliffs ist teils senkrechter Fels, da komme ich nicht hoch. Also auf gleiche Art wie herein wieder heraus. Ich finde ich den vorhin verlassenen Pfad und gehe nun weiter bis zum Wegpunkt Marienruhe (870 m). Hier habe ich einen herrlicher Blick talwärts nach Norden. Schon schräg: der eben besuchte Schliff-Kessel müsste nah unterhalb liegen, aber man kann ihn von hier nicht einmal erahnen.

Weiter geht es, noch ein Stück bergan, bis zum Bärenfelsen (949 m). Und tatsächlich hat dies Trum Stein, ganz so wie von vielen Hikern bei solchen Orten erwartet, auch circa die Form eines Bärenkopfs ... Kurz danach wieder (östlich) bergab: Auf alten Karten ist der Pfad-Beginn noch direkt an der Wegkurve, jedoch aktuell nimmer vorhanden. Man kann aber durchs Unterholz abkürzen, oder halt wahlweise noch ein Stück bis zum (jetzigen) offiziellen Abzweig nach links runter weiterlaufen. Es folgt ein richtiger schöner rustikal-felsiger Zick-Zack-Pfad steil bergab durch das, was wohl mal die Karwand war. Zwischendurch ein Kraxel-Abstecher auf eine Felsgruppe. Apropos Karwand: auch wenn kaum was Geologisches über diese Ecke zu finden und meine Interpretation "ehemaliges Kar" nur eine Annahme ist, dies hier immerhin bestätigt sie:

"... Im Kar aber umschließen die Wände den ebenen oder sanft geneigten Karboden, der durch den Gegensatz die steilen Hänge noch viel steiler erscheinen läßt. Der flache Boden ist nicht überall gleich deutlich ausgeprägt. Am Grunde der halbkreisförmigen Steilwände ist er fast immer, wo ihn nicht nachträgliche Erosion zerstört hat (wie beispielsweise im Kar unterhalb der Teufelskanzel an der Lettstetter Höhe), gut entwickelt." (Quelle)

Die erwähnte Teufelskanzel passiere ich später. Die "nachträgliche Erosion" wiederum ist wohl der Grund dafür, warum ich auf dieser relativ kurzen Tour so  häufig ins Staunen und Fotografieren komme: Ich denke, für Schwarzwald-Verhätnisse war auf diesem rel. kleinen Raum in den letzten paar tausend Jahren wirklich viel in Erosion und Bewegung. Denn mein Highlight dieser Tour folgt nun: auf der Karte verzeichnet ist eine tiefe Erosionsrinne im steilen oberen Drittel der Karwand, durchflossen von einem namenlosen Bach. Da will ich von unten mal hereinsteigen und schaun, wie weit ich hoch komme. Recht unauffällig bezeichnen überwucherte Felsen wie Pforten den unteren Beginn der Rinne, aber nachdem ich die erste Vegetations-Barriere überwunden habe, tut sich mir ein wilde Fels-Szenerie auf, mit Abbruchkanten an den steilen Flanken und jeder Menge herunter-gebrochener, hingewürfelter Sandstein-Trümmer am Grund. Ich bin wirklich beeindruckt. Ein "Oha-Effekt", ähnlich wie vorhin schon im Rappenschliff-Kessel. Die Felsbrocken sind teils moos-überwuchert, teils kantig-blank, dazwischen liegt Totholz: Beeindruckend und für mich in der Audehnung überraschend. Nun folgt eine der schönsten halben Stunden all meiner bisherigen Erkundungen. Die Hände müssen wieder ran, ich wuchte mich über die Blöcke und Trümmer, schaue, dass nix wackelt oder bricht, hole dazwischen Luft und komme aus dem Schauen und Fotografieren gar nimmer heraus. Aus der Rinne auch nicht, aber diese will ich ja so weit wie möglich hochkraxeln. Ich frage mich, wieviel hier erosions-technisch noch in "Bewegung" ist. Frische Abbrüche sehe ich nur an kleineren Brocken. Jedoch: in den Monaten nach dem Winter wäre es mir hier nicht so ganz geheuer. Am Grund sieht man immer mal das Rinnsal des namenlosen Bächleins aufschimmern, aber dafür dass es kürzlich geregnet hat, fliesst wenig durch. Um mich herum nur wild durcheinandergewürfeltes Gestein und ebensolche Vegetation. Einer der höchsten Wände steht senkrecht abfallend, erstaunlich glatt (gebrochen), kurz vorm oberen Ende des Tobels: eine beeindruckende Abschluss-Impression dieses kleinen Abenteuers in eine andere Welt. Zum Ausstieg aus der Rinne nehme ich die Flanke gegenüber dieser Wand: wie gut, dass man sich an Baumstämmen hochziehen kann ... Dann wenige Meter durchs Unterholz, und ich stehe wieder in der "Zivilisation" der markierten Wanderwege, schon lustig.

Ein Stück entlang der Lettstädter Höhe (967 m) geht es nun, bevor ich links auf den ebenfalls markierten Steig zur Teufelskanzel (920 m) herunter abbiege. Ein wiederum herlich wurzelig-felsiger Pfad führt mich dorthin, im Zickzack steil die Karwand bergab. Die Teufelskanzel ist ein weit überhänger Fels aus Buntstandstein, schummrig eingebettet in den dunklen Tann. Von der Felskante tropft es und ich bin froh, dass die Teufelskanzel nicht Teufelsnase heißt ... oben in ihrem linken Bereich sieht man eine höhlenartige Vertiefung und ich beschliesse, mal hochzusteigen und reinzuschaun. Viel vom Frost abgesprengter, scharfkantiger Schutt liegt darin herum. Vorsichtig nun wieder herab und auf dem schönen Pfad weiter bergab. Ein weiterer überhängender Sandstein-Fels liegt direkt am Pfad und sagt zu mir: setz dich rein und mach Veschper. Gemütlich ist's hier und es erinnert mich an den Rotwein-Felsen an der Obergrind. Noch ein Stück tiefer trifft der Steig auf den querlaufenden Pfad, der mich vorhin schon zum namenlosen Tobel brachte. Weil die Topo-Karte aufzeigt, dass es entlang von ihm kurz westwärts evtl. noch was zu entdecken gäbe (zwei weitere namenlose Wasserläufe), mache ich diesen Abstecher natürlich auch. Tatsächlich treffe ich noch auf zwei kleine Wasserfälle und weiterhin steiles, felsdurchsetztes wildes Terrain. Herrlich ist's auch hier! Der Pfad ist schön zugewuchert und führt ca. auf halber Höhe durch die Karwand. Ich beschliesse, im Winter nochmals mit Schneeschuhen herzukommen.

Am zweiten Wasserfall drehe ich um und laufe ab hier durchgehend nordöstlich/nördlich mal pfadig, mal forstwegig. Dabei komme ich, man ahnt es schon, an weiteren felsdurchsetzten Tobeln vorbei, in die ich kurz herab oder herauf steige. Munteres Bächleplätschern auch dort. Noch weiter nördlich nähere ich mich wieder dem namenlosen Wasserlauf, der unterhalb über den anfangs erforschten Großen Griesbacher Wasserfall fällt. Hier am oberen Ende dieses Tobels führt der Pfad sozusagen um seinen Abschluss herum und das dazugehörige namenlöse Bächle kullert über blankgeschliffene Sandstein-Platten. Aber von nahem vernehme ich deutlich lauteres Rauschen. Ob es dort auch noch etwas zu entdecken gibt? Ein letztes Mal wurschtele ich mich deswegen nun durchs Unterholz, in Richtung des Rauschens. Ich suche mir wieder einen gangbaren Abstieg durchs Gehülz, hangele mich an Bäumen herab und balanciere über blödes Geröll, das versteckt unter nettem Farn liegt. Aber die Mühen haben sich gelohnt: denn getrennt nur von dichter Vegetation entdecke ich nah beinander tatsächlich noch zwei weitere Wasserfälle und eine schroffe Felswand in diesem Tobel. Erneut: Freude.

Das gegenüberliegende Terrain ist zu steil, also auf meiner Seite wieder hoch und den Pfad finden. Auf ihm, und auf Wirtschaftswegen, nun das letzte Stück zurück bis zum Wagen. Kurz tut sich nochmals ein herbstiger Talblick auf: ein netter Abschluss dieser an Eindrücken reichen Tour.

Fazit: für Schwarzwald-Verhältnisse ist innerhalb eines relativ kleinen Gebiets erstaunlich viel zu erleben. So wurde es zu meiner definitiv schönsten "Topo-Karten-Entdecker-Runde" bisher. Denn der Abgleich Karte – Realität brachte diesmal eine Menge interessanter Überraschungen. Ich will mich hier im Fazit nicht wiederholen, die Schwärmereien oben im Text (und hoffentlich auch die Bilder) sprechen ja für sich. Wieauchimmer: Inzwischen habe ich viel Gefallen an der Kombination aus Topo-Karten-Studium und weglosem Erkunden gefunden. Mit Wegen erschlossene Schönheiten lasse ich aber natürlich auch nicht links liegen.T4-/I  für einige der weglosen Abstecher, insbesondere die Kraxelei durch den namenlosen Tobel. Der Steig durch Karwand/Teufelskanzel ist T3, der Rest T2. Eine Regenhose ist beim Streifen durchs nasse Unterholz perfekt. Ein Stecken und ggf. Grödel sind beim Ab- und Aufstieg in Tobel und Schliffe hilfreich.

Eine Tour aus der Rubrik Unterholz-Preziosen


Tourengänger: Schubi


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Kommentare (8)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 2. November 2020 um 21:04
Deine Canyoning-Abenteuer lesen sich herzerfrischend, lieber Frank.

Wo kriegst du eigentlich das "gute" Kartenmaterial her, um so was zu planen?

Ich bin beim Bergsteigen leider oft ein wenig zu faul, um "gute Karten" mit zu nehmen und meine, ich würde mit ner (z.B. Bergfex.at Wegeskizze aus dem Inet -bissle bearbeitet-) auskommen. Oft reicht mir das auch, aber was ich nun schon öfters hatte: Etliche der eingezeichneten Wege gibt es schlicht weg gar nicht oder der Verlauf ist komplett falsch.
Also Pustekuchen. Wenns drauf ankommt zu grob. Das kann übel werden, wenn du weglos rumrennst und dann passt das Gelände nicht zu dem, was du erwartest oder zu wenig genaue Geländermerkmale. Das Satellitenbild wäre da eher was, aber da fehlen dann wieder die Höhenlinien.

Was recht gut sein soll ist a) LK CH, aber das hört halt nahe der Grenze zu den Nachbarländern auf
Und Der Vorarlbergatlas - sehr gut, allerdingd stark gewöhnungsbedürftg, bis man ne Darstellung findet, die passt. Dafür üppigst bestückbar mit Infos

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 3. November 2020 um 09:35
Hallo Markus.
Danke für dein Lob!

Also ich hab mir einfach mal alle Blätter der amtlich-topographischen Karten meines Landkreises besorgt, die gibt es für Baden-Württemberg hier zu bestellen. Sie sind super zum zuhause Planen und, ja, zum Tobel entdecken ;o)
Seit einiger Zeit nutze ich unterwegs die App von Outdooractive, die haben in der Bezahl-Version auch die amtliche-Topo als Layer mit drin, so dass man sich im Gelände praktischerweise orten und auch eine Abgleich machen kann mit der ebenfalls hinterlegten Open Street Map. Dabei, und vor Ort sowieso, sieht man auch, wie veraltet manch amtliche Topographische schon ist. Allerdings hat Open Street Map auch nicht alle Wege drin, das sollte man bei Planung und Abwägungen auch berücksichtigen.

Die Desktop-Browser-Version von Outdooractive ist beim Planen zuhause auch super und beim Anlegen von Routen halt komfortabler als die App zu bedienen. Für die Schweiz ist bei Outdooractive auch die herrlich detailierte dortige Amtliche hinterlegt (Swiss Topo). Auch essentiell: alle Karten lassen sich in der App offline aufs Smartphone abspeichern.

In den Alpen nehm ich unterwegs sicherheitshalber immer noch Karten in Papierform mit, Smartphones gehen ja auch mal leer oder kaputt.

Ich hätt jetzt gedacht, dass du für deine alpinen Erkundungen/Gratwanderungen und beim Abwägen von möglichen weglosen Routen eh topograhisches Kartenmaterial mitnimmst (also mit all den Details wie Schotterfeldern/-Rinnen, felsigem Gelände, Abbrüchen etc.)?
Du gehst da echt mit nur einer Skizze hoch?

Nyn hat gesagt: RE: Nur ne Skizze
Gesendet am 3. November 2020 um 13:05
Hallo Frank danke für die Infos deiner Quellen. Leider kann ich diesen "neumodischen" Schnickschnack nicht nutzen.
ich gehöre zu den Oldschool-NichtSmartphoneBesitzern!
(TechnikgreiftzuvielinunserLeben-Frühergingdasauchallesohne-WennschonvieleInfosdaunddortnichtaktuell, danndochwiederumdasProbvieleQuellennutzenzumüssen-Gernvorort dann wieder anders--- usw.)

Wenn Du viel entdeckermäßig in deinem Heimatrevier unterwegs bist, dann bieten sich die allerbesten (Grund)Karten natürlich an.

Ich bereite BergTouren natürlich auch, inzwischen auch recht ausführlich vor.
Bei Touren auf normalem Wegenetz reicht mir eine Skizze völlig aus. (Mein AV-Führer Bregenzerwald+LQG wiegt bestimmt ein halbes Kilo! :D, wozu so viel Ballast mitnehmen...)

In der Regel läüft das etwa so ab:
Inspiration woauchimmer her, dann Recherche in
1) AV-Führer -derer ich sehr viele, teils ältere habe. Für mich immer noch DIE Quelle, da sich die Infos dort in der Regel über die Jahre nicht drastisch ändern. Normale gedruckte-Karten habe ich auch, nehme sie aber nicht im Original mit, da zu unhandlich. >(Kopie +einige eigene Eintragungen auf der Kopie)
2) Inet, ja klar, das nutze ich im Vorfeld. Wegenetz, Bilder und Beschreibungen von hikr, festivaltours, outdooractive usw. wegen interessanter Ansichten von Graten und/oder mgl "kritischer" Stellen von Neuen oder im AV nicht beschriebener Touren. Das hilft mir bei der groben Einschätzung
3) Webcams für aktuelle Verhältnisse (Schneelage, Wetter)

Wenn ich nun absolutes "Neuland" anstrebe, was nun nicht die Regel ist....dann versuche ich Bilder aus allen möglichen Perspektiven zu bekommen, die Hangneigung habe ich über bergfex, Zugänge, Abstiege und Alternativen lassen sich im Vorfeld planen.
Das "anspruchsvollere" Gelände im Gebirge selbst ist meiner Meinung nach nur sehr schwer bis gar nicht nach Karte planbar. Selbst wenn du die Runsen, Rinnen und Absätze dann sehr gut abgebildet hast, kann es vor Ort durch ungünstige Schichtungen, Feuchtigkeit, Muren, Steinschlag oder (zu viel) Bewuchs (Latschen usw.) zu gefährlich bis unmöglich werden. (Für mich)
DAS zu beurteilen geht alles nur vor Ort. Ins Blaue mache ich das auch nicht- deshalb suche ich immer im Vorfeld kleinräumigere Alternativen. (Wenns da nicht geht -für mich- dann mache ich es so...usw - das machst du ja genauso^^ - das Rumsuchen vor Ort nach der besten Lösung für die nächsten Meter ist eh das befriedigendste "Salz in der Suppe")

Da ich ja oft alleine unterwegs bin und nach über 40 Jahren Bergsteigen ziemlich gut weiss, wo meine (eher physischen) Grenzen liegen, ist das erwartete Niveau meiner Erkundungen so angesetzt, dass ich das auch wieder runterkomme, was ich hochgehe
(Ausnahmen bestätigen die Regel - so würde ich die Schlüsselpassage in der Geierköpfe Nordwand NICHT abklettern WOLLEN - aber wenns nicht anders geht..nun......
Rein technisch ist das Hoch-, mehr noch das Abklettern im unbekannten IIer/T6 Bereich eh schwierig-weil es ruckzuck auch III oder mehr werden kann, was ich in unzuverlässigem Feld oder Mix lieber lasse. Rein klettertechnisch habe ich das auch solo drauf, aber ich nehme meist keine extra Kletterpatschen mit. Mit den Wandertretern und Rucksack ist dann so ne Stelle gleich ein anderes Kaliber


Grüße
Markus


Schubi hat gesagt: RE: Nur ne Skizze
Gesendet am 3. November 2020 um 13:34
Deinem Satz "das Rumsuchen vor Ort nach der besten Lösung für die nächsten Meter ist eh das befriedigendste 'Salz in der Suppe')" schicke ich ein definitives "Jo!" hinterher.
Wobei ich das bislang nur in wilderen Ecken von zB dem Schwarzwald gemacht hab. Wegloses Unterwegssein in den Alpen find ich sehr beeindruckend, aber dafür braucht's ja schon (wie bei dir) viele Jahre Erfahrung, denk ich. Auf jeden Fall finde ich es immer spannend, in Hikr-Tourenberichten die "Entscheidungsfindungen" für solche Stellen zu lesen.

Nyn hat gesagt: RE: Entscheidungsfindung
Gesendet am 3. November 2020 um 13:51
Der Unterschied ist so groß nicht, ob Du nun im Schwarzwald oder im Gebirge unterwegs bist. Die Orientierung ist nach meiner Einschätzung im "Waldgebiet" da wie dort erschwert, da dir die Übersicht fehlt.
Wenn es denn da trotzdem durch muss (wie am Braunen Ruggen), dann halte ich mich gerne an halbwegs erhabene Geländestrukturen wie Rippen oder Grate. Was im "weglosen" Geläne auch extrem hilfreich ist, sind Tierspuren. Du lernst die echt zu schätzen... hihi

Schubi hat gesagt: RE: Entscheidungsfindung
Gesendet am 3. November 2020 um 13:56
Ja, stimmt! Tierspuren haben mich auch oft hilfreich und kräftesparend geführt :-)

F3ttmull hat gesagt:
Gesendet am 4. November 2020 um 10:29
Die Klingen und Tobel mache ich immer, wenn ich zurück in die Heimat fahre. Mein Favoriten sind rund um Wildberg, Bad Teinach und Bad Liebenzell im Nördlichen Schwarzwald:
https://www.krabba-nescht.de/xanderklinge/
In der Übersicht mit anderen Tollen Schluchten und Klingen:
https://schwarzwaldnatur.blogspot.com/2013/10/seitentaler-und-seitenklingen-des.html

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. November 2020 um 11:27
Hi Tom.
Ah, schaut toll aus. Soweit nördlich komm' ich leider selten. Danke für die Links. Das Schwarzwaldnatur-Blog von Fritz Möbus kenne ich, das ist oft eine hervorragende Informationsquelle.
Schönen Gruß, Frank


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